2.
Wollen wir nun auch von Dem reden, was eigentlich zum Feste gehört, damit wir in einer der Sache entsprechenden und geziemenden Weise die Festfeier begehen! Denn was unpassend und ungeziemend ist, versündigt sich, ausserdem daß es keinen Nutzen bringt, gegen die Ordnung und die Natürlichkeit, nicht bloß in den Abhandlungen über Religion und Gottesfurcht, sondern auch über profane Gegenstände und die Weltweisheit. Denn welcher Rhetor ist so unverständig und macht sich in so hohem Grade lächerlich, daß er, zu einer fröhlichen Hochzeit gerufen, die entsprechende und zierliche Redeweise, die an der Heiterkeit und Fröhlichkeit des Festes Antheil nimmt, aufgibt und traurige, weinerliche Klagelieder singt und das Jammergeschrei eines Trauerspiels beim Hochzeitsgelage erhebt, oder wenn er wieder beauftragt ist, einem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen, das Leid vergißt und vor der tieftrauernden Versammlung sich fröhlich zeigt? Wenn aber in irdischen Dingen Ordnung und Schicklichkeitsgefühl etwas Schönes sind, so sind sie noch entsprechender in den großen und himmlischen.
Christus ist also heute auferstanden, nicht mehr dem Leiden, nicht mehr dem Tode unterworfen. Halte etwas inne, o Heide, und lache nicht vorschnell, bis du Alles gehört. Nicht gezwungen litt er, noch wurde er genöthigt, vom Himmel herabzusteigen, noch wurde ihm die Auferstehung wider Erwarten als unverhoffte Wohlthat zu Theil, sondern indem er den Ausgang aller Dinge wußte und in dieser Weise den Anfang machte, indem er in den Augen seiner Gottheit die Kenntniß Dessen besaß, was bevorstand, und bevor er vom Himmel herabstieg, die Verwirrung der Völker und die Verhärtung Israels sah, sowie den zu Gericht sitzenden Pilatus und den Kaiphas, der seine Kleider zerriß, die Wuth des aufrührerischen Volkes, den Verrath des Judas und die Vertheidigung durch Petrus, und wie er S. 348 bald darauf sich durch die Auferstehung in die Herrlichkeit der Unvergänglichkeit umgestalten sollte, und indem die ganze Zukunft ihm klar vor Augen stand, verzögerte er nicht die Gnade gegen den Menschen, noch schob er die Heilsordnung länger auf, sondern wie Diejenigen, welche einen Kraftlosen von der Strömung fortgerissen sehen, obschon sie wissen, daß sie in den Stromwirbel hineingerissen und von den vom Wasser fortgerollten Steinen verletzt werden können, dessenungeachtet aus Mitleid gegen Den, der in der Gefahr schwebt, keinen Anstand nehmen, sich hineinzustürzen, so nahm in gleicher Weise unser liebevoller Erlöser freiwillig den Hohn und Spott hin, um Den zu erlösen, der durch Hinterlist verloren gegangen war, und kam auf die Erde herab, da er die herrliche Himmelfahrt vorher wußte. Er gab sich für die Menschheit dem Tode hin, da er auch die Auferstehung vorher wußte. Denn nicht wie Einer von den gewöhnlichen Menschen ging er wagehalsig ans Werk, indem er den Ausgang der ungewissen Zukunft überließ, sondern als Gott ordnete er, was er vorhatte, nach einem bestimmten und bewußten Ziele. „Das ist also der Tag, den der Herr gemacht hat, laßt uns jubeln und an ihm uns freuen,“1 nicht in Trinkgelagen und Schmausereien, nicht in Tänzen und Trunkenheit,2 sondern in gottseligen Betrachtungen! Heute kann man sehen, wie die ganze bewohnte Erde wie ein Haus in einer gewohnten Beschäftigung in Überereinstimmung