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Works Thomas Aquinas (1225-1274) Summe der Theologie
Tertia Pars
Quaestio 28

Dritter Artikel. Die Mutter Gottes blieb Jungfrau nach der Geburt.

a) Dagegen spricht Folgendes: I. Matth. 1. heißt es: „Bevor sie zusammenkamen (Joseph und
Maria), ward sie erfunden tragend vom heiligen Geiste.“ Also sind sie
nachher zusammengekommen; wie man nicht sagt: vor dem Mittagessen,
wenn man nicht die Absicht hat, nachher zu Mittag zu essen. Somit blieb
Maria nicht Jungfrau nach der Geburt. II. „Fürchte nicht, anzunehmen Maria deine Frau;“ sagt der Engel
zu Joseph. Die Ehe aber wird vollzogen durch die geschlechtliche Verbindung. III. Wiederum heißt es (l. c.): „Und er nahm an seine Frau und
er erkannte sie nicht, bis sie geboren hatte ihren erstgeborenen Sohn.“ Das
„bis“ aber bezeichnet eine bestimmte Zeit, nach welcher das geschieht, was
bis dahin nicht geschehen war. Das „erkannte“ bezeichnet das geschlechtliche
Zusammenleben; wie Gen. 4.: „Adam erkannte seine Frau.“ Also scheint,
daß Maria nicht Jungfrau blieb nach der Geburt. IV. Der Evangelist nennt Jesum den „Erstgeborenen“; also hatte
Maria später noch andere Kinder. So sagt ja auch Paulus (Röm. 8.):
„Die Er vorhergewußt, die hat Er vorherbestimmt, gleichförmig zu werden
dem Bilde seines Sohnes, daß Er sei der Erstgeborene unter vielen Brüdern.“ V. Joh. 2. heißt es: „Nachher stieg Er hinab nach Kapharnaum
(nämlich Christus) und seine Mutter und seine Brüder.“ VI. Matth. 27. heißt es: „Es waren da (am Kreuzc) viele Frauen,
welche Jesum von Galiläa her gefolgt waren und Ihm dienten; unter
ihnen war Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus und
Joseph und die Mutter der Söhne des Zebedäus.“ Diese Maria aber,
die Mutter des Joseph und Jakobus, scheint auch die Mutter Christi gewesen
zu sein, denn Joh. 19. wird gesagt: „Es stand neben dem Kreuze Jesu
Maria seine Mutter.“ Auf der anderen Seite heißt es Ezech. 44.: „Diese Pforte wird geschlossen sein und ein Mann wird da nicht eintreten und nicht wird sie geöffnet werden; denn der Herr, der Gott Israels, ist durch sie eingetreten;“ wozu Augustin sagt: „Was ist das für eine Pforte, die im Hause des Herrn geschlossen ist; wenn nicht die stets unberührte Jungfrau Maria? Und was ist dies, daß ein Mann nicht da eintreten wird, wenn nicht, daß Joseph sie nicht erkennen wird? Und was ist dies, daß der Herr selbst da eingeht und ausgeht, wenn nicht, daß der heilige Geist sie erfüllen und der Herr der Engel aus ihr geboren werden wird? Und was ist, daß sie geschlossen sein wird in Ewigkeit, wenn nicht, daß Maria Jungfrau ist vor der Geburt, in der Geburt und nach der Geburt!“

b) Ich antworte, zu verabscheuen sei der Irrtum des Helvidius, welcher sich vermaß zu sagen, die Jungfrau Maria habe nach der Geburt Christi mit Joseph noch andere Kinder gehabt. Denn dies ist entgegen der Würde Christi, der als Gott der Eingeborene des Vaters ist wie sein in Allem vollendeter Sohn und so geziemenderweise auch der Eingeborene der Jungfrau ist wie deren überaus vollkommener Sproß. Dieser Irrtum beleidigtden heiligen Geist, dessen Heiligtum war der jungfräuliche Leib, in welchem Er Christi Körper formte. Er erniedrigt zudem die Würde und Heiligkeit Marias, die da im höchsten Grade undankbar gewesen sein würde, wenn sie, mit einem so großen Sohne nicht zufrieden, die Jungfräulichkeit, die in ihr durch ein Wunder Gottes bewahrt worden, aus freien Stücken hätte verlieren wollen durch geschlechtliches Zusammenleben. Endlich würde dies dem heiligen Joseph zur höchsten Schande gereichen, wenn er, nachdem er in Erfahrung gebracht, Maria habe vom heiligen Geiste Gott selber in sich empfangen, noch versucht hätte, sie zu beflecken. Also ist schlechthin zu sagen, daß, wie Maria als Jungfrau empfangen und als Jungfrau geboren hat, so sie Jungfrau geblieben ist in Ewigkeit.

