1.
Das Leben des Moses beabsichtige ich zu schildern, den einige den Gesetzgeber der Juden, andere den Dolmetsch (Philo de praem. et poen. § 55: „Ein Dolmetsch ist der Prophet, indem die Gottheit ihm durch eine innere Stimme eingibt, was er sagen soll". Vgl. unten § 277 und Quis rer. div. heres § 259. Dagegen wäre durch die Bezeichnung Gesetzgeber der Juden ein göttlicher Ursprung seiner Gesetze nicht angedeutet.) heiliger Gesetze nennen, eines Mannes, der in jeder Beziehung der grösste und vollkommenste Mensch war, und will die Kreise damit bekannt machen, die auf seine Bekanntschaft gerechten Anspruch haben. Denn der Ruhm der von ihm hinterlassenen Gesetze ist zwar durch die ganze Welt, selbst bis an die Grenzen der Erde, gedrungen, aber von seiner Persönlichkeit haben nur wenige wahrhafte Kunde; vielleicht wollten die hellenischen Schriftsteller ihn aus Missgunst (Auch Josephus (c. Apionem I § 213 Niese) sucht für das Schweigen hellenischer Schriftsteller über die Juden ähnliche Gründe (οuk άγνοοΰντες … άλλ' upo φθόνου τινός ... την μνήμην παρέλιπον).) und wegen des Gegensatzes in nicht wenigen Punkten zu den Verordnungen der Gesetzgeber anderer Staaten einer Erwähnung nicht würdigen. Haben ja die meisten von ihnen die Fähigkeiten, die sie ihrer Bildung verdankten, auf die Abfassung von Komödien und wollüstigen Schandwerken in Poesie und Prosa freventlich vergeudet, eine helle Schande; ihre Pflicht wäre es gewesen, ihre natürlichen Anlagen zur Schilderung edler Männer und ihres Lebens ausgiebig zu benutzen, damit nichts Schönes aus dem Altertum oder der Neuzeit dem Schweigen anheimfalle und ins Dunkel versinke, während es doch hätte hell leuchten können, und damit andrerseits auch sie nicht den Schein auf sich laden, als hätten sie mit Übergehung besserer Stoffe solche vorgezogen, die des Anhörens unwürdig sind, wenn sie ihre Mühe darauf verwendeten, zur Verherrlichung von Schändlichkeiten das Schlechte in schöner Form zu erzählen. Aber ich gehe über ihre Missgunst hinweg und will nun die Schicksale des Mannes mitteilen, wie ich sie teils aus den heiligen Schriften kenne, die er als wunderbares Denkmal seiner Weisheit hinterlassen hat, teils aus den Mitteilungen älterer Leute seines Volkes; was diese erzählten, pflegte ich nämlich jedesmal mit dem, was ich las, eng zu verflechten, und glaube daher genauer als andere über sein Leben berichten zu können (Gegen die abenteuerlichen Erzählungen teils heidnischer Schriftsteller wie Apion und Apollonius Molo (vgl. Jos. c. Αρ.), teils vielleicht auch jüdischer Historiker wie Artapanus (vgl. Freudentbai, Hellenistische Studien S. 143-174) u. a.).