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Œuvres Jean Chrysostome (344-407) In epistulam ii ad Corinthios argumentum et homiliae 1-30 Homilien über den zweiten Brief an die Korinther (BKV)
Siebente Homilie.

VI.

Denn wenn du ein schönes Weib siehst, so mußt du nicht darauf schauen, wie du die Leidenschaft befriedigst, S. 146 sondern wie du von der Leidenschaft frei wirst. „Und wie ist Das möglich?“ frägst du; „denn ob ich liebe, ist ja nicht meine Sache!“ Aber wessen denn, sage mir! „Es ist boshafte Anstiftung eines Dämons.“ Glaubst du, daß es einzig nur der Dämon ist, der dir Fallstricke legt? So ringe denn und kämpfe gegen die Krankheit. „Aber ich kann es nicht,“ sagst du. Wohlan denn, ich will zuerst dich lehren, daß an Allem nur deine Fahrlässigkeit Schuld ist, und daß du es bist, der anfänglich dem Dämon Zugang verschafft hat; und ich will dir zeigen, wie du auch jetzt noch, wenn du nur willst, mit vieler Leichtigkeit den Feind vertreiben kannst. Denn sage mir, wenn Jemand Ehebruch begeht, thut er Das aus Liebe oder aus bloßer Lust an Gefahren? „Offenbar aus Liebe.“ Sind also Solche zu entschuldigen? „Durchaus nicht.“ Und warum wohl nicht? „Weil an ihnen selbst die Schuld liegt. Doch wozu die langen Schlüsse? Ich bin mir bewußt, daß ich den Willen habe, die Leidenschaft abzuwehren, und ich vermag es nicht; sie fällt im Gegentheile mich an und zwängt und quält mich gewaltig.“ Den Willen magst du wohl haben, mein Lieber, aber du thust nicht, was zur Abwehr geeignet ist! Du machst es wie ein Fieberkranker, der Ströme kalten Wassers hinabstürzt und dann spricht: Was denke ich nicht Alles aus, um die Gluth zu löschen, und vermag es nicht! Ich fache mir im Gegentheile die Flamme noch stärker an.

Sehen wir nun, ob nicht auch du vielleicht Solches thust, was den Brand schürt, während du auf Mittel zum Löschen zu sinnen glaubst! „O nein!“ sagst du. So sage mir, was hast du denn schon Alles versucht, um die Glut der Leidenschaft zu löschen? Und was ist es denn überhaupt, was der Leidenschaft Nahrung gibt? Wir leiden zwar nicht alle an dieser schlimmen Krankheit; denn größer ist die Anzahl Derer, die in den Fesseln der Geldliebe, als Derer, die in den Banden der sinnlichen Liebe liegen; aber doch soll Allen, Diesen wie Jenen, ein gemeinschaftliches S. 147 Heilmittel geboten sein. Denn unleidlich sind sie beide, die eine wie die andere Liebe, aber tiefgreifender und durchdringender ist doch noch die sinnliche Liebe. Sind wir nun einmal der stärkeren Herr geworden, so werden wir offenbar auch die schwächere leicht überwinden. Aber wie kommt es dann, möchte man fragen, daß, wenn die sinnliche Liebe die schärfste ist, nicht Alle von dieser Krankheit ergriffen werden, daß vielmehr die größere Anzahl rasend das Geld liebt? Der Grund ist einmal der, weil die letztere Leidenschaft dem Anscheine nach keine Gefahr mit sich bringt; und dann, weil die sinnliche Gluth, wenn sie auch heftiger ist, doch rascher wieder erlischt. Denn würde sie andauern wie die Geldliebe, so würde sie ihr Opfer von Grund aus verderben.

