Einleitung
Die Überführung des heidnischen Römerstaates in ein christliches Gebilde hatte allerhand Probleme im Gefolge. Hieronymus hatte es sich während seines römischen Aufenthaltes zur besonderen Aufgabe gemacht, mitzuwirken an der Ausmerzung alles Heidnischen aus dem christlichen Leben und aus der christlichen Gesellschaft. Wie soll sich das Christentum zur heidnischen Literatur einstellen, ist der letzte Sinn der Frage, die Magnus 1 an Hieronymus richtet. Diese Frage hatte Hieronymus schon einmal beantwortet, als er gelegentlich des Traumgesichtes in der Wüste Chalkis das Versprechen ablegte, nie wieder die Schriften der Klassiker zur Hand nehmen zu wollen. 2 Doch hier kommt etwa S. b288 zwanzig Jahre später das abgeklärte reifere Alter zu der einzig möglichen Entscheidung, wie sie der christliche Usus und das grundsätzliche Gutachten des hl. Basilius 3 schon längst gebracht hatten.
Zum Schlusse seines Briefes 4 wittert Hieronymus in der Anfrage allerdings eine Falle, welche ihm Rufin gestellt hat. Diese Vermutung ist insofern von Wichtigkeit, als sie ein Fingerzeig ist für die zeitliche Ansetzung des Briefes, für die sonst kein Anhalt vorläge. Die Anfrage aus Rom kann erst nach Rufins Ankunft dortselbst abgeschickt worden sein. Diese fällt Ende 397 oder Anfang 398. Die ep. 81 an Rufin, welche den drohenden Bruch noch zu verhindern sucht, muß vor dem Brief an Magnus geschrieben sein; 5 denn dessen scharfe Sprache gegen Rufin setzt den erneuten Abbruch der wieder aufgenommenen freundschaftlichen Beziehungen voraus. Da ep. 81 im Winter 398/99 geschrieben ist, 6 wird unser Brief frühestens 399 verfaßt sein.
-
Cavallera möchte Magnus mit Flavius Magnus, rhetor urbis aeternae, dessen Sarkophag zu Rom im Kapitolinischen Museum aufbewahrt wird, gleichsetzen. Nach der Inschrift war er der erste „comes primi ordinis“, ein Titel, der nach einem Gesetze aus dem Jahre 425 den emeritierten Rhetoren zukam. (Cav. I 188.) Zeitlich bestehen also gegen die Gleichsetzung keine Schwierigkeiten. Es ergibt sich aus der Inschrift, daß die Anrede „orator urbis Romae“ ein amtlicher Titel war, etwa unserem Justitiar vergleichbar. Einen orator Magnus erwähnt auch Sidonius, Ep. V 10 (M PL LVIII 542). ↩
-
Vgl. BKV XV S. XXV. ↩
-
Vgl. dessen Schrift „Ad adolescentes, quomodo possint ex gentilium libris fructum capere“ (M PG XXXI 563 ff.). Es ist auffallend, daß Hieronymus in diesem Briefe wie auch im Schriftstellerkatalog (De vir. ill. 116) diese Schrift übergeht und Basilius nur mit seinem Namen kurz erwähnt (c. 4). Basilius war ihm seit den Tagen des antiochenischen Schismas nicht sympathisch. (Vgl. Chronik ed. Helm 248.) In Bethlehem hat Hieronymus jungen Leuten, vielleicht angehenden Novizen, Unterricht in der klassischen Literatur erteilt (Ruf., in Hier. II 8 — M PL XXI 592). Freilich sieht er beim Priester die allzu weitgehende Beschäftigung mit den Klassikern nicht gern, es sei denn, daß die „gefangene Sklavin“ vorher gereinigt und das Studium der Schrift nicht vernachlässigt wird (ep. 21, 13 ad Dam.). ↩
-
Ep. 70, 6. ↩
-
Gegen Pr. 56 f. ↩
-
Vgl. S. 126. ↩