IV.
Der Inhaber der bischöflichen Würde z. B. hat den Wunsch ausgesprochen, daß man Almosen bringe. Wenn nun Einer nicht will, so bringt er nicht nur Nichts, sondern um sich nicht den Anschein zu geben, als ob er Das aus Nachlässigkeit thäte, häuft er noch Schmähungen auf den Bischof, der den Befehl gegeben. „Der ist ein Dieb,“ sagt S. 420 er, „ein Räuber; er verzehrt die Habe der Armen, verschlingt das Gut der Bettler.“ Höre auf mit deinen Lästerungen. Wie lang wirst du so fortpoltern? Wirst du Nichts bringen? Nun, Niemand nöthigt, kein Mensch zwingt dich dazu. Was schmähst du auf den Bischof, der bloß wünscht, bloß einen Rath gibt? Aber andererseits wenn Jemand in Noth geräth, und der Bischof streckt die Hand nicht für ihn aus, entweder weil es nicht thunlich, oder weil er eben anderwärts stark in Anspruch genommen ist, so gibt es auch da wieder keine Nachsicht, sondern das lästern geht von Neuem an und noch schlimmer als vorher.
Das ist also der „Fürst“ der Kirche? Und er kann sich gar nicht wehren; diese Lästerer sind ja sein „Eingeweide“. Gleichwie wir uns gegen unser Eingeweide, wenn es anschwillt und dem Kopfe sowie dem übrigen Körper Beschwerden verursacht, nicht zu wehren getrauen, wir nehmen ja gewiß kein Messer und schneiden es durch, — so wagen wir uns auch nicht zu wehren, wenn einer unserer Untergebenen sich in der Weise aufführt, daß er uns durch Schmähungen Beschwerde und Kummer macht. Das würde die väterliche Gesinnung durchaus nicht gestatten, im Gegentheil, dieses Kreuz muß man tragen, bis jenes Lästermaul zur Vernunft kommt.
Der Sklave im Hause hat einen Auftrag bekommen; ist dieser ausgeführt, so ist er vorläufig sein eigener Herr; an dem Bischof aber wird von allen Seiten gezerrt, viele Fragen werden an ihn gestellt, auch solche, deren Erledigung über seine Kräfte geht. Weiß er nicht darauf zu antworten, so geht das Murren an; weiß er zu antworten, so kommen wieder Schmähungen: „er ist ruhmsüchtig, er erweckt keine Todten zum Leben,“ so heißt es; „mit dem Bischof ist es Nichts; dort ist ein anderer, der ist fromm, dieser nicht.“ Führt er einen frugalen Tisch, so wird wieder geschmäht; „den sollte man erdrosseln,“ heißt es. Sieht S. 421 man ihn im Bade, dann geht es erst recht los: „Der ist nicht werth,“ sagt man, „daß ihn die Sonne anscheint. Wenn er gerade so lebt wie ich, wenn er Bäder nimmt, ißt und trinkt, sich kleidet wie Andere, wenn er sich um Haus und Gesinde kümmert, warum ist er denn mehr als ich? Er hat Dienerschaft und reitet auf einem Esel; warum ist er also mehr als ich?“ Aber wie? Sollte er keine Bedienung haben? Soll er selber Feuer machen, selber Wasser tragen, selber das Holz spalten, selber sich in’s Marktgewühl stürzen? Was wäre das für eine Schande! Jene heiligen Männer, die Apostel, wollen, daß Derjenige, der des Wortes mächtig ist, sich nicht einmal mit der Pflege der Wittwen befasse, sondern sind der Ansicht, daß eine solche Beschäftigung unter seiner Würde sei. Du aber muthest dem Bischof Arbeiten zu, welche bei dir die Dienstboten verrichten? Warum verrichtest und vollziehst denn du sie nicht, der du sie von ihm verlangst?
Sage mir, erweist dir der Bischof nicht viel größere Dienste, als du ihm durch leibliche Bedienung erweisen würdest? Warum ordnest du also nicht deinen Bedienten ab, um ihn zu bedienen? Christus hat seinen Jüngern die Füße gewaschen; was thust du dann Großes, wenn du deinem Meister eine Bedienung stellst? Aber nicht nur, daß du selber sie nicht stellst, du willst überhaupt nicht, daß er sich bedienen lasse. Wie nun, soll der Bischof seine Nahrung aus dem Himmel beziehen?1 Das ist nicht der Wille Gottes.
