33.
Es lebte einst bei Antiochien die heilige Pelagia, ungefähr fünfzehn Jahre alt, die Schwester von Jungfrauen und selbst Jungfrau. Diese schloß sich zuerst, als das Zeichen zur Verfolgung gegeben war, zu Hause ein. Als sie sich rings von den Nachstellern ihres Glaubens oder auch ihrer Reinheit umlagert sah, fern von Mutter und Schwestern, des Schutzes bar, doch um so mehr Gottes voll, sprach sie: „Was tun, Opfer der Jungfräulichkeit, als dich vorsehen? Es verlangt dich einerseits zu sterben, es bangt dir andrerseits davor, weil hier der Tod nicht entgegenzunehmen, sondern herbeizuführen ist. Laßt uns sterben, wenn es angeht, ja laßt uns sterben, selbst wenn man es nicht angehen lassen will! Gott wird durch das Rettungsmittel nicht beleidigt, und die Tat befreit den Glauben von drückender Not. Fürwahr, wenn wir die Bedeutung des Begriffes S. 384 ‚freie Willenskraft‘ bedenken, so liegt die größere Kraft im Sterbenwollen und nicht im Sterbenkönnen. Wir brauchen auch keine Schwierigkeit besorgen. Gibt es denn jemand, der sterben will und es nicht kann? Führen doch so viele Wege jäh zum Tod. Stürze ich mich jetzt da hinab, werde ich zum Sturz der götzendienerischen Altäre beitragen, mit meinem Blute das lodernde Opferfeuer darauf auslöschen. Ich erspare mir die Furcht, es möchte die Rechte versagen und den Todesstoß nicht führen, oder die Brust der schmerzlichen Wunde sich entziehen. Zu keiner Sünde will ich dem Fleische Gelegenheit lassen. Mir braucht auch nicht bangen, daß es an einem Schwerte gebricht. Wir können mit unseren eigenen Waffen den Tod herbeiführen, können ohne den Gnadenstoß des Henkers ihn herbeiführen, schon im Mutterschoß.“