III.
Weil nun der Apostel vorzüglich die Bereitwilligkeit des Gebens bei den Korinthern erwecken will, so verweilt er bei dieser Eigenschaft ganz besonders, indem er von den Macedoniern sagt: „Mit vielem Andringen uns bittend.“ Nicht wir haben sie gebeten, sondern sie uns. Und um was baten sie? „Um die Gnade und Theilnahme am Dienste für die Heiligen.“ Siehst du, wie er der Sache wieder Bedeutung zu geben weiß durch die ehrwürdigen Namen, mit denen er sie benennt? Denn da die Korinther so eifrig nach den Gaben des Geistes strebten, so redet er von Gnade, damit sie herbeieilten; S. 278 und wiederum von Theilnahme, damit sie lernten, sie dabei auch empfangen, nicht bloß geben. Und war es, sagt er, um was Jene uns angingen, daß wir den Dienst auf uns nehmen möchten.
5. Und nicht, wie wir gehofft hatten.
Dieses sagt Paulus in Bezug auf die Größe ihrer Gaben und mit Rücksicht auf ihre eigenen Bedrängnisse. Wir hatten nicht gehofft, will er sagen, daß sie bei solcher Bedrängniß und Armuth so in uns dringen, so angelegentlich uns bitten würden. Und jetzt rühmt er auch ihren frommen Eifer hinsichtlich des übrigen Lebens und sagt: „Sondern sich selbst gaben sie zunächst dem Herrn und dann uns durch den Willen Gottes.“ In Allem haben sie sich willfähriger gezeigt, als wir erwartet hatten, und über der Mildthätigkeit vergaßen sie nicht die übrigen Tugenden, sondern „zunächst gaben sie sich dem Herrn“. Was will nun Das sagen: „Sie gaben sich dem Herrn“? Sie weihten sich dem Herrn, sie zeigten sich bewährt im Glauben und standhaft in den Bedrängnissen, sie übten die Tugenden der Sittsamkeit, der Milde und Liebe, sie bewiesen Bereitwilligkeit und Eifer zu allem übrigen Guten. Was heißt dann: „Sie gaben sich uns“? Sie sind uns folgsam gewesen, sie haben uns geliebt, auf uns gehört; und wie sie an Gottes Gebote sich hielten, so waren sie auch mit uns durch das Band der Liebe verbunden. Und beachte, wie Paulus auch hier wieder auf die höchste Stufe der Vollkommenheit weist, wenn er von ihnen sagt: „Sie gaben sich dem Herrn.“ Sie schauten nicht halb auf Gott und halb auf die Welt, sondern ungetheilt auf Gott, und ihm haben sie sich völlig geschenkt. Ihre Mildthätigkeit hat sie auch nicht stolz gemacht, sie bewahrten vielmehr die Tugenden der Demuth und des Gehorsams, der Ehrerbietung und Bescheidenheit, die sie vorher in so hohem Grade gezeigt hatten, auch jetzt beim Almosen. Was heißt endlich: „durch Gottes S. 279 Willen“? Weil Paulus gesagt hat. „Uns haben sie sich gegeben,“ so will er nun damit ausdrücken, daß auch diesem „Geben“ nicht menschliche Rücksichten, sondern Gottes Wille und Wohlgefallen zu Grunde lag.
6. So daß wir den Titus angingen, er möge, sowie er früher unter euch angefangen, so zur Vollendung bringen auch diese Gnade.
Wie passen nun diese Worte in den Zusammenhang? Sie schließen sich eng und genau an das Vorausgehende an. Nachdem wir, will Paulus sagen, die Macedonier in Allem tüchtig und eifrig gefunden, in Drangsalen, im Almosen, in ihrer Liebe zu uns, in der sonstigen Lauterkeit ihres Lebens, so haben wir den Titus gesendet, damit auch ihr ihnen ähnlich werdet. So sagt er nun zwar nicht ausdrücklich, aber das ist der Sinn seiner Worte. Und welche Liebe zeigt sich da wieder! Von den Macedoniern angegangen und gebeten, sagt er, waren wir sofort um euch besorgt, daß ihr ihnen nicht etwa nachstehen möchtet. Darum haben wir den Titus gesendet, damit ihr, von ihm angeregt und ermuntert, es den Macedoniern gleichthuet. Denn Titus befand sich zur Zeit der Abfassung dieses Briefes beim Apostel. Dieser hatte schon vor der Aufforderung des Apostels Hand an’s Werk gelegt, wie wir aus den Worten ersehen. „Sowie er früher unter euch angefangen.“ Darum spendet ihm Paulus auch allenthalben so reiches Lob, so gleich anfänglich, wenn er sagt: „Ich hatte keine Ruhe für meinen Geist, weil ich Titus, meinen Bruder, nicht fand;“1 dann Alles, was er sonst von ihm gerühmt hat, und was er nun auch hier wieder rühmt. Denn auch Das ist kein geringes Lob, daß Titus schon vor aller Aufforderung begonnen hat; Das gibt Zeugniß von seiner thätigen, eifervollen Seele. Darum S. 280 sandte ihn auch Paulus, damit seine Anwesenheit den Korinthern ein mächtiger Antrieb zur Wohlthätigkeit wäre. Und darum erhebt er ihn auch so mit Lobsprüchen, um ihn den Korinthern desto vertrauenswerther zu machen. Denn für die Überzeugung ist auch Das von Wichtigkeit, daß Der, welcher überzeugen will, Vertrauen genießt. Und treffend redet Paulus zu drei verschiedenen Malen, wo er des Almosens gedenkt, von Gnade. Bald sagt er: „Ich mache euch kund, Brüder, die Gnade Gottes, die gegeben ist in den Kirchen von Macedonien;“ dann wieder: „Aus eigenem Antriebe, mit vielem Andringen baten sie uns um die Gnade und Theilnahme an diesem Dienste;“ und endlich hier wieder: „Damit er, so wie er früher angefangen, so zur Vollendung bringe auch diese Gnade.“
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II. Kor. 2, 13. ↩