Von dieser sinnlichen Liebe nun wollen wir Einiges sprechen und sehen, woher das Übel Zuwachs erhält; denn so werden wir erkennen, ob an uns die Schuld liegt oder nicht; und wenn an uns, so wollen wir Alles thun, um der Leidenschaft Herr zu werden; wenn aber nicht an uns, was mühen wir uns dann umsonst? Und was tadeln wir ihre armen Opfer, statt ihnen zu verzeihen? Woraus entsteht also diese Liebe? „Von der Schönheit des Angesichtes,“ sagst du, „wenn nämlich Die, welche die Wunde schlägt, schön und wohlgestaltet ist.“ Das behauptest du ohne allen Grund. Denn käme es von der Wohlgestalt, die Liebe zu erwecken, so müßte ein solches Mädchen Alle zu Liebenden haben; ist nun aber Das nicht der Fall, so liegt der Grund nicht in der Natur, nicht in der schönen Gestalt, sondern in den ungezügelten Augen. Wenn du dämlich die Gestalt geflissentlich betrachtest und bewunderst, dann wirst du erfaßt und hast den Pfeil im Herzen. „Aber wer könnte denn ein schönes Weib ansehen, ohne es zu preisen? Wenn es demnach nicht in unserer Wahl liegt, die Schönheit zu bewundern, so steht auch die Liebe nicht bei uns.“ Nur langsam, mein Guter! Was mengst du Alles durcheinander und wendest dich dahin und dorthin, S. 148 nur um die Wurzel des Übels nicht zu sehen? Denn ich sehe Viele, welche die Schönheit bewundern und preisen, ohne deßhalb zu lieben. „Aber wie ist Das möglich, zu bewundern und doch nicht zu lieben?“ Nur ruhig! Das ist es, was ich eben zeigen will; aber gedulde dich nur! Höre auf Moses, der den Sohn des Jakob bewundert und von ihm sagt: „Und es war Joseph schön von Gestalt und gar lieblich von Angesicht.“1 Liebte nun Der, welcher Dieses sagte? „Keineswegs; denn er sah ja den nicht, welchen er preist.“ Aber auch die Schönheit, von der wir nur hören, kann uns ähnlich ergreifen, nicht bloß die wir sehen. Doch darüber sollst du nicht mit mir streiten. Ich frage: War nicht David gar lieblich und hatten rötliches Haar und schöne Augen? Und Das ist gerade der unwiderstehlichste Theil der Wohlgestalt, die Schönheit der Augen. Wurde nun Jemand von Liebe zu ihm ergriffen? „Gewiß nicht.“ Also ist mit der Bewunderung nicht immer auch die Liebe verbunden. So hatten manche Söhne Mütter voll blühender Schönheit. Aber wie? Entbrannten sie deßhalb in Liebe zu ihnen? „Das sei ferne! sie bewundern wohl die Anmuth, verfallen aber nicht in eine schändliche Liebe. Und Das hat man wiederum der Natur zu verdanken.“ Welcher Natur, sage mir! „Sie sind ja die Mütter,“ antwortest du. Hast du denn nicht gehört, wie die Perser ohne allen äusseren Zwang Umgang haben mit den eigenen Müttern, und das nicht der eine und andere, sondern das ganze Volk? Und von Dem abgesehen ist auch aus dem Folgenden ersichtlich, daß dieses Gebrechen nicht im Reiz des Leibes, überhaupt nicht in der körperlichen Schönheit, sondern in der zerfahrenen, haltlosen Seele seinen Ursprung hat. Denn Viele wenigstens gab es, die an tausend anmuthigen Frauen vorübergingen, um sich häßlichen zu ergeben; daraus ist klar, daß die Liebe nicht von der Wohlgestalt kommt; denn sonst hätten auf S. 149 Jene eher die schönen Frauen Eindruck gemacht, statt daß sie den häßlichen in die Schlinge fielen. „Was ist dann eigentlich Schuld?“ frägst du; „wenn die Liebe nicht von der Schönheit kommt, wo hat sie dann Anfang und Wurzel? Kommt sie vom bösen Feinde?“ Das wohl auch, aber darum handelt es sich hier nicht, sondern ob nicht auch an uns die Schuld liegt. Wohl legen uns auch die Dämonen Schlingen, aber mit ihnen legen wir selbst sie uns zuerst. Denn diese bösartige Krankheit zieht ihre reichste Nahrung aus vertrautem Umgang, aus süßen Schmeichelworten, aus behaglichem Nichtsthun und dem Mangel einer ernsten Beschäftigung.

