1.
Einmal empfand ich im Gebete eine solche Wonne, daß ich mich ihrer für unwürdig hielt und darüber nachdachte, wie weit mehr ich verdiente, an jener Stätte zu sein, die ich in der Hölle für mich zubereitet gesehen; denn ich vergesse, wie schon gesagt, niemals, in welcher Lage ich mich dort geschaut. Durch diese Betrachtung ward meine Seele noch mehr entflammt, und mein Geist ward in einer Weise entrückt, daß ich es nicht aussprechen kann. Mir schien es, ich sei in seine Majestät, deren Gegenwart ich sonst nur erkannt hatte, versenkt und von ihr erfüllt. In dieser Majestät wurde mir eine Wahrheit zu verstehen gegeben, die der Inbegriff aller Wahrheiten ist; aber ich kann nicht sagen, wie dieser zuging, weil ich nichts gesehen habe. Ich vernahm die folgenden Worte ohne zu sehen, wer sprach, aber ich erkannte, daß er die Wahrheit selber sei: »Was ich für dich tue, ist nichts Geringes, sondern es in eine der Gnaden, derentwegen du mir sehr verpflichtet bist; denn aller Schaben für die Welt kommt daher, daß man die Wahrheiten der Schrift nicht vollkommen erkennt; aber es wird auch nicht ein Pünktlein davon unerfüllt bleiben.« Ich meinte, ich hätte das immer geglaubt, und es würden dies auch alle Gläubigen glauben. Darauf sprach er zu mir: »O Tochter, wie wenige lieben mich in Wahrheit! Wenn sie mich liebten, so würde ich ihnen meine Geheimnisse nicht verbergen. Weißt du, was es heißt, mich in Wahrheit lieben? Es heißt erkennen, daß alles, was mir nicht wohlgefällt, Lüge ist. Was du jetzt nicht verstehst, wirst du klar aus dem Nutzen einsehen, den diese Worte deiner Seele bringen.«