Dritter Artikel. Die Zahl der Engel ist sehr groß.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Die Zahl gehört der Seinsart des Umfanges an; sie entsteht nämlich aus der Teilung des in sich Zusammenhängenden. Die Engel aber sind unkörperlich. Also kann von Zahl bei ihnen keine Rede sein. II. Je mehr etwas der Einheit nahe ist, desto weniger ist es vielfältig. Die Natur der Engel aber ist Gott, der höchsten Einheit in hohem Grade nahe. Also sind deren nicht viele. III. Die eigentliche Wirkung der geistigen Substanz scheint die Bewegung der Himmelskörper zu sein. Aber bei den Himmelskörpern giebt es wenige verschiedene Arten von Bewegungen. Also bestehen wenige Engel. IV. Dionysius sagt (4. de div. nom.): „Auf Grund der Strahlen der göttlichen Güte bestehen alle geistig erkennenden und geistig erkennbaren Substanzen.“ Ein geistiger Strahl aber wird nicht vervielfältigt, außer wegen der verschiedenen Dinge, die ihn auffangen. Die veränderlichen stofflichen Dinge nun hier auf Erden können nicht jene geistigen Strahlen aufnehmen, da die geistigen Substanzen stofflos sind. Also kann die Vervielfältigung derselben höchstens nur angenommen werden gemäß dem Bedürfnisse der vorzüglichsten, alle Veränderung leitenden und in ihrer Substanz unveränderlichen Körper, nämlich der Himmelskörper. Somit folgt die Zahl der Engel derjenigen der Himmelskörper. Auf der anderen Seite steht bei Daniel (7, 10.) geschrieben: „Tausende von Tausenden dienten Ihm und zehnmal Hunderttausende standen vor Ihm.“
b) Ich antworte, daß man auf verschiedene Weise gesucht hat, etwas über die Zahl der Engel festzustellen. Plato nämlich meinte Arist. 1 Metaph.), es seien so viele vom Stoffe getrennte Substanzen wie es Gattungsbegriffe giebt. Denn er nahm an, die Gattungen der Dinge seien für sich bestehende Wesen; wie wenn z. B. die menschliche Natur an sich bestände, ohne daß sie dieser oder jener einzelne Mensch wäre. Das mißbilligt aber Aristoteles, weil der Stoff, also das Princip davon daß etwas einzeln in Zeit und Ort, dieses und nicht jenes der Zahl nach ist, zum inneren Gattungswesen der stofflichen Dinge gehöre. Somit können stofflose Substanzen nicht eine solche Gattung sein, sondern sie haben ein darüber erhabenes Sein. Aristoteles hielt aber dabei fest, daß diese stofflosen Substanzen Beziehungen haben zu den sichtbaren Dingen, insoweit sie aus dieselben durch ihre bewegende Kraft einwirken und zweckgemäß leiten. Somit suchte er gemäß der Zahl der hauptsächlichen maßgebenden Bewegungen die Zahl der Engel festzustellen. Weil aber dies der heiligen Schrift zuwider zu sein schien, nahm Rabbi Moses (2 Perplexorum 4 et 6) wohl mit Aristoteles an, daß der Engel, soweit sie stofflose Substanzen sind, so viele bestehen wie an erster Stelle maßgebende Bewegungen; er fügte jedoch hinzu, daß in der Schrift auch Menschen, welche Göttliches verkünden, Engel genannt werden und ebenso die Naturkräfte, welche Gottes Allmacht offenbaren. Letzteres jedoch ist nicht die Gewohnheit der Schrift, daß sie nämlich Naturkräfte Engel nannte. Demnach sagen wir, daß die Engel, auch insofern sie an sich bestimmte, stofflose Substanzen sind, in einer überaus großen Anzahl geschaffen worden sind, die jegliche Menge im Stoffe übersteigt. Und das bezeichnet Dionysius (14. de cael. hier.): „Viele Heerscharen der hohen Geister bestehen; sie lassen hinter sich an Zahl allen Vergleich mit unseren schwachen und beschränkten stofflichen Dingen.“ Und davon ist der Grund folgender: Da die Vollendung des All, seine Vollkommenheit, in erster Linie von Gott bei der Erschaffung beabsichtigt worden ist, so sind jene Dinge in desto größerem Übermaße geschaffen, welche vollkommener sind. Nun besteht bei den stofflichen Dingen das Übermaß in der Größe; bei den stofflosen in der Zahl. Sonach sehen wir, wie die dem irdischen Entstehen und Vergehen nicht unterworfenen Himmelskörper, welche unter den Körpern den ersten Rang einnehmen, über allen Vergleich hinaus unsere stofflichen Körper an Größe überragen; denn alle Ausdehnung des irdischen Wechsels ist etwas höchst Geringes in Vergleich mit den Himmelskörpern. Und so ist es auch der Vernunft entsprechend, daß die ganz stofflosen Substanzen als die edelsten unter den Seinsarten in überaus großer Zahl geschaffen worden sind.
c) I. In den Engeln ist keine Zahl, wie eine solche aus der Teilung des in sich Zusammenhängenden hervorgeht; sondern eine solche, wie sie dem Unterschiede in den Wesensformen entspricht, wonach das eine Wesen nicht das andere ist. Es ist da eine transcendente Vielheit. (Kap. 11, Art. 2.) II. Weil die Natur des Engels nahe bei Gott ist, hat sie das geringste Maß von Vielheit in ihrer Zusammensetzung; sie hat so wenig als möglichTeile. Das hat aber mit der Zahl nichts zu thun. III. Aristoteles hätte recht, wenn die stofflichen Substanzen wegen der stofflofen da wären. In diesem Falle wäre eine jede solche Substanz zwecklos, aus der nicht eine gewisse bewegende Kraft nach dem Sichtbaren hin hervorginge. Das ist aber nicht der Fall, daß die Engel wegen des Stoffes da sind; denn der Zweck ist edler als das bloß Zweckdienliche. Danach hat Aristoteles selbst seinen Beweis als einen wahrscheinlichen bezeichnet, der von der Thatsache ausgeht, daß wir zur etwaigen Erkenntnis des rein Vernünftigen nur durch die Sinne gelangen können. IV. Der letzte Einwurf geht davon aus, daß die Natur des Stoffes der Grund des Unterschiedes in den Dingen sei. Das wurde jedoch bereits Kapitel 47, Artikel 1 zurückgewiesen. Sonach ist weder das Körperliche noch der reine Stoff die Ursache für die Vielheit der Engel, sondern die göttliche Weisheit hat verschiedene Reihen stoffloser Substanzen erdacht.
