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Summe der Theologie
Zehntes Kapitel. Die Ewigkeit Gottes. Überleitung.
„Der da lebt in Ewigkeit, Er hat alles zugleich gemacht.“ (Ekkli. 18.) Die Ewigkeit ist die letzte unter jenen Vollkommenheiten Gottes, welche uns ohne weiteres durch den absoluten Mangel im Geschöpfe erschlossen werden. Alle Ohnmacht: die nämlich des Urstoffes, welcher nur so viel hat, um alles werden zu können, aber nichts wirklich Bestehendes aus sich heraus ist; — die der Substanz, welche gerade so viel hat, um auf einer gewissen Seinsstufe, wie z. B. auf der des Menschen etwas werden zu können; auf eben dieser Seinsstufe aber an und für sich keine Wirklichkeit ist; — die der Eigenschaften, welche weder etwas in sich haben, was in letzter Stelle das Sein selbständig zu tragen vermag, noch etwas von wahrer Wirklichkeit besitzen; — die des Princips für das Einzelne, das suppositum im Dinge selbst, welches wiederum nur vermag, das Einzelne als solches, als Individuum zu tragen; — alle diese und ähnliche Ohnmacht steht miteinander vereinigt und dadurch bis ins Unendliche vermehrt da, wenn es gilt, zu handeln, thätig zu sein, zu wirken. Alles, was im Dinge an allgemeinen Seins-Elementen sich vorfindet, das offenbart sich zugleich und mit einem Male in der Thätigkeit. Der Urstoff burchdringt da mit seiner uneingeschränkten Möglichkeit ganz die Substanz; die Substanz ist ganz und zugleich gegenwärtig in allen Teilen des einzelnen Dinges und im Ganzen; das Einzelne trägt ganz und zugleich den Charakter und das Gepräge der Substanz; jede Eigenschaft tritt zur ganzen Substanz hinzu und offenbart die ganze Substanz; alles ist da in wunderbarster Weise miteinander durchdrungen und verschlungen. Oder kann nicht, was der Mensch augenblicklich wirkt, zu allem Möglichen werden, auf alles Mögliche Bezug haben? Konnte nicht alles Mögliche dazu beitragen es zu wirken? Siehe da also, wie den einzelnen Akt der Urstoff durchdringt: die unlverselle nämlich und doch durchaus positive Möglichkeit für das Sein. Ist es nicht der ganze Mensch, der da handelt und der da immerdar menschlich handelt? Prägt sich nicht im Wirken des Menschen der ganze einzelne Mensch aus, so daß die allgemeine Substanz durchaus vom einzelnen Menschen getragen wird und der einzelne Mensch wieder die ganze allgemeine Substanz duichdringt? Trägt die einzelne Thätigkeit die Eigenschaft der Weisheit, so wird sie dem ganzen Menschen seiner Substanz nach und gemäß seinem Einzelbestande zugeschrieben. Alle diese verschiedenen Möglichkeiten stellen sich in der einzelnen Thätigkeit ganz und zugleich, wechselseitig in unsagbarer Weise umschlungen dar. Aber was wird nun eigentlich hierdurch, gewissermaßen wie in einer Summe vorgestellt? Alle Ohnmacht im Geschöpfe ganz und zugleich! Jegliche Thätigkeit offenbart diese vereinte Ohnmacht für das thatsächliche Sein. Gott wirkt im Geschöpfe; und Er wirkt zumal dies, daß das Geschöpf als solches auch wirkt. Aber was ist in diesem Wirken dem Geschöpfe, soweit aus dem Nichts stammt, wahrhaft zu eigen? Hier offenbart sich erst in all seiner Bedeutung dieses Nichts. „Was ist Gegenwart?“ fragt Augustin. „Während ich spreche, ist das Wort, welches ich ausgesprochen, bereits vorbei und dasjenige, welches ich sprechen werde, ist noch nicht.“ „Gewesen und wird sein,“ fuit et erit; siehe da das Maß für die Thätigkeit der Geschöpfe. Was gewesen, das ist nicht mehr; was sein wird, das ist noch nicht. Immer das Nichts ist dieses Maß, soweit es auf das Geschöpf ankommt. „Vorher und Nachher“ nennt Thomas dieses Maß. Die Zeit ist das beständige fließende Maß. Nichts bleibt gemäß ihr bestehen. Vergangenheit und Zukunft hat die Zeit; Gegenwart hat sie nicht. Sprich: hier ist etwas. Während du sprichst, ist es schon nicht mehr das, was es im vorhergehenden Augenblicke war. „Wie das Wasser, welches dahinfließt, ist die Zeit,“ sagt der Heide, „du kannst keinen einzelnen Wassertropfen zweimal berühren.