Einleitung ostsyrisches Mönchsleben
S. 283 Zu der Zeit, da das Aszetentum in den ostsyrischen Ländern zuerst genannt wird, scheint es bereits eine gewisse, wenn auch noch lockere Organisation besessen zu haben.
Die erste Erwähnung findet sich in der im Jahre 336/17 geschriebenen Homilie des Aphraates, des persischen Weisen, „Über die Bundessöhne". Ein „Bundessohn", „Heiliger", „Einsiedler", „Bruder", heißt es dort, darf mit keiner „Bundestochter" zusammenleben; er soll festen Glauben, Gebet und Fasten üben, nicht Kleiderpracht und Wohlgerüche lieben, nicht das Haar pflegen, nicht Gastmähler besuchen, mäßig sein im Weingenuß, nicht Zins nehmen. Wo er aufgenommen wird, soll er zurechtweisen; wo er nicht aufgenommen wird, seine Würde wahren. Sie scheinen somit neben der Virginität nur eine mäßige Aszese geübt zu haben und mitunter als Prediger aufgetreten zu sein. Diese Beschreibung weist eine auffallende Ähnlichkeit auf mit der Beschreibung „der Lebensweise der Brüder in unserer Gegend" des anscheinend westsyrischem Boden entsprossenen zweiten Briefes De virginitate des Pseudoclemens Romanus. Auch an die monazontes und parthenae der Peregrinatio Silviae sei erinnert. Daß dieser aus Söhnen und Töchtern bestehende „Bund" eine gewisse Organisation besessen haben muß, darauf weist schon der Name1. Auch erscheint er schon bei Aphraates, wie in den Märtyrerakten als eigener Stand und ist durch eigene schwarze Kleidung2, wie sie später den Mön- S. 284 chen zugeteilt wurde, gekennzeichnet. Dagegen begnügten sich noch um das Jahr 600 in Nisibis die vornehmeren Bundestöchter mit einfacher Kleidung3.
Nach den pseudonizänischen Kanonen sollen die Chorbischöfe in den Dörfern geeignete junge Leute durch Gebet und Handauflegung als Bundessöhne einsegnen und an die Kirchen und Klöster geben (Kan. 26). Wenn eine Gemeinde keine zu Priestern geeigneten Bundessöhne hat, nehme man Mönche (Kan. 25). Ein Mönch, der sein Kloster verläßt, soll sein Kleid ausziehen und wie ein Bundessohn des Dorfes oder der Stadt leben (Kan. 59). Der Chorbischof soll jährlich dem Volke und den Bundessöhnen einerseits, den Mönchen andererseits die für sie geltenden Kanonen vorlesen (Kan. 58) 4. Aus dieser eigenartigen Stellung des „Bundes" erklärt es sich, daß die Synoden, wie die späteren einheimischen Kanonisten, ihn bald zum Klerus, bald zum Mönchsstand rechnen.
Als Vater des organisierten Mönchtums in Ostsyrien wird gewöhnlich Mâr Augên (Eugen) genannt, der nach der Legende als Perlenfischer in Klysma (Suez) in fünfundzwanzigjähriger Aszese lebte, dann in das Kloster des Pachom eintrat, sich wiederum einige Zeit in Ägypten (wohl der nitrischen Wüste) aufhielt, hernach mit siebzig Gefährten nach Nisibis kam, auf dem Izalâ ein Kloster gründete, seine Jünger zu neuen Klostergründungen aussendete und nach vielen Wundertaten am 21. April 363 starb. Allein nach den eingehenden Untersuchungen von Labourt (S. 308 ff.) ist diese Legende vor dem neunten Jahrhundert nicht nachweisbar. Möglicherweise ist Augên der Gründer eines ursprünglich monophysitischen Klosters, das, zerfallen, zwischen den Jahren 700 und 800 von den Nestorianern wiederhergestellt und mit einem allmählich sich erweiternden Legendenkreis ausgestattet wurde. Mit dem für unsere Zwecke gleichen Ergebnis glaubt dann Peeters5 S. 285 die Persönlichkeit des Augên dem Legendenkreis zuschreiben zu sollen, der sich um den berühmten Bischof Jakob von Nisibis († 338) bildete und dessen Helden seit dem Jahre 700 allmählich ihre Rolle geändert hätten.
