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Leo (sendet) dem Flavianus, dem Bischofe Konstantinopel (seinen Gruß).
Nachdem die Unsrigen, welche wir zu euch in der Glaubensangelegenheit entsandten, schon abgereist waren, erhielten wir durch unseren Sohn, den Diakon Basilius S. 243 das Schreiben deiner Liebe,1 in welchem du gar zu wenig über die Angelegenheit unseres gemeinsamen Kummers erwähntest, da uns die vorher2 überbrachten Akten über alles hinlängliche Aufklärung gegeben hatten und zu einer vertraulichen Anfrage die Besprechung mit dem Obengenannten geeignet war, durch welchen wir nun, in Erwiderung deiner Ansprache, deine Liebe bei der Gnade Gottes, auf welche wir vertrauen, ermahnen, indem wir uns der Worte des Apostels bedienen und sagen:3 „Lasset euch in nichts von den Widersachern abschrecken, was für sie eine Ursache des Verderbens, für euch aber des Heiles ist.“ Denn was ist so verderblich, als durch die Leugnung der Wahrheit der Menschwerdung Christi alle Hoffnung des menschlichen Heiles vernichten zu wollen und dem deutlichen Worte des Apostels zu widersprechen.4 „Groß ist das Geheimnnis der Gottseligkeit, welches geoffenbart ward im Fleische“? Was ist so ruhmvoll, als gegen die Feinde der Geburt und des Kreuzes Christi für den evangelischen Glauben zu kämpfen? Was über dessen ganz reines Licht und unbesiegbare Kraft in unserem Herzen walte, haben wir schon in dem an deine Liebe gerichteten Schreiben dargetan, damit über das, was wir nach der katholischen Lehre lernten und lehren, bei euch gar kein Zweifel bestehen könne. Weil aber die Beweise der Wahrheit so klar und so kräftig sind, S. 244 dass der für allzu blind und allzu verhärtet gehalten werden muss, der sich bei dem Glanze des Lichtes und der Begründung nicht sogleich der Finsternis entzieht, so wollen wir auch das Heilmittel deiner Geduld herbeiziehen, damit durch die väterlichen Zurechtweisungen diejenigen den Oberen gehorchen lernen, welche dem Leibe nach Greise, dem Geiste nach Unmündige sind. Wenn sie dann die Torheit ihres Unverstandes abgelegt haben und sich bekehren und, nachdem sie allen Irrtum verurteilt haben, den wahren und einzigen Glauben annehmen, so soll ihnen die Erbarmung des bischöflichen Wohlwollens nicht versagt werden; hingegen soll das vorangegangene Urteil in Kraft bleiben, wenn die mit Recht verurteilte Gottlosigkeit in ihrer Bosheit verharrt. Gegeben am 23. Juli unter dem Consulate des Asturius und Protogenes, der erlauchteste Männer.
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Gegen Quesnell, welcher meint, es sei hiermit auf das zweite Schreiben des Flavianus an Leo (nach Quesnell’s Ansicht das oben als 22. angeführte) hingewiesen, erklären die Ballerini (I. p. 887 not. 2.) mit Recht, das Leo weder von diesem noch von dem anderen (26.) Briefe des Flavianus sagen konnte, dass dieser über die Angelegenheit des Eutyches zu wenig erwähnt habe, dass man vielmehr hier an ein drittes, verlorengegangenes Schreiben denken müsse, welches Basilius im Juli 449 überbrachte, und das der Papst sogleich beantwortete, weil Flavianus bat, seinen Diakon bald zurückzuschicken. ↩
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Mit dem 22. u. 26. Briefe. ↩
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Phil 1:28. ↩
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1 Tim 3:16. ↩