c) I. Darauf antwortet Hieronymus (cont. Helvid. 1.): „Dies Vorwort vorher zeigt wohl oft an, daß etwas folgt; manchmal jedoch thut es nur dar, was vorher gedacht worden ist. Und es ist nicht notwendig, daß das, was gedacht worden ist, wirklich nun eintrete, da manchmal etwas dazwischen kommt, auf Grund dessen es nicht geschieht. So kann jemand sagen: Bevor ich am Hafen zu Mittag speiste, habe ich eine Spazierfahrt auf dem Schiffe gemacht; ohne daß damit ausgedrückt ist, daß dieser selbe nun wirklich nach der Spazierfahrt am Hafen zu Mittag speiste, sondern nur daß er in seinen Gedanken es hatte, am Hafen zu Mittag zu speisen.“ Und so heißt es hier: „Bevor sie zusammenkamen, ward sie erfunden;“ daraus folgt nicht, daß sie nachher zusammenkamen, sondern als es den Anschein hatte, daß dies geschehen würde, kam zuvor die Empfängnis durch den heiligen Geist; und dies war der Grund, daß sie später nicht mehr zusammenkamen. II. Darauf erwidert Augustin (1. de nupt. et conc. 11.): „Frau des
Joseph ward die Mutter Gottes genannt auf Grund der Treue, die auf
gegenseitigem Versprechen beruhte; er hatte sie weder vorher geschlechtlich
erkannt noch sollte dies in der Zukunft geschehen.“ Und Ambrosius (et
nomen virginis): „Nicht der Verlust der Jungfräulichkeit wird damit erklärt,
sondern die Ehe wird bezeugt, die Feier der Hochzeit wird dargethan.“ III. Manche beziehen diesen Ausdruck „er erkannte sie nicht“ auf
die einfache Kenntnis, nicht auf das geschlechtliche Zusammenleben. So
sagt Chrysostomus (hom. 1. in op. imp.): „Bevor sie gebar, erkannte Joseph
nicht, welche Würde ihr innewohnte. Nachdem sie aber geboren, erkannte
er dies. Denn durch ihren Sproß war sie würdiger geworden, wie die
ganze Welt, da sie den, welchen die ganze Welt nicht fassen konnte, in der
engen Wohnung ihres Leibes allein umfing.“ Andere beziehen dies auf das Anschauen. Denn wie das Antlitz des Moses strahlte vor Herrlichkeit, als er mit Gott sprach, so daß die Kinder Israels nicht zu blicken vermochten in sein Antlitz, so war der Maria bei der Geburt umgebende Glanz so groß, daß Joseph sie nicht anblicken konnte; nach der Geburt konnte er sie wieder anblicken. Hieronymus aber bezieht dieses „erkennen“ auf das geschlechtliche Zusammenleben (I. c. 3.); meint aber, das „bis“ (donec oder usque) gestatte in der heiligen Schrift ein doppeltes Verständnis. Denn zuweilen weist es auf eine gewisse Zeit hin, wie Gal. 3.: „Wegen der Übertretungen wurde das Gesetz gegeben, bis der Same kam, dem die Verheißung geworden.“ Zuweilen aber bezeichnet diese Partikel eine endlose Zeit, nach Ps. 122.: „Unsere Augen sind auf unseren Herrn gerichtet, bis Er sich unserer erbarme,“ woraus nicht folgt, daß nach erlangter Barmherzigkeitdie Augen sich abwenden werden vom Herrn. Und nach dieser Redeweise wird auf das hingewiesen, woran gezweifelt werden könnte, wenn es nicht geschrieben stände; und wird das Übrige unserem Verständnisse überlassen. So nun sagt der Evangelist, Maria sei nicht erkannt worden vom Manne, bis sie gebarte; damit wir verstehen, um so weniger sei sie erkannt worden, nachdem sie geboren hatte. IV. Erstgeborener wird in der Schrift immer jener genannt, der zuerst zur Welt kommt, wenn auch keine anderen folgen. Sonst würden ja
nach dem Gesetze die Opfer für den erstgeborenen nicht dargebracht werden
können, bis andere gefolgt sind, was falsch ist; denn binnen einem Monate (?)1
mußten nach dem Gesetze die erstgeborenen losgekauft werden. V. „Brüder des Herrn,“ so Hieronymus (sup. Matth. 12.), „werden
nach einigen die Söhne des Joseph genannt, die er von einer anderen Frau
hatte. Wir aber nennen Brüder des Herrn nicht etwaige Söhne Josephs,
sondern Vettern verstehen wir darunter, nämlich Kinder jener Maria,
welche die Tante des Herrn war.“ Auf viererlei Weise nämlich gebraucht
die Schrift diesen Ausdruck „Brüder“: der Natur, dem Stamme, der Blutsverwandtschaft, der Zuneigung nach. Hier werden die betreffenden als
„Brüder des Herrn“ bezeichnet, nicht gemäß der Natur, als von derselben
Mutter geboren, sondern auf Grund der Verwandtschaft als seine blutsverwandten. „Von Joseph,“ sagt Hieronymus (ad Helv. 9.), „ist vielmehr
zu glauben, er sei jungfräulich geblieben; weil nicht geschrieben steht, er
habe eine andere Frau gehabt, und der Gedanke an Unkeuschheit mit Rücksicht auf ihn weit fern zu halten ist.“ VI. Das Evangelium nennt die Mutter Jesu immer mit diesem Zusätze: Maria, Mutter Jesu; was hier nicht der Fall ist. Diese „Maria“
ist die Frau des Alphäus, dessen Sohn ist Jakobus der jüngere; dieser
ward genannt „Bruder des Herrn“.


  1. Textverschiedenheiten in den codices ↩

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