Nur langsam scheint das gemeinsame Leben im persischen Reich sich entwickelt zu haben. Der Ausgangspunkt war das gebirgige Hochplateau nördlich von Nisibis mit seinem südlichen Ausläufer, dem Izalâ , das infolge der zahlreichen Mönchsniederlassungen noch heute den Namen Tûr 'Abdîn, „Gebirg der Knechte (Gottes)" trägt. Diese Gegend, die erst im Jahre 363 im schimpflichen Frieden Jovians an Schâpûr II. abgetreten wurde, war aber zunächst westsyrisch griechisches Kulturgebiet. Hier finden wir bis heute noch monophysitische und nestorianische Klöster auf engem Räume. Auch das Kloster des Mâr Augên war hier gelegen. Von hier aus schoben sich syrische Klostergründungen sowohl in das kurdisch-medische Bergland, wie in die aramäische Tiefebene vor. Aber eine feste Organisation und damit einen gesicherten Bestand konnten diese Klöster nur allmählich finden. Bis lange über Schâpûr II. hinaus mußte der Existenzkampf, den die ganze Kirche zu führen hatte, auch hier ungünstig wirken. Ein andauerndes Hindernis war ferner der stark ausgeprägte Subjektivismus dieser Aszeten, die für Seßhaftigkeit wenig Sinn zeigten. Immer wieder lesen wir, wie oft sogar die Angesehensten aus ihnen, nachdem sie sich kürzere oder längere Zeit in verschiedenen Klöstern aufgehalten, plötzlich sich in die Einöde zurückzogen, um da oft wieder selbst Schüler um sich zu sammeln. Nicht selten verließen auch größere Gruppen mitunter aus sehr menschlichen Beweggründen ihre bisherigen Brüder, um sich irgendwo selbständig niederzulassen. Eine Folge dessen war, daß diese Klöster oft von bescheidenstem Umfange waren und daß trotz ihrer sehr großen Anzahl die meisten nur eines sehr kurzlebigen Daseins sich erfreuten.
Besonders auffallend und von nachteiligem Einfluß ist das gespannte Verhältnis, in dem das Mönchtum vielfach zum Episkopat stand. Die Schuld lag teilweise
S. 286 in dem Tiefstand, zu dem die Kirchengewalt infolge des Druckes der heidnischen Staatsgewalt, besonders in der traurigen Periode von Akak bis Mâr Abâ (485—540) herabsank. Sie lag aber auch in dem sittlichen Antinomismus, dem manche Mönchskreise infolge ihrer Ungebundenheit verfielen und wiederum in den origenistischen und monophysitischen Tendenzen, die vielfach durch die Mönche Verbreitung fanden. Wo das „Buch der Synhados" sich mit den Mönchen befaßt, geschieht es zumeist in wenig anerkennendem Sinn.
So spricht im Februar 486 die Synode des laxen Akak, die erste, welche die Mönche erwähnt, im Kanon 2 von Betrügern, die zur Täuschung schwarz gekleidet sind und durch Äußerlichkeiten die Einfältigen verführen, und verordnet, daß die Mönche nicht mehr in Städten und Dörfern wohnen, die Liturgie feiern und taufen dürfen, sondern unter der Aufsicht der Bischöfe, Pfarrer und Periodeuten sollen sie in der Einöde wohnen. Die Synode des Joseph vom Jahre 554 hebt im Kanon 26 diese Beschränkungen zwar teilweise auf, befiehlt aber doch, daß sie nur mit Erlaubnis des Bischofs an bestimmten Tagen die Liturgie feiern und sonst in der Hauptkirche kommunizieren sollen. Die Synode des Sabrischô’, Mai 596, wendet sich gegen Brüder und Schwestern, die unter dem Titel der Vollkommenheit zusammenwohnen, und legt mehreren Klöstern des Schiggargebirges, die häretischer Gesinnung verdächtig waren, die Pflicht der Stabilität unter einem vom Patriarchen bestimmten Obern auf. Noch im Mai 676 befiehlt Kanon 12 der unter Patriarch Georg auf der südarabischen Insel Dirin gehaltenen Synode, daß die Bischöfe diejenigen vertreiben, welche sich selbst das Mönchskleid geben, bloß durch einen geschorenen Kopf und den Mangel alles dessen, was ihrem Stande geziemt, beim Volke Ansehen gewinnen wollen, sich keinem Obern unterwerfen und die Kanonen ihres Standes nicht halten6.