sich zusammenfindet, und wie durch ein verabredetes Zeichen in Gebetseifer versetzt wird. Ferne sind die Wanderer von den Heerstraßen, frei ist das Meer von Schiffern und Passagieren. Der Landmann legt den Spaten und Pflug auf die Seite und hüllt sich in den festlichen Schmuck, die Handelsleute lassen ihre Geschäfte ruhen, der Lärm schwindet, wie der Winter beim Erscheinen des Frühlings. Das Geräusch, die Unruhe und S. 349 Verwirrung des Lebens sind dem Frieden des Festes gewichen, der Arme schmückt sich wie ein Reicher, der Reiche trägt einen größeren Glanz als gewöhnlich zur Schau, der Greis eilt wie ein Jüngling, um an der Freude Theil zu nehmen, der Kranke überwindet selbst seine Krankheit, das Kind begeht durch den Wechsel der Kleider auf sinnliche Weise die Festfeier, da es dieß auf geistige Weise noch nicht vermag. Die Jungfrau hat übermäßige Freude im Herzen, daß sie das Gedächtniß ihrer Hoffnung so glänzend geehrt sieht, die Verheirathete freut sich mit ihrem ganzen Hause der Festfeier. Denn jetzt sind sowohl sie, als auch ihr Lebensgefährte, sowie ihre Kinder, Diener und sämmtliche Hausgenossen in festlicher Stimmung. Und wie der junge neu angesetzte Bienenschwarm zuerst aus seinem Schlupfwinkel oder den Körben in die Luft oder in’s Licht ausfliegt, und dann ganz und zusammengedrängt an den Ast eines Baumes sich anschmiegt, so sammeln sich an diesem Feste sämmtliche Familienglieder am häuslichen Herde. Und mit Recht wird mit dem künftigen (jüngsten) Tag der gegenwärtige wegen wirklicher Ähnlichkeit zusammengestellt. Denn an beiden versammeln sich die Menschen, an jenem in ihrer Gesammtheit, an diesem theilweise oder vielmehr, um uns genauer auszudrücken, insoweit es auf Freude und Fröhlichkeit ankommt, ist dieser anziehender als der erwartete, weil man dort auch Die schauen muß, welche einen Jammer erheben, weil ihre Sünden aufgedeckt werden. Die Heiterkeit des heutigen Tages aber kennt keine Betrübten. Denn der Gerechte freut sich; wer kein gutes Gewissen hat, erwartet seine Aufrichtung durch die Sinnesänderung, und jede Traurigkeit wird am heutigen Tage gelindert. Keiner ist so sehr von Schmerzen gefoltert, daß er am herrlichen Festtag keine Erleichterung fände. Jetzt wird der Gefesselte von den Banden befreit, dem Schuldner wird nachgelassen, der Sklave wird durch den guten und liebevollen Ruf der Kirche frei gelassen, nicht in entehrender Weise auf die Wange geschlagen und durch einen Schlag von den Schlägen befreit, noch wie im S. 350 Schaugepränge auf hoher Bühne dem Volke gezeigt,3 so daß mit Hohn und Beschämung seine Freiheit beginnt, sondern er wird in so anständiger Weise entlassen, wie es bekannt ist. Auch Dem wird Gutes erwiesen, der noch Sklave bleibt. Denn wenn er auch viele und schwere Vergehen sich zu Schulden kommen ließ, zu groß, um Entschuldigung und Nachsicht zu finden, so berücksichtigt der Herr den heiteren und menschenfreundlichen Charakter des Tages und nimmt den Verstoßenen und mit Schmach Überhäuften in Gnaden auf, wie Pharao den Mundschenk aus dem Kerker.4 Denn er weiß, daß auch er am Tag der Auferstehung, wegen dessen Ähnlichkeit wir den gegenwärtigen Tag in Ehren halten, die Barmherzigkeit und Güte des Herrn nöthig hat, und indem er jetzt die Barmherzigkeit auf Zinsen leiht, erwartet er zu seiner Zeit die Wiedererstattung.