Ja, sagt man, die Apostel hatten freie Leute zu ihrer Bedienung! Willst du wissen, wie die Apostel lebten? Sie S. 422 waren beständig auf Reisen, und freie Männer sowie edelgeborene Frauen haben ihr Leben und ihren Kopf daran gesetzt, sie gastlich zu bewirthen. Höre nur, was unter Andern der heilige Paulus für eine Ermahnung gibt mit den Worten: „Solche Männer also haltet in Ehren!“ Und weiter: „Für das Werk Gottes ist er dem Tode nahe gekommen; er hat sein Leben nicht geachtet, um Das, was an euerem Dienste für mich noch mangelte, zu ergänzen.“2 Siehst du, was Das heißt? Du aber bringst für deinen Vater kein Wort vor, geschweige daß du dich einer derartigen Gefahr unterziehst. Aber Bäder darf er keine nehmen, sagst du. Ich bitte dich, warum denn nicht? Wo ist denn Das verboten? Der Schmutz ist doch nichts Schönes? Nirgends sehen wir, daß Dieß verboten wäre, oder daß man sich darüber nur wundern würde. Es sind vielmehr ganz andere Dinge, die der Apostel vom Bischof verlangt: er soll untadelhaft sein, nüchtern, ehrbar, gastfrei, zum Lehren fähig. Das will der Apostel, Das muß man beim Kirchenfürsten suchen, weiter Nichts. Bist du nicht genauer in deinen Forderungen als Paulus oder vielmehr genauer als der heilige Geist? Ist der Bischof ein Raufer und Säufer, ein roher und hartherziger Mann, ja, dann magst du losziehen über ihn; Das ist eines Bischofes unwürdig. Ist er ein Schlemmer, so ist Das auch ein Grund zum Tadel. Aber wenn er einfach für seine leiblichen Bedürfnisse sorgt, damit er dir Dienste leisten kann, wenn er bloß dir nützlich sein will, dafür soll er Vorwürfe verdienen? Weißt du nicht, daß körperliche Schwäche nicht weniger als Seelenschwäche uns und der Kirche Schaden bringt? Warum ermahnte der heilige Paulus in einem Briefe den Timotheus: „Genieße etwas Wein wegen deines Magens und deiner häufigen Unpäßlichkeiten!“3 Wenn die Seele allein das Organ der Tugend wäre, dann brauchten wir uns freilich um den Leib nicht zu kümmern. Aber warum sind wir S. 423 überhaupt so geschaffen? Wenn also der Leib ebenfalls Vieles beiträgt zur Tugend, wäre es dann nicht die größte Thorheit, ihn zu vernachlässigen? Setze den Fall, Jemand, der mit der bischöflichen Würde bekleidet und dem die Pastorirung einer Gemeinde anvertraut ist, ist sonst ein ganz braver und ächt priesterlicher Mann, aber er ist wegen vielfacher Kränklichkeit immer an’s Bett gefesselt: was kann ein Solcher für Nutzen schaffen? Was kann er für amtliche Reisen machen? was für Visitationen vornehmen? Wen kann er strafen, wen ermahnen?
Dieses Thema habe ich besprochen, damit ihr lernet, nicht gleich darauf loszuschelten, damit ihr im Gegentheil lernet, die Bischöfe in Schutz zu nehmen, dann aber auch, damit Jemand, der nach dieser Würde lechzt, angesichts des Hagels von Schmähungen, der auf ihn niedersausen würde, ein solches Gelüste ersticke. Wirklich groß ist die Gefahr, und sehr nothwendig ist „die Gnade und der Friede Gottes“, was ihr Beides in reichlichem Maaße für uns erflehen sollt, und was wir für euch erflehen, damit wir alle zusammen die Tugend üben und so der verheißenen Seligkeit theilhaftig werden in Jesus Christus, mit welchem dem Vater und zugleich dem heiligen Geiste sei Ruhm, Herrlichkeit und Ehre jetzt und alle Zeit und in alle Ewigkeit. Amen.