Dritter Artikel. Die Körpernatur ist unmittelbar von Gott hervorgebracht und nicht vermittelst der Engel.
a) Das Gegenteil geht aus folgenden Gründen hervor: I. Alle Dinge sind von der göttlichen Weisheit gemacht sowie sie auch von der göttlichen Weisheit regiert werden; wie Ps. 103, 24. sagt: „Alles hast Du in Weisheit gemacht.“ Dem Weisen aber gehört es zu, das eine auf das andere zu beziehen und so alles zu ordnen (1 Metaph. im Beginne). Wie also nun die Dinge in der Weise regiert werden, daß die niedrigeren vermittelst der höheren zum Zwecke hingelenkt erscheinen, so mußte auch in der ersten Bildung der Dinge eine solche Ordnung sein, daß die körperliche Natur als die niedrigere durch die geistige als die höhere hervorgebracht würde. II. Die Verschiedenheit in den Wirkungen weist auf die Verschiedenheit in den Ursachen hin, denn „ein und dasselbe macht immer dasselbe“. Wären also alle Kreaturen, geistige und körperliche, gleichmäßig unmittelbar von Gott hervorgebracht, so bestände in den Kreaturen keine Verschiedenheit und die eine würde von Gott nicht mehr entfernt sein wie die andere. Das ist aber falsch, da „wegen des weiten Fernseins von Gott“, wie Aristoteles sagt (2 de Gen. et. corr.), „manche Dinge vergänglich sind.“ III. Zur Verursachung einer beschränkten Wirkung bedarf es keiner unendlichen Kraft in der Ursache. Jeglicher Körper aber ist begrenzt. Also konnte er — und in solchen Dingen ist zwischen Sein und Können kein Unterschied — von einer beschränkten geistigen Ursache hervorgebracht werden und ward es; zumal kein Vorzug, der einem Dinge seiner Natur nach zukommt, ihm verweigert wird, wenn dasselbe selber keine Schuld daran trägt. Auf der anderen Seite heißt es Gen. 1.: „Im Anfange schuf Gott Himmel und Erde.“ Unter der Erde aber wenigstens wird die Körpernatur verstanden. Also ist letztere unmittelbar von Gott hervorgebracht.
b) Ich antworte, daß einige meinten, die Dinge seien stufenweise von Gott ausgegangen; so zwar, daß zuvörderst die erste Kreatur eine andere hervorgebracht hätte und diese dann wieder eine andere und so bis zur körperlichen Natur. Diese Annahme aber ist unmöglich. Denn die Hervorbringung der ersten Kreatur geschieht durch Erschaffung; und durch Erschaffung ist selbst der Stoff hervorgebracht. Das Unvollendete nämlich gelangt erst durch das Werden zu einer Vollendung, so daß es zuerst unvollendet und dann vollendet ist. Nichts aber kann anders geschaffen werden als durch Gott. Es muß deshalb wohl bemerkt werden, daß, je höher eine Ursächlichkeit steht, desto größer der Kreis des Verursachten ist, auf den sie sich erstreckt. Was aber in den Dingen zu Grunde liegt, ist immer allgemeiner wie das was dieselben formt und in engere Bahnen weist, wie das Sein allgemeiner ist als das Leben und das Leben allgemeiner als das Erkennen und der Stoff ist allgemeiner als die Form. Je allgemeiner also das ist, was zu Grunde liegt, desto höher ist die Ursache, von der es unmittelbar ausgeht. Was demgemäß am tiefsten und in allen Dingen zu Grunde liegt, das gehört im eigentlichen Sinne zur Ursächlichkeit der ersten Ursache. Keine untergeordnete Ursache also kann etwas hervorbringen, wenn sie nicht etwas voraussetzt, was von der höheren Ursache ausgegangen ist. Erschaffung aber heißt — etwas hervorbringen nach seiner ganzen Substanz, ohne ein anderes vorauszusetzen; sei es daß dies ungeschaffen wäre oder von einer anderen Ursache hervorgebracht. Somit bleibt nur übrig, daß Gott allein etwas schaffen kann, da Er die erste Ursache ist. Und deshalb sagt Moses, damit er zeige, alle Körper seien von Gott geschaffen: „Im Anfange schuf Gott Himmel und Erde.“
c) I. In der Hervorbringung der Dinge wird eine gewisse Ordnung beobachtet; nicht als ob eine Kreatur von der anderen geschaffen würde, was unmöglich ist, sondern weil der göttlichen Weisheit zufolge verschiedene Abstufungen in den Geschöpfen eingerichtet worden. II. Gott erkennt in seiner Einfachheit Verschiedenes. Und deshalb ist Er gemäß der Kenntnis des Verschiedenen die Ursache verschiedener Seinsstufen durch seine Weisheit; wie auch der Künstler gemäß der Auffassung verschiedener Formen verschiedene Kunstwerke hervorbringt. III. Die Kraft der hervorbringenden Ursache wird nicht allein bemessen nach der gewirkten Sache, sondern auch nach der Art und Weise der Hervorbringung. Denn ein und dasselbe geht in anderer Weise von der höheren Ursache aus und in anderer von der untergeordneten. Hervorbringen nun etwas Begrenztes in der Weise, daß von seiten des Hervorbringenden nichts vorausgesetzt wird, gehört der unendlichen Kraft an und kann somit keiner Kreatur zukommen.