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Works Thomas Aquinas (1225-1274) Summe der Theologie
Tertia Pars
Quaestio 46

Zweiter Artikel. Eine andere Art und weise der Befreiung des Menschengeschlechts wie durch das Leiden war möglich.

a) Dem steht Folgendes entgegen: I. Joh. 12. sagt der Herr: „Wenn das Samenkorn, welches in die
Erde geworfen wird, nicht abstirbt, bringt es keine Frucht.“ Nur also
durch seinen Tod konnte der Heiland die Frucht der Befreiung des Menschengeschlechts bringen; denn „Er selber war das Samenkorn“, nach Augustin
(tract. 51. in Joan.). II. Matth. 26. spricht Er: „Vater, wenn dieser Kelch nicht vorübergehen kann außer ich trinke ihn, so geschehe Dein Wille.“ Dazu bemerkt
Hilarius (31. in Matth.): „Deshalb kann dieser Kelch nicht vorübergehen,
weil wir nicht anders befreit werden können wie durch sein Leiden.“ III. Die Gerechtigkeit Gottes verlangte, daß Christus litte, damit der
Mensch von der Sünde befreit werde. Christus aber kann solche Gerechtigkeit
nicht beiseite lassen, nach 2. Tim. 2.: „Wenn wir nicht glauben, jener bleibt
treu, verleugnen Sich selbst kann Er nicht.“ Sich felbst verleugnen aber
würde Er, wenn Er seine Gerechtigkeit verleugnete. IV. Der Gegenstand des Glaubens kann nichts Falsches sein. Die alten
Vorväter aber glaubten, daß Chnstus leiden werde. Also konnte Christus
nicht anders. Auf der anderen Seite schreibt Augustin (13. de Trin. 10.): „Wir behaupten, daß diese Art und Weise, in der Gott uns hat befreien wollen durch den Mittler zwischen Gott und den Menschen Jesum Christum, gut sei und entsprechend der göttlichen Würde; zeigen wir jedoch auch, daß eine andere Art und Weise Gott nicht gemangelt hat, dessen Gewalt Alles gleichmäßig unterliegt.“

b) Ich antworte; schlechthin, absolut zu sprechen, war es möglich, daß Gott in anderer Weise den Menschen befreie wie durch Christi Leiden; denn „bei Gott ist nichts unmöglich“ (Luk. 1.). Unter einer gewissen Voraussetzung aber war es nicht in anderer Weise möglich. Denn da das Vorherwissen Gottes sich nicht täuschen und sein Vorherbestimmen nicht vergeblich sein kann, so war es, vorausgesetzt daß dies so im Vorherwissen und im Vorherbestimmen Gottes sich fand, nicht möglich, den Menschen anders zu befreien wie durch das Leiden Christi. Dies verhält sich so mit Allem, was von Gott vorhergewußt und vorherbestimmt ist; Vgl. I. Kap. 14, Art. 13.

c) I. Der Herr spricht da, vorausgesetzt das Vorherwissen und Vorherbestimmen Gottes. Danach konnte Er die Frucht des menschlichen Heiles nur durch sein Leiden bringen. II. Ähnlich. Denn „nicht ist es nötig, daß ich den Kelch trinke,“ so
sagt etwa der Heiland, „außer damit Dein Wille geschehe.“ III. Auch diese Gerechtigkeit hängt ab vom Willen Gottes. Denn
hätte Er ohne Genugthuung den Menschen von der Sünde befreien wollen,
so würde Er nicht gegen die Gerechtigkeit gethan haben. Jener Richter nämlich muß eine Schuld bestrafen, der da richtet über etwas, was gegen einen
anderen gethan worden ist, z. B. gegen den Nächsten oder gegen den
Staat oder den Fürsten. Gott aber ist das Oberhaupt des gesamten All.
Verzeiht Er also die Beleidigung, die Ihm angethan worden, so thut Er
keinem unrecht; wie ein Mensch, der das ihm angethaene Unrecht vergiebt, niemandem unrecht thut, sondern barmherzig handelt. Deshalb sagt David
(Ps. 50.): „Dir allein habe ich gesündigt,“ d. h. ohne Ungerechtigkeit kannst
Du mir verzeihen. IV. Der menschliche Glaube und auch die heilige Schrift, durch
welche der Glaube gelehrt wird, unterliegt dem Vorherbestimmen Gottes.
Also ist da Notwendigkeit unter Voraussetzung.

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