31. Von den Reliquien des heiligen Märtyrers Sergius
Gundovald hielt sich damals in der Stadt Bordeaux auf, wo er vom Bischof Berthramn(2) viel Freundschaft genoß. Und da er forschte, was ihm wohl in seiner Sache helfen könne, erzählte ihm jemand, ein König im Morgenlande habe sich den Daumen des heiligen Märtyrers Sergius verschafft und den an seinem rechten Arm befestigt, und wenn er dann nicht gewußt habe, wie er sich seine Feinde vom Leibe halten solle, habe er im Vertrauen auf den Beistand des Heiligen seinen rechten Arm erhoben und sogleich habe sich die Menge der Feinde, wie von der Macht des Heiligen besiegt, zur Flucht gewandt. Da Gundovald dies hörte, ließ er sorgsam nachforschen, ob es nicht jemanden am Orte gäbe, dem es geglückt wäre, sich Reliquien vom heiligen Märtyrer Sergius zu verschaffen. Da verriet Bischof Berthramn einen Kaufmann, mit Namen Eufron, und zwar tat er dies aus Groll gegen ihn. Er hatte diesem nämlich einst Wider seinen Willen das Haar scheren lassen(3), weil er nach dessen Vermögen trachtete; Eufron S. 226 hatte sich aber nicht gefügt, sondern war in eine andere Stadt übergesiedelt und, als sein Haar wieder gewachsen war, zurückgekehrtDeshalb nun sprach der Bischof: „Es lebt hier ein Syrer(1) , mit Namen Eufron, der aus seinem Haus eine Arche gemacht hat und Reliquien dieses Heiligen dort aufbewahrt. Viele Wunder hat er schon durch den Beistand dieses Märtyrers erlebt, und als einst die Stadt Bordeaux von einer gewaltigen Feuersbrunst heimgesucht wurde, blieb dies Haus, obwohl rings von den Flammen umgeben, völlig unversehrt." Da er dies sagte, begab sich sofort Mummolus mit Bischof Berthramn eilenden Laufs zu dem Hause des Syrers, brachte ihn ins Gedränge und verlangte, er solle ihm die heiligen. Reliquien zeigen. Jener weigerte sich. Da er aber dachte, daß ihm solche Fallstricke aus irgendeiner boshaftm Absicht gelegt würden, sagte er: „Plage einen alten Mann nicht so arg und beleidige nicht den Heiligen; sondern nimm von mir hundert Goldgulden und ziehe von dannen." Jener aber bestand auf seiner Forderung, er wolle die heiligen Reliquien sehen. Da bot der Syrer zweihundert Goldgulden; doch auch so konnte er ihn nicht dazu bewegen fortzugehen, wenn ihm nicht die Reliquien gezeigt würden. Endlich ließ Mummolus eine Leiter S. 227 an die Wand legen — die Reliquien waren nämlich oben an der Wand dem Altäre gegenüber aufbewahrt — und hieß seinen Diakon(1) hinaussteigen. Als dieser die Sprossen der Leiter hinaufstieg und die Kapsel ergriff, überkam ihn ein solches Zittern, daß man glaubte, er werde nicht lebendig wieder zur Erde kommen. Dennoch nahm er die Kapsel, die, wie gesagt, an der Wand hing, und brachte sie herab. Mum-molus durchsuchte sie, fand einen Knochen von dem Finger des Helligen, und scheute sich nicht, denselben mit einem Messer zu durchhauen. Er setzte nämlich das Messer mit der Schneide darauf und schlug mit der Faust von der ändern Seite auf den Rücken. Doch so oft er ausholte, er konnte den kleinen Knochen kaum spalten, bis er endlich in drei Teile zersplitterte, die nach verschiedenen Seiten auseinander sprangen und verschwanden. Ich glaube, es war kein Liebesdienst für den Märtyrer, daß man ihtn dies antat. Eufron weinte bitterlich, und alle warfen sich zum Gebet nieder und flehten, Gott möge ihnen die Splitter zeigen, welche menschlichen Augen entschwunden waren. Nach diesem Gebet fanden sie sich wieder, und einen von ihnen nahm MumMolus an sich und ging von dannen; aber ich glaube, die Gnade des Märtyrers begleitete ihn nicht, wie sich dies auch in der Folge zeigte.
Während sie sich noch in dieser Stadt aufhielten, ließen sie den Priester Faustianus zum Bischof der Stadt Dax(2) weihen. Denn es war kurz zuvor der Bischof von Dax verstorben, und der Graf dieser Stadt, Nicetius, ein Bruder des Bischofs Rusticus von Vicus Julii(3), hatte eine Verordnung von König S. 228 Chilperich zu erlangen gewußt, daß er, nachdem er die Tonsur erhalten hätte, zum Bischof in jener Stadt eingesetzt werden sollte. Aber Gundovald, der alle Verordnungen Chilperichs ungültig zu machen trachtete, ließ die Bischöfe zusammenrufen und Faustianus weihen. Bischof Berthramn hegte jedoch, obwohl er Metropolit war(1) , Besorgnisse wegen der Zukunft und trug deshalb dem Bischof Palladius von Samtes auf, ihn zu weihen. Überdies litt er auch zu jener Zeit an triefenden Augen. Es war bei der Einweihung auch der Bischof Orestes von Bazas(2) zugegen, stellte dies jedoch nachher vor dem Könige in Abrede.