15.
Ach, welch ein vortreffliches Nachbild Christi hat uns Gott jetzt hinweggenommen an dem seligen Bruder Petrus de Alcántara. Die Welt kann eine so große Vollkommenheit nicht mehr ertragen. Da sagt man, die Gesundheit sei jetzt schwächer, und die Zeiten seien jetzt nicht mehr wie ehedem. Dieser heilige Mann hat ja zu unseren Zeiten gelebt! Aber sein Geist war stark wie der Geist der Männer in vergangenen Zeiten, darum hatte er die Welt unter den Füßen. Wenn man auch nicht barfuß geht und keine so strenge Buße übt wie er, so gibt es, wie ich anderswo schon gesagt habe, doch sonst noch viele Mittel, durch die man die Welt unter die Füße bringen kann und die der Herr uns lehrt, wenn er sieht, daß wir den Mut dazu haben. O welch großen Mut hat Seine Majestät dem Heiligen verliehen, von dem ich eben rede, daß er siebenundzwanzig Jahre lang eine so strenge Buße übte, wie dies allgemein bekannt ist. Nur einiges, was meines Wissens die volle Wahrheit ist, will ich davon erzählen; er selbst hat es mir und noch einer anderen Person, vor der er wenig Hehl hatte, mitgeteilt. Mir machte er diese Mitteilungen wegen der großen Liebe, die er zu mir trug; denn es hatte dem Herrn gefallen, mir diesen Mann zu geben, damit er mich verteidige und ermutige zu einer Zeit, als ich es so sehr bedurfte, wie ich dies teils schon erwähnt habe, teils noch erwähnen werde. Soviel ich mich erinnere, sagte er mir, daß er schon seit vierzig Jahren täglich nicht mehr als anderthalb Stunden geschlafen habe. Diese Art von Buße habe ihm anfangs die meisten Schwierigkeiten gemacht. Um den Schlaf zu überwinden, sei er immer auf den Knien gelegen oder aufrecht gestanden. Schlief er aber, so saß er und lehnte das Haupt an ein an der Wand befestigtes kleines Brett. Liegend konnte er gar nicht schlafen, wenn er auch gewollt hätte, weil bekanntlich seine Zelle nur fünfhalb Schuh lang war. In allen bieten Jahren hat er sein Haupt nie mit der Kapuze bedeckt, wie heiß auch die Sonne schien oder wie stark es auch regnete. An den Füßen trug er gar nichts. Seine ganze Kleidung bestand aus einem Habite von grobem Wollenzeug, unter dem er auf dem bloßen Leibe nichts anderes trug, sowie aus einem Mantel von dem nämlichen Zeuge. Der Habit war so eng, als es nur immer sein konnte. War es sehr kalt, so legte er, wie er mir sagte, den Mantel ab, öffnete die Türe und das Fensterchen seiner Zelle, um dann, wenn er den Mantel wieder anlegte und die Türe schloß, den Leib zu erquicken und besser geschützt ruhen zu können. Sehr häufig aß er erst über den dritten Tag. Als ich mich darüber verwunderte, sagte er, daß dies, wenn man sich einmal daran gewöhnt habe, leicht möglich sei. Ein Gefährte von ihm erzählte mir, es sei schon vorgekommen, daß er acht Tage lang keine Speise zu sich genommen habe. Wahrscheinlich befand er sich (diese ganze Zeit hindurch) im (beständigen) Gebete, denn er hatte, wie ich selbst einmal Zeuge davon war, große Entzückungen und gewaltige Antriebe der Liebe Gottes.