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Auch in der heiligen Schrift kommen solche Reden vor. Der Prophet Ezechiel z. B. bedient sich, ohne sich zu schämen, vieler solcher Ausdrücke, wenn er Jerusalem Vorwürfe macht; und mit Recht, denn nicht zu seinem Vergnügen thut er das, sondern aus Sorge um das Heil der Juden. Denn nehmen sich die Worte auch unehrbar aus, so ist doch S. 625 die Absicht nicht unehrbar, und wohl darauf gerichtet, die Unreinigkeit aus dem Herzen zu vertreiben. Hört eine schamlose Seele nicht solche Worte, so wird sie nicht bekehrt. Wenn der Arzt ein faules Geschwür beseitigen will, so bringt er seine Hand mit demselben in Berührung. Würde er seine Hand ferne halten, um Verunreinigung zu verhüten, so würde eben keine Heilung eintreten. Und so kann auch ich die Sünder nicht bekehren, wenn ich nicht unreine Worte in meinen Mund nehme, der für euch das Werkzeug der Bekehrung sein soll. Eine eigentliche Verunreinigung aber erfährt die Hand des Arztes so wenig als mein Mund. Inwiefern? Insoferne es keine von uns erzeugte Unreinigkeit ist, keine aus unserm Munde ausgehende, sowie auch die Verunreinigung des Arztes nicht von ihm herrührt. Und wenn nun der Arzt sich nicht sträubt, seine Hand an einem fremden Körper zu beschmutzen, so darf doch ich wohl kein Bedenken tragen, mich zur Heilung meines Körpers zu verunreinigen; mein Körper aber, das seid ihr, schwach und unvollkommen allerdings, aber doch mein Körper.
IV. Was bezwecke ich nun mit diesen meinen langen Erörterungen und Ermahnungen? Es würde dich gewiß ekeln, das schmutzige Gewand eines Sklaven anzuziehen, und du würdest lieber unbekleidet bleiben: aber einen unreinen und wüsten Leib, der nicht bloß deinen Sklaven, sondern auch vielen andern zur Verfügung steht, den willst du ohne Ekel gebrauchen? Ihr schämt euch, meine Zuhörer, ob dieser meiner Worte? Ja, schämt euch, aber schämt euch nicht ob der Worte, sondern schämt euch der Thaten! Um alles Andere zu übergehen, das Gemeine und Schmutzige, das Ehrlose und Niederträchtige im Leben solcher Dirnen, nur dieses Eine betrachte: Zu einer und derselben Person gehst du und dein Knecht? Und wenn es nur dein Knecht wäre, und nicht auch der Henkersknecht! Des Henkers Hände zu berühren däuchte dich Entsetzen: aber eine Person, die mit ihm ein Leib geworden ist, diese magst du umarmen, liebkosen; davor entsetzest du dich nicht, geräthst S. 626 nicht in Schrecken, du schämst dich nicht, du erröthest nicht, du erblassest nicht vor Abscheu?