Ihr Herren habt es gehört, befolget meine Worte, da sie gut sind, bringt mich bei eueren Sklaven nicht in üblen Ruf, als ob ich in lügenhafter Weise den Tag lobe, nehmt von den bedrängten Seelen den Schmerz weg wie der Herr den Tod von den Leibern. Setzt die für ehrlos Erklärten wieder in ihre bürgerliche Ehre ein, verhelft den Bedrängten zur Freude, den Vertrauenslosen zum Vertrauen, führet die Vernachlässigten aus dem Winkel wie aus Gräbern hervor; wie eine Blume blühe für Alle der Schmuck des Festes. Denn wenn der Geburtstag eines menschlichen Königs das Gefängniß öffnet, soll der Siegestag, der auferstandene Christus, nicht die Bedrängten befreien? Ihr Armen, umarmt euere Ernährerin,5 ihr mit entstelltem und mißhandeltem Körper Den, der eure schlimmen Zustände S. 351 heilt. Denn wegen der Hoffnung der Auferstehung wird die Tugend gesucht und das Laster gehaßt, da, wenn die Auferstehung nicht mehr stattfindet, eine Rede bei Allen in Kraft stehen wird: „Laßt uns essen und trinken, denn morgen werden wir sterben.“6 Auf diesen Tag schauend mißachtet der Apostel das zeitliche Leben und sehnt sich nach dem künftigen und sagt, indem er die sichtbaren Dinge gering anschlägt: „Wenn wir auf dieses Leben unsere Hoffnung gesetzt haben, sind wir bedauernswerther als alle Menschen.“7 Wegen dieses Tages sind die Menschen Erben Gottes und Miterben Christi. Wegen dieses Tages wird der Theil des Körpers, den die Fleisch fressenden Vögel vor tausend Jahren verzehrt haben, sich wieder finden, ohne daß Etwas mangelt, und was die Wallfische, Hunde und Seethiere verschlungen haben, das wird mit dem auferweckten Menschen wieder auferstehen, und was das Feuer verbrannt und der Wurm in den Gräbern verzehrt, kurz alle Körper, welche nach der Geburt die Verwesung vernichtet hat, werden ganz und unversehrt aus der Erde zurückgegeben werden, und in einem Augenblicke, wie Paulus lehrt,8 wird die Auferstehung vollendet werden. Ein Augenblick aber ist das Schließen der Augenlider, und eine größere Schnelligkeit als diese könnte es nicht geben. Und wenn du in menschlicher Weise nach deiner Fassungskraft es überlegest, so kannst du in deiner Seele nicht die großen Zwischenräume der Zeit dir vorstellen, erstens, damit die verfaulten und in Erde verwandelten Knochen wieder zu einer festen und abgerundeten Masse sich verbinden und nach ihrer Auflösung wieder vereinigt zu einem harmonischen Ganzen und in ihre natürliche Verbindung zusammentreten, kannst ferner nicht begreifen die Umhüllung des Fleisches und die ausgebreiteten Nervenbänder und die feinen Kanäle der Adern und Blutgefäße, die unter der Haut hinlaufen, dann an Seelen eine unaussprechliche und unzählbare Menge aus gewissen S. 352 geheimen Wohnungen, von denen aber jede einzelne den ihr zugehörigen Leib als ihr auserlesenes Kleid erkennt und diesen wieder schnell bewohnt und bei einer so großen Zahl von verwandten Geistern9 eine sichere Wahl trifft. Denn denke an die Seelen von Adam an und die Leiber von ihm an, da so viele Wohnungen eingestürzt sind und die Hauseigenthümer nach langer Verbannung zurückkehren, und wie Alles auf unerwartete Weise vollbracht wird. Denn weder wird das Haus langsam aufgebaut, noch irrt der Bewohner umher und bleibt an der Thüre stehen, indem er sucht, was ihm als besonderes Eigenthum zugehört, sondern er geht rasch darauf los, wie eine Taube in ihren Schlag, wenn ihrer auch Viele und sie dichtgedrängt am nämlichen Orte sind, die durch gleiche Gestalt sich auszeichnen. Woher kommt wieder die Erinnerung und die Reflexion über das frühere Leben und der Gedanke an jede Handlung, welcher so schnell mit dem lebenden Wesen, das vor so vielen Jahrhunderten sich auflöste, vollkommen hergestellt wird? Weiß doch der Mensch, selbst wenn er aus einem tiefen Schlafe erwacht, auf einige Zeit nicht, was er ist und wo er sich befindet und kann sich der gewöhnlichen Dinge nicht entsinnen, bis der wache Zustand die Betäubung zerstreut und das Gedächtniß und die Thatkraft wieder anfacht. Dieses und ähnliches, wenn die Menge in ihren Gedanken darauf verfällt, erfüllt den Geist mit übermäßigem Staunen und verleitet durch das Staunen zugleich zum Unglauben. Denn da der Verstand keine Lösung der Zweifel und Fragen findet, und sein unruhiges Forschen durch kein Resultat und keine Lösung befriedigen kann, gibt er sich sofort bei der Schwäche der eigenen Denkkraft dem Unglauben hin, indem er die Wahrheit der Thatsachen verwirft und zurückweist.
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Ps. 117, 24 [hebr. Ps. 118, 24]. ↩
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Röm. 13, 13. ↩
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Unter solchem Ceremoniell wurden nämlich die alten heidnischen Sklaven freigelassen. ↩
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Gen. 40, 21. ↩
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Τὴν τροφόν [tēn trophon], nutricem, wohl die Kirche als Spenderin der Osterkommunion gemeint. ↩
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I. Kor. 15, 32. ↩
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Ebd. [I. Kor. 15] V. 19. ↩
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Ebd. [I. Kor.] 15, 52. ↩
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Πνευμάτων [Pneumatōn]. Besser würde wohl σωμάτων [sōmatōn] „Leibern“ passen. ↩