2.
Ihr wißt schon, daß Gott überall ist. Wo aber der König ist, da ist, wie man sagt, offenbar auch sein Hofstaat; und so ist denn wo Gott ist, auch der Himmel. Ihr könnt es zweifellos glauben, daß da, wo die göttliche Majestät wohnt, auch alle ihre Herrlichkeit sich findet. Nun sagt, wie ihr sehen könnt, der heilige Augustin, daß er Gott an vielen Orten gesucht und ihn endlich in seinem eigenen Innern gefunden habe. Meint ihr wohl, es sei für eine zerstreute Seele von geringer Wichtigkeit, diese Wahrheit zu erfassen und zu wissen, daß sie nicht erst zum Himmel aufsteigen müsse, um mit ihrem ewigen Vater zu reden und sich an ihm zu erfreuen? Sie braucht auch nicht laut ihre Stimme zu ihm zu erheben; denn er ist ihr so nahe, daß er sie hört, auch wenn sie ganz leise zu ihm spricht. Um ihn zu suchen, bedarf sie keiner Flügel; sie darf nur einsam in ihr Inneres blicken, wo sie ihn finden wird. Hier betrachte sie ihn; sie stelle sich ja nicht fremd gegen einen so guten Gast, sondern rede mit ihm als mit ihrem guten Vater, trage ihm als ihrem Vater ihre Bitten vor, klage ihm ihre Leiden und flehe ihn um Hilfe an! Dies geschehe jedoch mit großer Demut und in dem Bewußtsein, daß sie nicht wert sei, seine Tochter zu sein.