3.
C. Ich bitte dich, was für eine Verschrobenheit, ja was für eine jeder Vernunft bare Diskussionsmethode tritt bei dir zutage? Nicht einmal das gestehst du mir zu, daß derjenige, der dem Taufwasser entsteigt, ohne Sünde ist?
A. Entweder bin ich nicht fähig, meine Gedanken in Worte zu kleiden, oder du bist zu schwerfällig, um meine Erörterung zu verstehen.
C. Inwiefern?
A. Erinnere dich an das, was du gesagt hast, und an das, was ich sage! Du hast die Meinung vertreten, der Mensch sei ohne Sünde, wenn er nur wolle. Hierauf entgegne ich, es sei dem Menschen unmöglich, nicht als ob der Mensch sofort nach der Taufe nicht frei von Sünden wäre. Aber jene Zeit, während welcher der Mensch sündlos bleibt, wird keineswegs durch menschliches Können, sondern durch die göttliche Gnade bestimmt. Wenn du das eigenmächtige Können preisgibst, dann will ich gern die Tatsache der Sündlosigkeit zugeben. Wie kann man bei einem solchen von Können S. 466 reden, der aus sich nicht kann? Was ist das für eine Sündlosigkeit, die sofort durch den leiblichen Tod zu Ende geht?1 Sicherlich schwebt sie in der Gefahr, durch eine absichtliche oder unwissentliche Sünde zerstört zu werden, wenn das Leben länger dauert.
C. Du umgarnst mich mit deiner dialektischen Kunstfertigkeit und legst mir Fallstricke dadurch, daß du einen Unterschied aufstellst zwischen sein und sein können, und darum ermangelt deine Rede der christlichen Einfältigkeit.
A. Ich soll mit Ränken spielen in der Anwendung von Worten, die doch in deiner Werkstätte geschmiedet sind? Denn du sagst, der Mensch sei zwar nicht sündlos, aber er könne es sein, während ich im Gegensatze hierzu für die Ansicht eintrete, die du geleugnet hast, daß nämlich der Mensch mit Hilfe der Gnade Gottes frei von Sünde sein kann, ohne allerdings aus sich die Fähigkeit hierzu zu besitzen?
C. Dann ist es also nutzlos, Gebote zu geben, wenn wir sie nicht erfüllen können.
A. Gott hat nur Gebote gegeben, deren Beobachtung möglich ist. Darüber besteht für niemand ein Zweifel. Weil aber die Menschen das Mögliche nicht tun, deshalb ist die ganze Welt Gott unterworfen und bedarf seiner Barmherzigkeit. Natürlich, wenn du jemanden vorführen kannst, der allen Geboten nachgekommen ist, dann wirst du auch nachweisen können, daß es einen Menschen gibt, der die göttliche Barmherzigkeit nicht nötig hat. Alles, was geschehen kann, gehört einer der drei Zeiten an, der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft. Zeige nun, daß deine Behauptung, der Mensch könne sündlos sein, wenn er wolle, sich in der Vergangenheit verwirklicht hat oder für die Gegenwart zutrifft! Wegen der Zukunft werden wir später schon miteinander fertig werden. Solltest du allerdings keinen anführen können, der ohne jede Sünde ist oder gewesen ist, dann freilich bleibt nur übrig, die Erörterung auf die Zukunft zu beschränken. Unterdessen wirst S. 467 du dich für zwei Zeiten, die Vergangenheit und die Gegenwart, als besiegt erklären müssen. Wenn später einmal jemand kommt, der größer ist als die Patriarchen, Propheten und Apostel, der frei ist von der Sünde, dann wirst du eine zukünftige Generation für die Zukunft, wofern du es erlebst, überzeugen können.
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Gedacht ist an einen Menschen, der sofort nach der Taufe stirbt. ↩