III.
20. Für Christus sind wir demnach Gesandte, als ob Gott durch uns ermahnte. Wir bitten für Christus. Versöhnet euch mit Gott.
Siehst du, welchen Nachdruck Paulus der Sache gibt, wie er Christus selbst diese Bitte stellen läßt, ja nicht bloß Christus, sondern auch den Vater? Denn er sagt ungefähr: Der Vater hat den Sohn geschickt, um an seiner Statt zu ermahnen und den Frieden mit dem menschlichen Geschlechte zu vermitteln. Nachdem dieser in gewaltsamem Tode hingegangen, haben wir die Gesandtschaft übernommen, und in seinem und des Vaters Namen ermahnen wir euch. Denn so hoch steht das menschliche Geschlecht bei Gott, daß er sogar den Sohn hingegeben, und zwar im sicheren Vorauswissen, er werde hingeopfert werden, und daß er um euretwillen uns zu Aposteln gemacht hat. Daher sagte Paulus mit Recht: „Alles um euretwillen.“ — „Für Christus sind wir demnach Gesandte,“ d. h. an Stelle Christi; denn wir haben seinen Dienst übernommen. Scheint dir aber Das zu groß zu sein, so höre das Weitere, in welchem Paulus zeigt, daß sie nicht bloß an Stelle des Sohnes, sondern auch an Stelle des Vaters Dieses thun. Denn darum ist beigefügt: „Als ob Gott durch uns ermahnte.“ Wie durch den Sohn, so ermahnt Gott auch durch uns, die wir das Werk des Sohnes übernommen haben. Glaubet darum nicht, ihr werdet von uns gebeten; Christus selbst, der Vater Christi selbst ist es, der euch durch uns ermahnt. Was läßt sich mit einer so überschwenglichen Liebe vergleichen? Gott ist es, der beleidigt worden, und zwar nach Erweisung unzähliger Wohlthaten; aber statt der Bestrafung gab er seinen Sohn, damit wir ausgesöhnt würden; aber Die ihn empfingen, tödteten den Sohn, statt sich zu versöhnen. Wieder schickte Gott andere Gesandte, die da mahnen sollten; aber obschon S. 204 er sie gesendet, fährt er dennoch fort, selbst zu mahnen. Und zu was ermahnt er? „Versöhnet euch mit Gott!“ Es heißt nicht: Versöhnet Gott mit euch; denn nicht Gott hält Feindschaft, sondern ihr; denn Gott hält niemals Feindschaft. Und jetzt legt der Apostel in der Weise eines Gesandten seine Gründe dar und sagt:
21. Denn der Sünde nicht kannte, den hat er für uns zur Sünde gemacht.
Ich übergehe das Frühere, daß ihr Den beleidigt habt, der euch kein Unrecht gethan, der euch Wohlthaten erwiesen; daß er nicht gestraft hat, daß er zuerst ermahnt, obschon er zuerst beleidigt ist; von all Diesem schweige ich jetzt. Könnte man nicht schon aus Dem allein, was Gott gegenwärtig für euch gethan, mit Recht erwarten, daß ihr euch versöhnet? Und was hat Gott gethan? „Den, der Sünde nicht kannte, hat er um euretwillen zur Sünde gemacht.“ Ja, hätte Gott weiter Nichts gethan als Dieses allein, wie groß wäre Das schon, für seine Beleidiger den Sohn hinzugeben! So aber hat Gott sowohl anders Großes gethan als auch ausserdem den Unschuldigen für die Schuldigen strafen lassen. Doch sagt Paulus nicht „unschuldig“, sondern noch etwas weit Höheres. Und was ist Das? „Den, der Sünde nicht kannte, der die Gerechtigkeit selbst war, den hat er zur Sünde gemacht,“ d. h. er hat ihn wie einen Sünder verurtheilen, wie einen Verfluchten sterben lassen. „Denn verflucht, wer am Holze hängt.“1 Denn diese Art, zu sterben, war mehr als sterben, eine Wahrheit, auf die Paulus auch an anderer Stelle weist, wenn er sagt: „Gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode des Kreuzes.“2 Denn bei diesem Tode verband sich mit der Qual auch die Schmach. Wie Großes hat demnach Gott für dich S. 205 gethan! Es wäre schon groß, wenn ein Sünder für Jemand sterben würde; wenn aber der Sterbende ein Gerechter ist und für Sünder stirbt, wenn er nicht bloß stirbt, sondern als Verfluchter stirbt, und wenn er durch diesen Tod uns auch die hohen Güter erwirbt, die wir niemals erwarten durften, — „damit wir in ihm Gottes Gerechtigkeit würden,“ heißt es — welche Rede, welcher Verstand vermag Das genugsam darzulegen? Den Gerechten, sagt Paulus, hat Gott zum Sünder gemacht, um die Sünder zu Gerechten zu machen. Aber auch so lauten seine Worte nicht, sie drücken noch weit Größeres aus. Denn nicht die Eigenschaft ist gesetzt, sondern die Beschaffenheit selbst. Es heißt nicht: Er hat ihn zum Sünder gemacht, sondern zur Sünde; nicht: Den, der bloß nicht gesündigt, sondern „der Sünde nicht einmal kannte;“ und das in der Absicht, damit auch wir, es heißt wieder nicht: gerecht, sondern: Gerechtigkeit würden und zwar Gottes Gerechtigkeit. Denn von Gott ist diese Gerechtigkeit, wenn wir nicht aus Werken, wo auch nicht der geringste Flecken sich finden dürfte, sondern aus Gnade gerechtfertigt werden, wo alle Sünde verschwunden ist. Das bewahrt uns vor Überhebung, weil ja Gott das Ganze geschenkt hat, und lehrt uns zugleich die Größe der Gabe. Denn jene frühere war eine Gerechtigkeit aus Gesetz und Werken, diese aber ist Gottes Gerechtigkeit. —
Dieses nun erwägend wollen wir uns mehr vor diesen Worten als vor der Hölle fürchten und größere Ehrfurcht vor diesen Dingen als selbst vor dem Himmelreiche haben; und wir wollen nicht die Strafe für schlimm halten, sondern die Sünde. Denn würde Gott uns nicht strafen, so müßten wir selbst es thun, daß wir so undankbar gegen den Wohlthäter gewesen. So aber sehen wir: Wenn Einer eine Geliebte hat, so nimmt er manchmal sich selbst das Leben, wenn er nicht der (Gegen-) Liebe theilhaftig wird; und ist er es geworden, so hält er sich nicht mehr S. 206 des Lebens werth, wenn er sie beleidigt hat: sollen nun uns nicht selbst in’s Feuer der Hölle stürzen, wenn gegen den so liebevollen, so sanftmütigen Gott sündigen? Ich möchte Etwas sagen, was seltsam und verwundernswerth ist und vielleicht Manchem unglaublich dünkt: Wer den so liebevollen Gott erzürnt hat, der wird, wenn er verständig ist und den Herrn liebt, wie man ihn lieben soll, sich mehr erleichtert fühlen, wenn er gestraft wird, als wenn er ungestraft bleibt.