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Œuvres Grégoire de Nysse (335-394) Ausgewählte Reden (BKV)
Lob- und Trauerreden
Leichenrede auf die Kaiserin Plakilla.

3.

Aber wir haben vielleicht der Absicht des Lehrers1 nicht recht entsprochen, indem wir mehr als nöthig in die Trauer uns vertieften. Denn er will vielleicht eher heilen, als die Ohren schmerzlich berühren. Wir aber haben jetzt das Gegentheil gethan, wie wenn ein Arzt, dem ein Verwundeter übergeben worden ist, nicht bloß die Heilung vernachlässigte, sondern den von Schmerz Gefolterten durch gewisse ätzende Mittel noch mehr peinigte. Wir müssen also das Öl der Rede auf die brennende Wunde gießen. Denn es pflegt auch die Arzneikunst des Evangeliums mit der Schärfe des Weines das Öl zu vermischen.2 Wir wollen nun, indem wir von der Schrift das Ölgefäß entlehnen, so viel als möglich unsere trauererregende Darstellung durch Widerruf in Trost umwandeln. Und Niemand möge meinem Wort den Glauben verweigern, wenn es auch überraschend ist. Das Gut, Brüder, das wir suchen, ist gerettet und ist nicht verloren gegangen. Ja, ich bin sogar hinter der Wahrheit zurückgeblieben. Denn nicht bloß ist das Gut gerettet, sondern es steht sogar höher als zuvor. Die Kaiserin suchst du? Sie hält sich im Palaste auf. Aber du wünschest das mit Augen zu sehen? Es ist dir nicht gestattet, dich viel zu bemühen, um die Kaiserin zu sehen. Furchtbar ist die sie umgebende Bedeckung der Leibwächter, ich meine nicht jener Leibwächter, deren Waffe das Eisen ist, sondern jener, die mit dem flammenden Schwerte bewaffnet sind, deren Anblick die Augen der Menschen nicht aushalten. In welch’ geheimen Gemächern die Kaiserin wohnt, wirst du sehen, wenn auch du aus dem Körper heraustrittst. Denn du kannst nicht anders ins verborgene Heiligthum der Kaiserin treten, als wenn du den Vorhang des S. 592 Fleisches wegnimmst. Oder hältst du es für besser, im Fleische am Leben Theil zu nehmen? Es belehre dich also der göttliche Apostel, der an den verborgenen Geheimnissen des Paradieses Antheil genommen hat.3 Was sagt er vom gegenwärtigen Leben? Wohl im Namen der gesammten Menschheit spricht er: „Ich armseliger Mensch! Wer wird mich erlösen vom Leibe dieses Todes?“4 Warum sagt er dieß? Weil es, wie er sagt, viel besser ist, aufgelöst und bei Christus zu sein.5 Wie aber verhält es sich mit dem großen David, der in so großer Macht glänzte, dem der Genuß jedes Vergnügens zu Gebote stand? Fühlt er keine Bedrängniß des Lebens? Nennt er nicht das gegenwärtige Leben ein Gefängniß? Ruft er nicht zum Herrn: „Führe meine Seele aus dem Gefängnisse?“6 Ist ihm nicht die Verlängerung des Lebens zur Last? „Wehe mir,“ sagt er, „daß mein Aufenthalt verlängert worden ist.“7 Oder konnten die Heiligen das Gute vom Schlechten nicht unterscheiden; und glaubten sie deßhalb, daß für die Seele die Trennung vom Körper vorzuziehen sei? Sage mir aber du, was siehst du Schönes am Leben? Betrachte, was man am Leben wahrnimmt. Ich verweise dich nicht auf das Wort des Propheten: „Alles Fleisch ist Heu.“8 Denn er beschönigt eher durch diesen Vergleich das Elend der Natur. Denn es wäre wohl besser, daß es Heu wäre, als das, was es ist. Wie so? Das Heu erregt von Natur keinen Eckel. Unser Fleisch aber ist eine Werkstätte des Geruches, und verwandelt Alles, was in seinen Bereich kommt, in Fäulniß und Verwesung. Gibt es ferner noch eine lästigere Qual, als beständig dem Dienste des Bauches unterworfen zu sein? Denn ihr sehet, wie sehr dieser beständige Abgabensammler, der Bauch nämlich, uns täglich zu Abgaben zwingt. Und wenn wir ihm auch mehr als das Festgesetzte im Voraus entrichten, so haben wir Nichts von S. 593 der künftigen Schuld im Voraus entrichtet. Denn wie die in der Mühle geplagten Thiere gehen wir mit verhüllten Augen in der Mühle des Lebens herum, indem wir immer im Nämlichen uns herumbewegen und zum Nämlichen zurückkehren. Ich will dir diesen Kreislauf angeben: Hunger, Sättigung, Schlaf, Wachen, Ausleerung. Immer folgt Dieses auf Jenes und Jenes auf Dieses und wieder Dieses, und niemals nimmt der Kreislauf für uns ein Ende, bis wir aus der Mühle entkommen. Treffend nennt Salomo das gegenwärtige Leben ein durchlöchertes Faß und ein fremdes Haus.9 Denn in der That ist es ein fremdes und nicht unser Haus, weil es nicht in unserer Macht liegt, in demselben zu sein, weder wenn wir wollen, noch so lange wir uns sehnen, sondern wir sowohl, ohne darum zu wissen, in dasselbe einziehen als auch zu einer Zeit, die wir nicht kennen, aus demselben ausziehen müssen. Das Gleichniß mit dem Faß wirst du aber begreifen, wenn du auf die Unersättlichkeit der Begierden schaust. Du siehst, wie die Menschen Ehre, Macht, Ruhm und alles ähnliche sich zu schöpfen suchen. Aber es fließt das Erjagte durch und entgeht dem Besitzer. Denn das Streben nach Ruhm, Macht und Ehre wird immer bethätigt, das Faß der Begierde aber bleibt ungefüllt. Und wie verhält es sich mit der Geldgier? Ist sie nicht wirklich ein durchlöchertes Faß, dessen ganzer Boden fließt? Und wenn du in dieses ein ganzes Meer gießest, so kann es vermöge seiner Natur nicht voll werden.

Wie, ist es also betrübend, wenn die Selige von den Leiden des Lebens geschieden ist, und wenn sie den Schmutz des Körpers wie Eiterstoff abgelegt hat und mit reiner Seele zum unversehrten Leben hinübergeht? In diesem ist kein Betrug, findet die Verleumdung keinen Glauben, hat die Schmeichelei keinen Platz, ist keine Lüge beigemischt! S. 594 Lust und Schmerz, Furcht und Muth, Armuth und Reichthum, Knechtschaft und Herrschaft und alle ähnliche Ungleichheit des Lebens ist von jenem Leben himmelweit entfernt. Entflohen ist von da, wie der Prophet sagt, Schmerz, Trauer und Seufzen.10 Und was ist an ihre Stelle getreten? Schmerzlosigkeit, Seligkeit, Befreiung von jedem Übel, Umgang mit den Engeln, Schauen des Unsichtbaren, Vereinigung mit Gott, endlose Freude. Geziemt es sich nun zu trauern, wenn wir in Betreff der Kaiserin erfahren, was sie für einen Tausch gemacht hat? Sie verließ die irdische Herrschaft, erlangte aber die himmlische, sie entäusserte sich der Krone von Edelsteinen, setzte sich aber die Krone der Herrlichkeit auf, sie zog den Purpurmantel aus, zog aber Christum an. Das ist in Wahrheit das kaiserliche und kostbare Gewand. Vom irdischen Purpur vernehme ich, daß er durch das Blut einer Meerschnecke die rothe Farbe erlange; dem himmlischen Purpur aber wird durch das Blut Christi Glanz verliehen. Du siehst, welch’ großer Unterschied im Gewande ist.

Willst du dich überzeugen, daß sie jene Güter genießt, so lies das Evangelium! „Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters,“ ― so spricht der Richter zu Denen auf der rechten Seite, ― „nehmet die Herrschaft in Besitz, die euch bereitet ist.“11 Von wem bereitet? Die ihr euch selbst, will er sagen, durch euere Werke im Voraus bereitet habt. In welcher Weise? Ich war hungrig, durstig, fremd, nackt, krank, im Gefängniß.12 Alles, was ihr einem dieser Kleinsten thut, habt ihr mir gethan.13 Wenn nun die Thätigkeit in diesen Dingen das Reich verschafft, so zählet, wenn es sich zählen läßt, wie Viele von ihr mit Kleidungsstücken bekleidet worden sind, wie Viele jene große Rechte gespeist hat, wie vielen Gefangenen nicht bloß ihr Besuch, sondern S. 595 völlige Freilassung zu Theil geworden ist. Wenn aber der Besuch der Gefangenen das Reich verschafft, so ist offenbar die Befreiung von der Strafe einer höheren Belohnung werth, wenn es überhaupt etwas Höheres gibt als das Reich. Aber nicht findet ihr Lob hier eine Grenze. Denn sie geht mit ihren guten Werken auch über das Gebotene hinaus. Wie Viele haben durch sie die Gnade der Auferstehung an sich erfahren, die durch die Gesetze dem Tode verfallen und zum Tode verurtheilt waren, aber durch sie wieder ins Leben gerufen wurden! Es liegt der Beweis für unsere Behauptung vor Augen. Du sahst einen Jüngling am Altare, der an der Rettung verzweifelte. Du sahst ein Weib über die Verurteilung ihres Bruders jammern, und wie durch die Erwähnung der Kaiserin von der Seite Desjenigen, welcher der Kirche die Güter verkündete, das finstere Todesurtheil sich in Leben umwandelte. Und ist Das Alles? Wo werden wir die Demuth anbringen, die von der Schrift höher gestellt wird als jede tugendhafte Handlung? Denn obschon sie mit dem großen Kaiser die Zügel eines so großen Reiches führte, jede Macht sich ihr unterwarf, so viele Völker ihr zinspflichtig, Erde und Meer, jedes von seinem Eigenthum, ihr dienstbar waren, so gestattete sie doch dem Hochmuth keinen Eingang, indem sie immer auf sich sah, nicht auf Das, was ausser ihr war. Deßhalb wird sie der Seligpreisung theilhaftig und tauscht für die kurze Demuth die wahre Größe ein. Ich will auch ein Zeugniß für ihre Gattenliebe bringen. Es mußten nothwendig, da die körperliche Verbindung sich löste, auch die kostbaren Güter, in deren Besitz sie war, zur Vertheilung kommen. Wie nun nahm sie die Vertheilung vor? Von den drei Kindern, die sie hatte, ― denn das sind die höchsten Güter, ― hinterließ sie die männlichen dem Vater, um Stützen seines Reiches zu sein, als ihren eigenen Antheil hat sie nur die Tochter ausgeschieden. Siehst du, wie bescheiden und liebevoll sie von den kostbaren Schätzen dem Gatten den größeren Theil abgetreten hat? Ich will noch hinzufügen, was zumeist von uns hervorgehoben werden S. 596 muß, und dann meine Rede schließen. Der Haß gegen die Götzen ist Allen gemeinsam, welche den Glauben besitzen. Ihre besondere Auszeichnung aber bestand darin, daß sie den arianischen Unglauben in gleichem Maße wie den Götzendienst verabscheute. Denn sie war der Meinung, daß Die, welche glaubten, die Gottheit sei ein Geschöpf, ebenso die Stoffe anbeten als Die, welche daraus Götzen machen, und hatte hierin ein gutes und frommes Urtheil. Denn wer das Geschöpf anbetet, ist, wenn er auch im Namen Christi es thut, ein Götzendiener und legt den Namen Christi einem Götzen bei. Deßhalb betete sie, weil sie wußte, daß Christus nicht ein neuer Gott ist, eine Gottheit an, die im Vater, Sohn und heiligen Geiste verherrlicht wird. In diesem Glauben nahm sie zu, in diesem erstarkte sie, in diesen versenkte sie ihren Geist, von diesem wurde sie in den Schooß Abrahams, des Vaters des Glaubens, zur Quelle des Paradieses geführt, von der kein Tropfen den Ungläubigen zufließt, unter den Schatten des Baumes des Lebens, der an die Wasserströme gepflanzt ist,14 an denen auch wir Antheil nehmen mögen in Christus Jesus, unserm Herrn, dem die Herrlichkeit sei in Ewigkeit. Amen.


  1. Des Patriarchen Nektarius von Konstantinopel. ↩

  2. Luk. 10, 34. ↩

  3. II. Kor. 12, 4. ↩

  4. Röm. 7, 24. ↩

  5. Philipp. 1, 23. ↩

  6. Ps. 141, 8 [hebr. Ps. 142, 8]. ↩

  7. Ebd. [Ps.] 119, 5 [hebr. Ps. 120, 5 u. 6]. ↩

  8. Is. 40, 6. ↩

  9. Sprichw. 23, 27. ↩

  10. Is. 35, 10. ↩

  11. Matth. 25, 34. ↩

  12. Ebd. [Matth. 25] V. 35. 36. ↩

  13. Ebd. [Matth. 25] V. 40. ↩

  14. Ps. 1, 3 [hebr. Ps. 1, 3]. ↩

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