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Works Teresa of Ávila (1515-1582) Das Leben der heiligen Theresia von Jesu
Neunzehntes Hauptstück

1.

Von diesem Gebete und dieser Vereinigung bleibt die Seele außerordentlich gerührt; sie möchte zerfließen, nicht vor Schmerz, sondern vor süßen Tränen, worin sie sich gebadet sieht, und die sie, ohne es zu merken und zu wissen, wann und wie, vergossen hat. Es ist ihr eine große Freude, zu sehen, wie jene Gewalt des Feuers mit einem Wasser gedämpft wird, das seine Glut vermehrt. Dies scheint zwar wie arabisch gesprochen zu sein, aber es ist dennoch so. Ich war manchmal nach diesem Gebete so außer mir, daß ich nicht wußte, ob die Seligkeit, die ich empfunden, nur ein Traum gewesen oder ob sie mir wirklich zuteil geworden sei. Da ich mich aber ganz mit Tränen übergossen sah, die ohne Anstrengung so gewaltig und schnell meinen Augen entströmten, daß es schien, als ob sich jene Himmelswolke über mich entleerte, wurde es mir klar, daß ich nicht geträumt habe. Übrigens zweifelte ich bloß am Anfange, als die neue Gebetsgnade noch von ganz kurzer Dauer bei mir war. Die Seele ist nach dem Empfang dieser Gnade so mutvoll und beherzt, daß es ihr, wenn man sie in diesem Augenblick um Gottes willen in Stücke zerhauen würde, ein großer Trost wäre. Da macht sie heldenmütige Vorsätze und Versprechungen; da hegt sie flammende Begierden; da erkennt sie ganz klar die Eitelkeit der Welt und fängt an, sie zu verabscheuen. Auf dieser Stufe des Gebetes ist die Seele schon viel weiter und höher geschritten als auf den vorhergehenden. Da hat auch ihre Demut zugenommen; denn sie sieht klar ein, daß ihr eine so überschwengliche, hohe Gnade nicht durch eigenes Bemühen zuteil geworden ist, und daß sie weder zu deren Erwerb noch zu ihrer Bewahrung etwas beigetragen hat. Klar erkennt sie sich als die Unwürdigste; denn wenn in eine Wohnung die Sonne hell hineinstrahlt, kann kein Spinnengewebe verborgen bleiben. Sie fühlt ihre Armseligkeit und ist soweit von eitler Ruhmsucht entfernt, daß ihr diese unmöglich scheint; denn sie sieht augenscheinlich, wie wenig oder nichts sie zur Erlangung dieser Gnade zu tun vermag, ja, wie sie dazu fast nicht einmal ihre Zustimmung dazu geben hatte; ja, es scheint vielmehr, es sei allen ihren Sinnen die Pforte auch ohne ihren Willen verschlossen worden, damit sie um so ungestörter den Herrn genießen könne. Sie befindet sich da ganz allein mit ihm; was anderes wollte sie also tun, als ihn lieben? Sieht sie ja nicht und hört sie nicht, es sei denn, sie strengte sich mit Gewalt dazu an. Sie hat also ganz und gar keine Ursache, hier irgendwie stolz auf sich selbst zu sein. Nachher stellt sich der Seele ihr vergangenes Leben und die große Barmherzigkeit Gottes in aller Wahrheit vor Augen, und zwar ohne daß der Verstand erst suchen müßte, da er die Speise, die er genießen, d. i. was er erkennen soll, schon bereitet findet. Sie sieht von selbst ein, daß sie die Hölle verdiente, indes sie dafür mit Glückseligkeit gestraft wird. Sie ergießt sich, in Lobpreisungen Gottes, und auch ich möchte mich jetzt ganz darin erschöpfen. Sei gepriesen, o Herr, daß du in dieser Weise eine so schmutzige Pfütze wie mich in eine so klare Quelle verwandelst, damit sie Wasser gebe für deinen Tisch! Sei gepriesen, o Wonne der Engel, daß zu einen so niedrigen und verächtlichen Wurm so hoch erheben willst!

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