“ Es steht fest nur der Ewige; und in Ihm allein „steht die fließende Welle“ des Zeitlichen, stetit unda fluens. (Deutero. 32.) Nur der Ewige hat keine Teile, von denen der eine nicht der andere ist. Alles Sein ist Er; und Er ist es zugleich. Ein Augenblick; — aber ein Äugenblick, welcher immer bleibt, ist sein Maß. Nur wer sein Wirken an den Ewigen heftet, nur wer im Hinblicke auf den Ewigen thätig ist und von ihm all sein Handeln in erster Linie bestimmen und leiten läßt; — nur dessen Handlungen gewinnen Beständigkeit; bleiben fest und dauerhaft im Meere der Ewigkeit; nehmen teil an dem instans perpetuum; erringen wahre Gegenwart. Alles zugleich! Das ist das Merkzeichen der Ewigkeit. Die Ewigkeit wirft ihre Strahlen mitten in die Zeit. Daß man sich diese Vollkommenheit ja nicht als müßige Ruhe vorstelle! Wenn im Wirken des Geschöpfes sich Urstoff und Substanz, Form und Stoff, Sein und Suppositum, Eigenschaft und Existenz so wunderbar durchschlingt, daß da alles zugleich sich vorstellt; — so ist dies gerade das specielle Wirken der Ewigkeit, es ist ein Strahl vom ewigen Lichte. Und wenn die Sonne da oben und das Meer da unten, wenn die entferntesten Gestirne dort oben und die Abgründe hier unten, wenn Pflanze und Tier, die Sandkörner am Meeresstrande und die Granitfelsen der hohen Gebirge; wenn alles in dieser unermeßbaren Welt zusammenwirkt, daß das eine angewiesen ist auf das andere, daß das eine entlehnt vom anderen; das eine seinen Halt findet im anderen; wenn so alles im All sich vereint zu harmonischer Thätigkeit; — so ist dieses „ganz und zugleich“ wieder ein matter Strahl der Ewigkeit, die da gerade als Ewigkeit das ganze wirkende Sein Gottes in einem Augenblicke ohne Wandel messend zugleich erschöpft. O Ewigkeit! Dein Name mag nur genannt werden, so ist das menschliche Herz wunderbar gerührt. Es fühlt, ohne sich davon genaue Rechenschaft geben zu können, wie hier das Heim aller Kreatur ist, wie nur hier unabänderliche Ruhe gefunden werden kann, wie hier in dir der tiefste Grund davon existiert, daß das Sein Gottes als ein durchaus einfaches, nie der Veränderung fähiges, immer nur auf sich selber wie auf den letzten Zweck gerichtetes dasteht. Das Maß des Seins bestimmt den inneren Charakter dieses selben Seins. Ewigkeit besagt ein Maß, das in seiner reinsten Einfachheit durchaus allerschöpfend ist. Also ist gerade die Ewigkeit in Gott der innere maßgebende Grund für alle anderen Vollkommenheiten und zugleich das allüberragende Maß des geschöpflichen Seins. Ist die geschöpfliche Thätigkeit so elend, daß sie alle im Dinge bestehende Ohnmacht von jeglicher Seite her ganz und zugleich vorstellt, so wende sich das Geschöpf nur immer dringender zum Ewigen. Er, der kraft seiner Ewigkeit es bewirkt, daß die allseitige Möglichkeit im Geschöpfe sich ganz und zugleich offenbart unter dem Maße der Zeit; im „Vorher und Nachher“, im „Gewesen und Wirdsein“, im Nichts mit einem Worte, damit Er uns zeige, was wir von uns haben; — Er wird auch wieder, wenn wir Ihm nahen und von uns selber fliehen, durch seine Ewigkeit in uns bewirken, daß unser Wirken in Ihm sei, in Ihm Bestand habe, daß vermittest unseres Wirkens all unsere Vorzüge, die in der Zeit so leicht und schnell vorübergehen, in seiner Ewigkeit Bleiben erhalten und da „ganz und zugleich“ wirklich erscheinen. „Er, der da in Ewigkeit lebt, hat alles zugleich gethan.“ (Cf. „das Wissen Gottes“. III. Abteil., 8. Kap., § 1, u. 13. Kap., §. I.)
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Summa theologiae
Prooemium
Iª q. 10 pr.
Deinde quaeritur de aeternitate. Et circa hoc quaeruntur sex. Primo, quid sit aeternitas. Secundo, utrum Deus sit aeternus. Tertio, utrum esse aeternum sit proprium Dei. Quarto, utrum aeternitas differat a tempore. Quinto, de differentia aevi et temporis. Sexto, utrum sit unum aevum tantum, sicut est unum tempus et una aeternitas.