1.
XII. Rede.
An seinen Vater, nachdem dieser ihm die Sorge über die Kirche von Nazianz übertragen hatte1.
„Meinen Mund habe ich geöffnet und den Geist aufgenommen2.“ Dem Geiste weihe ich alles, was ich S. 265 habe und mich selbst. Ich weihe ihm mein Tun und Reden, mein Ruhen und Schweigen. Er allein möge von mir Besitz nehmen und mich führen und mir Hände, Verstand und Zunge leiten, wohin es notwendig ist und wohin er will! Er möge mich auch wieder zurückführen, wenn es notwendig und besser ist! Ich bin Gottes Instrument, ein vernünftiges Instrument, ein Instrument, das vom Geiste, dem trefflichen Künstler, gestimmt und gespielt wird. Gestern wirkte er in mir das Schweigen, und meine Weisheit war, still zu sein. Heute berührt er meinen Geist, und ich gebe dem Worte die Freiheit, und meine Weisheit ist, zu sprechen. Ich bin nicht so gesprächig, daß ich zu reden wünsche, wenn der Geist das Schweigen wirkt. Ich bin aber auch nicht so redensmüde und geistesschwach, daß ich, wenn es Zeit zu reden ist, meinem Munde einen Korb anlege. Bald verschließe, bald öffne ich meine Türe für den Verstand, den Logos, den Geist3, die Gottheit, die eins ist in der Natur.
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Gregor hielt diese Rede gegen Ende des Jahres 372 nach den Reden 9-11. Den von Basilius ihm aus Opposition gegen Anthimus, den Metropoliten von Tyana, übertragenen Bischofssitz von Sasima wollte Gregor nicht annehmen, um nicht in den Streit der beiden kappadozischen Metropoliten verwickelt zu werden. Er floh daher in die Einsamkeit, welche er aber auf Drängen seines Vaters verließ, um nunmehr gemeinsam mit ihm die Diözese von Nazianz zu leiten. ↩
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Ps. 118, 131 [hebr. Ps. 119, 131]. ↩
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Die Trinität wird hier bezeichnet als Νοῦς, Λόγος, Πνεῦμα [Nous, Logos, Pneuma]. ↩