9.
Gern möchte ich mich über diese große Pein recht verständlich erklären, allein ich glaube dazu nicht fähig zu sein. Indessen will ich doch, soweit ich es vermag, etwas davon sagen. Zuvor muß ich bemerken, daß mir diese Dinge erst jetzt und ganz zuletzt nach all den Visionen und Offenbarungen, die ich noch beschreiben werde, und nach der Zeit, in der mir der Herr im Gebete so große Süßigkeiten und Wonnegenüsse zu erteilen pflegte, widerfahren sind. Letzteres ist zwar auch jetzt noch zuweilen der Fall; öfter aber und am häufigsten empfinde ich die Pein, von der ich eben sprechen will. Diese ist bald größer, bald geringer. Ich will sie hier erklären, mit sie sich in ihrem höchsten Grad äußert. Später werde ich noch von den gewaltigen Antrieben sprechen, die über mich kamen, wenn mich der Herr in Verzückung versetzen wollte. Nach meinem Dafürhalten ist zwischen jenen heftigen Antrieben und der Pein, von der hier die Rede ist, ein Unterschied wie zwischen etwas ganz Körperlichem und ganz Geistigem. Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich so spreche. Dort nämlich scheint die Seele den Schmerz, obgleich sie ihn fühlt, doch mit dem Leibe zu teilen, so daß also beide gemeinsam ihn tragen und die Seele sich nicht in jener äußersten Verlassenheit befindet wie hier. Diese Pein rufen wir, wie gesagt, nicht selbst in uns hervor, sondern plötzlich und unvermutet überkommt uns oft ein Verlangen, von dem ich selbst nicht weiß, wie es entsteht. In einem Augenblicke ist die ganze Seele davon durchdrungen und sie wird so heftig gequält, daß sie sich hoch über sich selbst und über alles Erschaffene erhebt. Zugleich versetzt sie Gott in eine so große Verlassenheit von allen Geschöpfen, daß es ihr scheint, es gebe niemand auf Erden, der ihr, so sehr sie sich auch darum bemühte, Gesellschaft leisten könnte. Dies will sie aber auch nicht; vielmehr wünscht sie nur, in dieser Vereinsamung zu sterben. Wollte man sie anreden oder wollte sie selbst alle mögliche Kraft aufbieten, um zu sprechen, so würde ihr wenig damit gedient sein; und was sie auch sonst noch tun wollte: ihr Geist bleibt einsam und verlassen. Dennoch teilt ihr mitunter Gott, obwohl er mir aufs weiteste von ihr entfernt zu sein scheint, seine Herrlichkeiten in der wunderbarsten Weise mit, die nur gedacht werden kann, so daß es unmöglich ist, davon zu reden. Übrigens würde es nach meinem Dafürhalten doch niemand verstehen oder glauben, wenn er es nicht selbst schon erfahren hat; denn diese Mitteilung geschieht nicht, um die Seele zu trösten, sondern um ihr zu zeigen, daß sie allen Grund hat, sich zu ängstigen, weil sie von dem Gute, daß alle Güter in sich schließt, fern ist.