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Von den göttlichen Namen (Edith Stein)
1.
Und zuerst wollen wir, wenn es so gut dünkt, den Namen Gut betrachten, der alle Hervorgänge Gottes offenbart, zuvor aber die alles Gute hervorbringende und überragende Dreifaltigkeit anrufen, die das ganze gütige Walten ihrer Vorsehung erklärt. Man muß nämlich erst durch Gebete sich zu ihr als dem Ursprung des Guten hinführen lassen und sich dann selbst ihr noch mehr nähern, um sich über die vortrefflichsten Gaben belehren zu lassen, die sich bei ihr finden. Denn sie selbst ist bei allem, aber es ist nicht alles bei ihr. Sondern wenn wir sie mit heiligen Bitten, mit ruhigem und zur göttlichen Vereinigung bereitetem Geist anflehen, dann erst sind auch wir bei ihr. Denn sie selbst ist nicht so an einem Ort, daß sie irgendwo nicht wäre und von einem zum andern wanderte. Ja, wenn man sagt, daß sie in allen Dingen sei, so bleibt das noch zurück hinter ihrer Unendlichkeit, die, alles umfassend, alles überragt. Wir wollen uns also durch Gebete für ein erhabeneres Aufsteigen zu den göttlichen und gütigen Strahlen bereiten: so wie wenn wir eine leuchtende Kette, die vom höchsten Himmel bis zu uns herabgelassen wäre, mit den abwechselnd ausgestreckten Händen beständig an uns reißen würden: Es würde so scheinen, als ob wir sie selbst an uns zögen; in Wahrheit aber würden nicht wir sie herabziehen, da sie ja oben und unten wäre, sondern würden vielmehr zu dem erhabenen Glanz ihrer leuchtenden Strahlen höher emporgehoben. Oder wenn wir in ein Schiff gestiegen wären und uns an den Seilen hielten, die man uns von einem Felsen zu unserer Hilfe zuwürfe, dann würden nicht wir den Felsen zu uns hinüberziehen, sondern in Wahrheit uns selbst und das Schiff zu den Felsen. Wiederum: Wenn jemand, der auf einem Schiff steht, gegen einen Felsen im Meer antreibt, wird er den festen und unbeweglichen Felsen durchaus nicht von der Stelle rücken, sondern wird sich selbst von ihm abstoßen; und je heftiger er dagegen antreibt, desto weiter wird er von ihm entfernt werden. Deshalb müssen wir vor allem gerade bei der Theologie mit Gebet beginnen, nicht um die überall und nirgends gegenwärtige Kraft an uns zu ziehen, sondern um uns selbst durch das Gedenken und die Anrufung Gottes Ihm hinzugeben und mit Ihm zu vereinigen.
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Schriften über "Göttliche Namen" (BKV)
§ 1.
Zuerst nun wollen wir, wenn es gut scheint, die allvollkommene und alle Ausgänge Gottes offenbarende Benennung „der Gute“ ins Auge fassen, nachdem wir die Dreifaltigkeit um Beistand angerufen, welche die Urquelle der Güte und übergut ist und alle ihre gütigen Vorsehungsakte offenbart. Zuerst müssen wir ja mit unseren Gebeten zu ihr als der Urgüte erhoben und ihr nähergebracht und hierbei dann in alle die überguten Gaben, die bei ihr hinterlegt sind, eingeweiht werden. Denn sie selbst ist zwar allem nahe, aber nicht alles ist ihr nahe. Dann erst, wenn wir sie mit heiligen Gebeten, ungetrübtem Sinn und der für die Vereinigung mit Gott geeigneten Verfassung anrufen, dann sind auch wir ihr nahe. Denn sie selbst ist an keinem Orte in der Weise zugegen, daß sie von irgendeinem anderen Orte abwesend wäre, oder daß sie aus den einen Orten in die anderen hinübergehen müßte. Aber auch wenn wir sagen, daß sie in allen Wesen sei, so bleibt die Rede doch hinter der Unendlichkeit zurück, welche