Aber trotz aller Mängel haben sich diese Mönche um das Christentum in Mittel- und Ostasien unvergäng- S. 287 liche Verdienste erworben. Sie bildeten in den schweren Zeiten der arabischen Eroberung, der Türken- und Mongolenstürme den festesten Rückhalt der Kirche. Sie waren es, die den Christenglauben nach Indien und bis an den stillen Ozean vortrugen. So konnte um das Jahr 800 Patriarch Timotheus I. einen zaghaften Bischof auf das Beispiel der Mönche hinweisen, die, „nur mit Stab und Ranzen" versehen, nach Indien und China wanderten und einen Metropoliten für Chorasan und Tibet (Bêt Tûptâjê) weihen. Und in seinen „Kirchlichen Rechtsentscheidungen" sagt er Nr. 31 über eine Frau, deren Mann ausgewandert ist: „Sie soll durchaus nicht wieder heiraten, bis sie sicher weiß, ob ihr Mann tot ist oder nicht. Denn die Sache bleibt nicht verborgen, ob er bei den Indern oder bei den Chinesen ist. Denn von den Bischöfen, Metropoliten und dem Patriarchen wird geschrieben und nachgeforscht. Und der Mann wird, wo immer er ist, durch die Anatheme des Wortes Gottes und die Kanonen gezwungen, zu seiner Frau zurückzukehren, oder ihr den entsprechenden Unterhalt zu schicken." 7 Und wenn noch Amr am Schlûsse seines Geschichtswerkes unter den siebenundzwanzig Kirchenprovinzen aufführt: Merv, Herat, China, Indien, Tabaristan, Delom, Samarkand, Turkestan, Segestan, Chan-Balik (Peking), Tangut und Kaschmir, so verdanken diese Inseln christlichen Glaubens ihre Entstehung und ihren langen Bestand dem Missionseifer dieser Mönche.
Aus der Unzahl dieser teils erfreulichen, teils unerfreulichen, zumeist nur kurzlebigen Gründungen hebt sich als dauerndes Reformwerk die Gründung Mâr Abrahams, des „Großen" auf dem Berge Izalâ , ab, dem die nestorianische Kirche aus Dankbarkeit den Ehrennamen „Vater der Mönche" beilegte. Ihm, sowie seinem Nachfolger Dâdischô' verdanken wir die ältesten ostsyrischen Klosterregeln, die wir kennen. Sein zweiter Nachfolger, Bâbai, der „Große", der uns schon als Verfasser der Passio seines geistlichen Schülers, Gîwargîs, bekannt ist, leitete sogar die persische Kirche in den Stürmen, die den Untergang des Reiches einleiteten. S. 288 Von Izalâ gingen dann zahlreiche Neugründungen aus, deren berühmteste das Kloster Bêt 'Abê (Holzhausen) wurde, auf einem waldigen Höhenrücken zwischen dem großen Zab und dem nahe dabei südlich des Klosters einmündenden Hazir gelegen. Freilich geschah auch diese unter und gegen Bâbai erfolgte Auswanderung anläßlich eines wenig erbaulichen Ereignisses. Die Geschichte von Bêt 'Abê, die sich bis zum Jahre 832 verfolgen läßt, ist uns weit besser als die aller übrigen ostsyrischen Klöster bekannt durch das lebensvolle Geschichtswerk, das Thomas, Mönch und Abt des Klosters, später Bischof von Margâ’, dann Metropolit von Bêt Garmai in der Mitte des neunten Jahrhunderts verfaßte. Es ist das ausführlichste und umfassendste Werk über ostsyrisches Klosterleben, das wir überhaupt besitzen8.
Aus diesem Werke sollen im folgenden die Kapitel, welche die Anfänge der Klöster von Izalâ und Bêt 'Abê behandeln, sowie einige für die Eigenart dieses Mönchtums charakteristische Abschnitte mitgeteilt werden. Den Schluß soll die Übersetzung der Mönchsregeln der beiden ersten Äbte von Izalâ , Abraham und Dâdischô', bilden.
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Über die Bedeutung des Namens äußerten sich zuletzt Wensinok (Z.D.M.G. 64, 1910, S. 561 ff.), der ihn mit „(heiliger) Stand" erklärt und Sohultheß (Ebd. S. 812), der ihn mit den „Standmännern" zusammenbringt, die nach talmudisohen Stellen wahrend des Opfers im Tempel standen. ↩
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Vgl. oben S. 86. ↩
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Vgl. oben S. 233. ↩
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Vgl. Braun, De sancta Nicaena synodo, Münster 1898, S. 78. 77. 100. ↩
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An. Boll. 24 (1905) S. 129 ff. ↩
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Vgl. Syuhados, S. 67 ff.; 159 ff.; 285; 289; 294; 343. ↩
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Vgl. Sachau, Syrische Eechtsbücher, 11 (1908), S. 78 f. ↩
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Nachdem zuerst Assemani, Bibl. Orient. III, 1, S. 464 ff., daraus Auszüge veröffentlicht, gab W. Budge den vollständigen Text mit engl. Übersetzung heraus unter dem Titel: The book of governors; the historia monastica of Thomas bishop of Marga. A. D. 840 (London 1893). Eine Herausgabe des Textes erfolgte durch Bedjan: Liber superiorum, seu hist. monastica auctore Th. ep. Margensi (Paris, Leipzig 1901). ↩