8.
Es kam zu mir ein Priester, der schon dritthalb Jahre lang in einer der abscheulichsten Todsünden lebte, die ich je nennen hörte. Die ganze Zeit über hatte er diese Sünde weder gebeichtet noch sich gebessert, und dabei las er noch immer die Messe. Seine übrigen Sünden beichtete er; von dieser aber sagte er, daß er den Mut nicht habe, etwas so Abscheuliches zu beichten; wohl habe er ein großes Verlangen, davon frei zu werden, allein er könne sich nicht überwinden. Dies erregte in mir großes Mitleid, und es schmerzte mich sehr, zu sehen, wie Gott in solcher Weise beleidigt wurde. Ich versprach dem Unglücklichen, Gott für ihn um Hilfe anzuflehen, und auch andere, die frömmer seien als ich, um ihr Gebet zu ersuchen. Auch schrieb ich einer gewissen Person, der er, wie er mir sagte, den Brief selbst übergeben könne. Und sieh, bei nächster Gelegenheit beichtete er die Sünde; denn Gott wollte ihm diese Barmherzigkeit erzeigen wegen der vielen, sehr heiligen Personen, die auf meine Anempfehlung hin die göttliche Majestät angefleht hatten. Auch ich hatte, so elend ich bin, mit großem Eifer mein möglichstes getan. Dieser Priester schrieb mir nun, sein Zustand habe sich so weit gebessert, daß er schon seit längerer Zeit nicht mehr in diese Sünde gefallen sei; er werde aber von der Versuchung dazu so sehr gepeinigt, daß er eine wahre Höllenqual zu erleiden habe; ich möchte doch Gott für ihn bitten. Wiederholt empfahl ich ihn meinen Mitschwestern, von denen jedoch keine erraten konnte, wer er sei. Diese ließen sich die Sache sehr angelegen sein, und ohne Zweifel verlieh mir Gott auf ihr Gebet hin die Gnade seiner Befreiung. Ich selbst hatte den Herrn gebeten, es möchten doch die Versuchungen und Qualen, die jener litt, aufhören, und es möchten dieselben bösen Geister über mich kommen, um mich zu peinigen, unter der Voraussetzung jedoch, daß ich Seine Majestät nicht beleidige. Und so erlitt ich denn einen Monat lang die schrecklichsten Martern. Dies war die Zeit, in der mir die zwei oben erwähnten Vorfälle begegneten; jener Priester aber wurde durch die Gnade des Herrn von der Anfechtung frei; er schrieb mir dies, als ich ihm davon Mitteilung machte, was ich in diesem Monat ausgestanden. Seine Seele ward gestärkt, und er blieb in der Folge ganz befreit, so daß er dem Herrn gar nicht genug dafür danken konnte. Auch gegen mich zeigt er sich dankbar, als hätte ich etwas zu seinem Glücke beigetragen, während ihm doch nur das Vertrauen, daß Gott mir besondere Gnaden erweist, genützt hat. Wenn die Versuchung ihn sehr bedränge, so lese er, wie er sagte, nur meine Briefe, worauf sie von ihm weiche. Er staunte sehr über das, was ich ausgestanden, sowie auch über die Art und Weise, wie er befreit wurde. Auch ich staunte, hätte aber gern noch diese Jahre in besagter Weise leiden mögen, um diese Seele frei zu sehen. Der Herr sei für alles gepriesen! So viel vermag das Gebet derer, die ihm dienen, zu denen, wie ich überzeugt bin, die Schwestern dieses Hauses gehören. Weil ich sie aber zum Beten angeregt habe, so mag dies die Ursache gewesen sein, daß die bösen Geister am meisten gegen mich wüteten, und der Herr hatte es ihnen meiner Sünden wegen gestattet.