Denn groß, ja groß ist die Macht des Umgangs, so groß, daß sie zuletzt zu einem Zwange der Natur wird. Wenn aber der vertrauliche Verkehr diesen Zwang erzeugt, so kann er ihn offenbar auch wieder brechen. Manche wenigstens haben sich von ihrer Liebe dadurch geheilt, daß sie das geliebte Wesen nicht mehr sahen. Das erscheint nun eine Zeit lang bitter und sehr unbehaglich; allmählig aber wird es süß, und später könnten sie, selbst wenn sie wollten, nicht mehr zur alten Leidenschaft zurückkehren. „Aber was dann, wenn ich ohne langen Umgang sogleich beim ersten Anblick mich gefangen fühle?“ Auch da ist das müssige Leben Schuld oder die üppigen Mahle, die Gleichgiltigkeit gegen die obliegenden Pflichten und der Mangel an bedeutsamer Thätigkeit. Denn während ein Solcher wie ein Landstreicher müssig umhergeht, erreichen ihn alle Pfeile des Bösen, und wie ein verlorenes Kind fällt dem nächsten Besten eine solche Seele zur Beute. Denn die Seele ist nun einmal das Thätigsein gewohnt, und entzieht man ihr das Wirken im Guten, so verfällt sie nothwendig, weil sie nicht müssig sein kann, auf das Schlimme. Es ist wie beim Ackerlande; wird dieses nicht besät und bepflanzt, so bringt es einfach Unkraut hervor. Und wenn die Seele nichts Angemessenes zu thun hat, so überläßt sie sich schlechten Dingen, weil sie unbedingt nach Thätigkeit S. 150 verlangt. Und wie das Auge niemals vom Sehen läßt und darum Schlimmes sehen wird, wenn sich ihm nichts Gutes bietet, so beschäftigt sich auch das Denken mit unnützen Dingen, wenn es abläßt vom Nöthigen. Denn daß Beschäftigung und Sorge auch den ersten Angriff mit Erfolg abwehren kann, ist ans vielen Gründen klar. Wenn du nun ein schönes Weib siehst und der Anblick dich nicht unberührt läßt, so schaue nicht mehr hin, und du bist frei. „Und wie kann ich nicht mehr hinsehen,“ sagst du, „wenn die Begierde mich zieht?“ Widme dich anderen Dingen, welche die Seele in Anspruch nehmen, seien es nun Gegenstände der Wissenschaft und Sorgen des Berufes, oder Beschützung der Armuth und Beistand gegen das Unrecht, oder eifriges Gebet und ernstes Nachdenken über die künftigen Dinge. Das sind Gegenstände, mit welchen du die Seele beschäftigen mußt. Auf diese Weise wirst du nicht bloß eine noch frische Wunde heilen, sondern auch einer schon durch Altern verhärteten mit Leichtigkeit los werden. Wenn schon ein Schimpf, wie das Sprichwort sagt, oft den Liebenden veranlaßt, die Liebe zu lösen, wie sollen nicht um so mehr diese geistigen Zaubersprüche das Übel zu bannen vermögen, wenn wir nur ernstlich davon befreit sein wollen? Wenn wir aber mit Denen, die solche Geschoße auf uns schleudern, immerfort umgehen und verkehren, wenn wir immer mit ihnen reden und ihre Worte hören, so geben wir der Krankheit stets neue Nahrung. Wie kannst du nun erwarten, daß das Feuer erlösche, wenn du jeden Tag die Flamme neu anfachst?