alles übersteigt und alles umschließt. Wir wollen uns also mit unseren Gebeten im höheren Aufblick zu den göttlichen und gütigen Strahlen erheben. Ein Gleichnis! Wenn eine lichtstrahlende Kette, an der Höhe des Himmels befestigt, bis zu uns hierniederreichte und wir sie immer mit abwechselnden Händen weiter hinauf erfaßten, so schiene es, als ob wir sie herabzögen, in Wirklichkeit S. 50 brächten wir sie aber nicht herunter, da sie ja oben und unten ist, sondern wir selbst würden zu dem höheren Glanze der lichtvollen Strahlen hinaufgehoben. Oder ein anderes Beispiel! Wenn wir in ein Schiff gestiegen wären und da Taue, an irgendeinen der Felsen gespannt und uns wie zum Daranhalten gereicht, gegen uns heranzögen, so würden wir nicht den Fels zu uns her, sondern in Wirklichkeit uns selbst und das Schiff zum Felsen hinziehen. Und hinwieder, wenn einer auf dem Schiff stehend den Meerfelsen wegstoßen will, so wird er gegen den unbeweglich stehenden Fels nichts ausrichten, sondern sich von ihm entfernen, und je mehr er ihn abstoßen will, desto weiter wird er von ihm weggetrieben werden.1 Deshalb muß man vor jedem Werke und be- S. 51 sonders vor der Lehre über die Offenbarung mit Gebet beginnen, nicht als ob wir die überall und nirgends gegenwärtige Macht Gottes zu uns herzögen, sondern indem wir durch göttliche Erinnerungen und Anrufungen uns ihr hingeben und uns mit ihr vereinigen.
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Über das Bild von der hellstrahlenden Lichtkette (πολύφωτος σειρά) vgl. die zahlreichen Anklänge in den Schriften des Proklus (Koch 184ff.). Dionysius spricht noch einmal von einer πυρὰ πολύφωτος (ep. ad Demoph. M. 1100) in andern Zusammenhange. — Die Verwendung der drei Vergleiche bezweckt, die Unveränderlichkeit Gottes bei Erhörung unserer Bitten zu zeigen. — Wenn wir von Dionysius nur das in Rede stehende 3. Kapitel § 1. über das Gebet hätten, so könnte man wohl behaupten, „daß die Gebetstheorie des Dionysius durch den Mangel an jeglichem spezifisch christlichen Gedanken auffällt und nur recht verstanden werden kann, wenn wir uns zuerst die neuplatonische Gebetstheorie vergegenwärtigen“. Aber eine andere Sprache führt Dionysius in der EH., wo er die sakramentalen Riten und Ritus der Totenbestattung erklärt. So sagt er z.B. EH. II, II. 1: Der Hierarch verkündet allen die wahrhaft frohe Botschaft, daß Gott … in seiner Menschenfreundlichkeit sich gewürdigt hat, selbst zu uns zu kommen, und daß er durch das Einswerden mit den Menschen das Geeinte nach Art des Feuers sich verähnlicht … Denn allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden usw. Hier vernehmen wir echt christliche Töne von dem kindlichen Verhältnis zu Gott, der in den Herzen Einkehr hält (ἐπιφοίτησις EH. IV, III, 11), der sich also in Güte zu den Menschen herabläßt, in liturgischen Gebeten herbeigerufen wird, in der Eucharistie sich mitteilt und in die Herzen Einkehr hält. Alles atmet da eine Gebetsatmosphäre, die einem christlichen Gemüte vertraut ist. Es ist also anzunehmen, daß Dionysius bei den Ausführungen DN. III, 1 versäumt hat, dieselben mit den anderwärts vertretenen Anschauungen auszugleichen. Man darf wohl eine Erklärung dieser Inkonsequenz darin finden, daß Dionysius bei Abfassung von DN. noch mehr in die Begriffswelt der Neuplatoniker verstrickt war als später bei Abfassung der EH., wo er in christlichen pastoralen Verhältnissen sich bewegt. ↩