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Œuvres Grégoire de Nysse (335-394) Orationes VIII de beatitudinibus Acht Homilien über die acht Seligkeiten (BKV)
Fünfte Rede: "Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen."

II

Genügt jedoch unsere bisherige Darstellung nicht, so dürfte der Begriff Barmherzigkeit durch eine andere Wendung noch klarer werden. Wir können nämlich die Barmherzigkeit auch als eine liebevolle Teilnahme des Herzens bezeichnen denen gegenüber, welche von schwerem Ungemach heimgesucht sind. Wie nämlich das harte, unmenschliche Wesen vom Hasse seinen Ausgang nimmt, so erblüht die Barmherzigkeit sozusagen aus der Nächstenliebe; sie hat letztere zur notwendigen Voraussetzung1. Wenn wir aber das Charakteristische der Barmherzigkeit hervorheben wollen, so können wir sie als einen hohen Grad der Liebe bestimmen, verbunden mit dem Gefühl des Mitempfindens. Am Glücke des Mitmenschen allerdings möchten alle teilnehmen, Feind und Freund; aber die Bereitwilligkeit, an fremdem Unglück teilzunehmen, findet sich nur bei denen, welche sich von der Liebe leiten lassen. Nun ist aber ausgemacht, daß unter allen Tugenden die Liebe den ersten Platz einnimmt; die Barmherzigkeit ist aber ein höherer Grad der Liebe; darum ist derjenige, welcher seine Seele in S. 200 dieser Stimmung erhält, wahrhaft seligzupreisen, weil er in der Tugend nach dem Höchsten ringt. Dabei soll niemand unsere Tugend bloß nach den äußeren Leistungen beurteilen, ― alsdann könnten sie nur solche erlangen, welche in der Lage sind, Wohltaten zu spenden ―, sondern mir scheint es gerechter, den Sitz der Barmherzigkeit in das Wollen und Wünschen zu verlegen. Denn wer das Gute ernstlich will und verlangt, steht, auch wenn er nicht imstande ist, ein löbliches Werk zu vollbringen, hinsichtlich seines seelischen Wertes durchaus nicht hinter dem zurück, der seine edle Gesinnung auch in Taten umsetzen kann.

Welch großer Gewinn für das Leben erwächst, wenn wir den Sinn der Seligpreisung so auffassen, wie ich dargelegt habe, ist wohl überflüssig auszuführen, da auch für Einfältige die Vorteile auf der Hand liegen, die das Leben aus dieser Mahnung des Herrn ziehen könnte. Sobald nämlich eine solche Gesinnung gegen die Geringeren eingepflanzt wird, gibt es kein Zu-Viel und auch kein Zu-Wenig; nicht mehr wird das Leben in Gegensätze gespalten: keine Armut wird den Menschen plagen, keine Knechtschaft ihn erniedrigen, kein Mangel an Ansehen ihn betrüben. Denn allen wird alles gemeinsam sein; Gleichheit der Gesetze und der Rechte bürgert sich im Leben der Menschen ein, da der Mitbürger2 freiwillig den Rückstand der Geringeren ausgleicht. Tritt dies alles ein, dann ist kein Zündstoff zur Feindschaft vorhanden; zur Untätigkeit ist der Neid verurteilt, tot der Haß, verbannt die Rachgier, die Lüge, der Betrug, der Krieg ― lauter Dinge, welche der Begierde nach Mehr entspringen. Ist einmal die mitleidslose Gesinnung entfernt, dann werden mit ihr von Grund aus, wie mit einer bösen Wurzel, die Schößlinge der Bosheit verschwinden und mit der Austilgung des Bösen hält zugleich die ganze Reihe der Tugenden ihren Einzug: Friede, Gerechtigkeit und die ganze Gefolgschaft dessen, was man zum Begriff „Gut“ zählt. Was wäre denn seliger zu preisen als ein Leben, in welchem man die Sicherheit seines Leibes und seiner S. 201 Habe nicht mehr Riegeln und Schlössern3 anvertrauen muß, sondern das richtige Verhalten der Menschen zueinander volle Sicherheit verbürgt! Denn wie der Hartherzige und Unmenschliche sich die zu Feinden macht, die seine Mitleidslosigkeit erfahren mußten, so werden wir die Freunde desjenigen, der barmherzig ist; denn Barmherzigkeit erzeugt Liebe in allen, welche sie verkosten durften. Wie die Darlegung zeigt, ist daher die Barmherzigkeit die Mutter des Wohlwollens, das Pfand der Liebe, das Band jeder freundschaftlichen Gesinnung; die Sicherheit, die hiedurch gegeben wird, ist zuverlässiger als jede andere. Daher preist das göttliche Wort mit Recht den Barmherzigen selig, da soviel des Guten in diesem Namen eingeschlossen ist.


  1. ohne die Worte der L.L. τὴν ἀρχὴν ἔσχεν [tēn archēn es-chen]. Cf. 240. ↩

  2. nach der L.L. ἑκουσίως τοῦ πολιτεύοντος [hekousiōs tou politeuontos] (statt ἑκουσίως τοῦ περισσεύοντος [hekousiōs tou perisseuontos]). ↩

  3. nach L.L. κλείθροις [kleithrois] (statt λίθοις [lithois]). ↩

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Acht Homilien über die acht Seligkeiten (BKV)
Commentaires sur cette œuvre
Einleitung zur Schrift: „Über die Seligpreisungen."

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