Diese Worte nun über den vertrauten Umgang seien an die Jünglinge gerichtet. Denn für Männer, die an reifes Denken gewohnt sind, ist das wirksamste Mittel die Furcht Gottes, der Gedanke an die Hölle, die Sehnsucht nach dem himmlischen Reiche; Das reicht völlig hin, um den Brand zu löschen. Und ausserdem bedenke auch noch, wie Das, was du siehst, nichts Anderes ist als Schleim und Blut und Saft aufgelöster Speise. „Aber lieblich S. 151 blüht wie eine Blume das Angesicht,“ sagst du. Was glänzt denn lieblicher als die Blumen der Erde? Aber auch sie welken und vergehen. So schaue denn auch hier nicht auf’s blühende Antlitz, sondern dringe tiefer ein mit dem Geiste; nimm jene schöne Hülle in Gedanken weg und beschäftige dich mehr mit Dem, was hinter ihr liegt! Wie glänzt nicht auch der Leib des Wassersüchtigen! die Aussenseite hat durchaus nichts Abstoßendes; aber der Gedanke an die im Innern verborgenen Säfte schreckt uns ab und wir bringen es nicht über uns, Solche zu küssen. „Aber das weiche, blitzende Auge und der schöne Bogen und das bläuliche Lid und der sanfte Stern und der sonnig helle Blick!“ Was ist denn eben Das recht betrachtet, Anderes als Nerven und Äderchen und Häutchen und Blutgefäße? Denke dir dieses schöne Auge, wie es in der Krankheit, wie es im Alter ist, wie es aussieht, wenn der Kummer es trübt oder der Zorn es schwellt! Wie unschön ist es, wie rasch verdirbt es, wie verlöscht es schneller als die Züge einer Schrift! Von diesem äusseren Scheine erhebe die Gedanken zur allein wahren Schönheit! „Aber ich sehe ja nicht“, sagst du, „die Schönheit der Seele.“ Wenn du willst, kannst du sie sehen. Denn wie man eine schöne Gestalt auch in der Ferne bewundern kann, ohne sie mit Augen zu sehen, so ist es auch möglich ohne Hilfe der Augen die Schönheit der Seele zu schauen. Hast du dir nicht schon manchmal eine liebliche Zaubergestalt geschaffen und für das Gebilde dich begeistert? So zeichne dir auch jetzt ein Bild von der Schönheit der Seele und schwelge an ihren herrlichen Zügen! „Aber Unkörperliches sehe ich ja nicht.“ Gewiß sehen wir es, wenn wir mit dem Geiste schauen, und zwar genauer, als wenn es körperliche Dinge wären. Darum bewundern wir ja auch Engel und Erzengel, obschon wir sie nicht sehen, darum bewundern wir Rechtschaffenheit der Sitten und die Tugend der Seele. Siehst du einen Mann, der milde und maßvoll ist, so bewundere diesen mehr als jenes schöne Gesicht; und siehst du einen, der bei Beleidigung und Unrecht gelassen bleibt, S. 152 so bewundere Solche nicht nur, sondern liebe sie auch, und mögen sie noch so gealtert sein! Denn Das ist das Eigenthümliche an der Schönheit der Seele, daß sie auch im Alter viele Verehrer hat und niemals welkt, sondern immerfort blüht. Damit wir nun ebenfalls diese Schönheit uns erwerben, so wollen wir eifrig Denen nachstreben, die sie besitzen, und diese recht innig lieben. Denn so werden wir auch, mit dieser inneren Schönheit ausgestattet, der ewigen Güter theilhaftig werden können. Mögen diese uns allen zu Theil werden durch die Gnade und Güte unseres Herrn Jesus Christus! Amen. S. 153


  1. Gen. 39, 6. ↩

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Homilien über den zweiten Brief an die Korinther (BKV)

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