120. Brief — An Pater Johannes von Jesu (Roca) im Kloster de la Roda
Toledo, am 5. Oktober 1576
Zwistigkeiten mit den Beschuhten und das Kapitel in Almodóvar.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Hochwürden, mein Vater!
Ihr Kloster ist so ungewöhnlich weit entlegen, daß ich, so sehr ich es auch wünschte, niemanden fand, durch den ich Ihnen eine Antwort senden konnte, und so habe ich damit gewartet bis zur Abreise dieser Väter. Mit dem Austritt des Paters Antonius aus dem Orden hat uns Gott vielleicht eine Gnade erwiesen; denn wie ich höre, war er sehr von Melancholie beherrscht, die in Anbetracht unserer Lebensweise zu einem schlimmen Übel hätte ausarten können. Gott sei mit ihm! Fürwahr, mir scheint, daß an seinem Austritt mehr der Mangel an Gesundheit als an gutem Willen die Schuld trägt. Sein Weggang kann nicht geheim bleiben; denn man muß jetzt in Almodóvar an seiner Statt einen Prediger aufstellen. Gebe Gott, daß er wieder in seinen Orden zurückkehre; denn wegen solcher Ein und Austritte leidet der unsrige keinen Schaden.
Ich hatte mir gedacht, daß Euere Hochwürden auf Ihrer Rückreise hieher kommen würden; dazu hätten Sie nur einen kleinen Umweg machen müssen. Ihr Verlangen, mir einen Liebesdienst zu erweisen, muß nicht gar groß sein; denn als Sie früher hier waren, konnte ich Sie nur ganz kurze Zeit sprechen. Seien Sie versichert, daß ich nur wenig, und zwar sehr wenig in betreff dessen tun kann, was Sie mir von Ihrer Reise nach Rom schreiben; denn schon lange bitte ich darum, und noch ist es mir nicht gelungen, zu bewirken, daß man auch nur einen Brief an den geschrieben hätte, dem diese Rücksicht mit Recht gebührte. Tun wir, was wir zu tun schuldig sind, dann mag kommen, was immer wolle. Es liegt nicht an unserem Pater Visitator, der schon nach Rom geschrieben hat; aber es gibt so viele, die ihm anders raten, so daß ich nur wenig ausrichte. Es tut mir recht leid, daß ich nicht mehr tun kann. Ich hatte mir gedacht, es werde wegen dieser Reise, wie man mir sagte, im Kapitel ein Beschluß gefaßt. Gott wolle diese Angelegenheit zu einem guten Ende führen! Ich bitte Euere Hochwürden um der Liebe willen, unterlassen Sie nicht, die Sache eifrig zu betreiben; denn Sie vermögen mehr als ich.
Die Briefe habe ich schon nach Sevilla und Almodóvar befördert. Allein obgleich es unverzüglich geschah, so war doch, wie ich glaube, der Pater Prior schon nach Madrid abgereist, wo er sich jetzt noch befindet. Auch den Brief von Caravaca habe ich mitgesendet; zum Glück ging eben ein Bote dahin ab; denn für jenes Land findet man nur wenige. Die Erkrankung des Paters Gabriel geht mir sehr zu Herzen. Wollen Euere Hochwürden ihm dies sagen und ihm meine Empfehlungen melden. Hier beten wir eifrig für ihn zu Gott. Er ist einer von jenen Vätern, zu denen ich große Liebe trage, die aber die Liebe schlecht erwidern.
Unser Vater hat mir geschrieben, er sei gut angekommen. Einige der beschuhten Väter, schrieb er mir auch, seien auf seine Seite getreten, und er habe das Kapitel zufriedengestellt, jedoch nicht mehr erreicht, als daß jene Väter nachgiebig geworden seien und sich mit Bitten an ihn gewendet hätten. Wenn Gott ihn uns erhält, so glaube ich, daß er viel Gutes stiften werde. Unterlassen Euere Hochwürden nicht, ihn sowie auch mich selbst Gott zu empfehlen. Allen dortigen Vätern meine Empfehlungen. Die Priorin empfiehlt sich ihnen. Gott mache Sie so heilig, wie ich darum zu ihm flehe! Amen.
Euerer Hochwürden unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu