50.
1. Als Lehrerin will ich euch die Prophetin Sibylla anführen, S. 124 „Die nicht Orakel verkündet im Dienste des Phoibos des Lügners, Den nur törichte Menschen als Gott und als Seher erlogen, Sondern im Dienst des gewaltigen Gotts, den nicht Hände der Menschen Bildeten, ähnlich den stummen, aus Stein gehauenen Götzen.“1
2. Sie also nennt die Tempel Trümmerstätten, wenn sie in folgenden Worten verkündet, daß der Tempel der Artemis in Ephesos „von Erdschlünden und Erdbeben“2 werde verschlungen werden: „Unaufhörlich wird Ephesos jammern und weinen am Ufer, Wenn nach dem Tempel vergeblich es sucht, der nicht mehr vorhanden.“3
3. Und von dem Tempel der Isis und des Sarapis in Ägypten sagt sie, daß er werde niedergerissen und verbrannt werden: „Isis, du dreimal unselige Göttin, am Wasser des Niles Bleibst du allein, bist rasend und stumm an Acherons Ufer“,4 und dann etwas später: „Du auch, Sarapis, belastet mit vielen unnützen Steinen, Liegst nach gewaltigem Sturz in Ägyptens unseligem Lande.“5
4. Wenn du aber auf die Prophetin nicht hören willst, so höre wenigstens, wie dein eigener Philosoph, Herakleitos von Ephesos, den Götterbildern die Gefühllosigkeit vorwirft: „Und sie beten zu diesen Bildern, wie wenn einer mit den Häusern Zwiesprache halten wollte.“6
5. Oder sind denn das nicht wunderliche Menschen, die sich mit Bitten an Steine wenden, ja sogar sie vor ihren S. 125 Türen aufstellen, als ob sie lebendig wären, wie sie den Hermes als Gott anbeten und den Agyieus7 als Türhüter aufstellen? Denn wenn sie sie als gefühllos verhöhnen, warum verehren sie sie dann als Götter? Wenn sie dagegen glauben, daß sie an Empfindungen teilhaben, warum stellen sie sie als Türhüter auf?8
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Orac. Sibyll. 4, 4–7. ↩
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Vgl. Orac. Sibyll. 5, 294. ↩
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Orac. Sibyll. 5, 296 f. ↩
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Orac. Sibyll. 5, 484 f. ↩
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Orac. Sibyll. 5, 487 f. ↩
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Herakleitos Fr. 5 Diels. ↩
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Straßenbeschirmer, Beiname des Apollon; er wurde in Form eines kegelförmigen Steins verehrt, der in Athen vor den Häusern stand. ↩
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Vgl. oben 24, 3 und Xenophanes Fr. 13 Diels. ↩