II. Kapitel: Vom heiligen Papst Johannes
Als zur Gotenzeit der hochselige römische Papst Johannes1 zu dem Kaiser Justinus dem Älteren reiste und in die Gegend von Korinth kam, mußte ihm für die Weiterreise ein Reitpferd beschafft werden. Das hörte ein Edelmann daselbst und brachte ihm ein Pferd, das seine Frau zu reiten pflegte, da es sehr fromm war; er sollte es aber, wenn er anderswo ein passendes Pferd gefunden hätte, seiner Frau wegen wieder zurückschicken. So geschah es. Auf jenem Pferd gelangte der Papst S. 111 an einen bestimmten Ort, und sobald er dort ein anderes Pferd gefunden halle, schickte er das geliehene wieder zurück. Als nun die Gemahlin des Edelmannes dasselbe nach ihrer Gewohnheit wieder besteigen wollte, vermochte sie es nicht, weil sich das Pferd sträubte, eine Frau zu tragen, nachdem ein so großer Papst darauf geritten war. Durch mächtiges Schnauben und Wiehern und mit unaufhörlichem Schütteln des ganzen Körpers gab es gleichsam sein Mißbehagen kund und wollte sagen, daß es nach dem Papste keine Frau mehr reiten lassen wolle. Ihr Mann war klug, erkannte den Sachverhalt und ließ das Tier zum ehrwürdigen Manne zurückbringen mit der inständigen Bitte, das Pferd nun völlig in Besitz nehmen zu wollen, nachdem es durch den Ritt ihm schon zu eigen geworden war. Von ihm erzählen unsere älteren Leute oft noch ein anderes Wunder. Als er nämlich in Konstantinopel an das sogenannte goldene Tor kam und ihm eine Menge Volkes entgegenging, gab er einem Blinden auf sein Flehen vor dem ganzen Volke das Augenlicht wieder und verscheuchte durch Handauflegung die Finsternis von seinen Augen.
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Johannes I. 523-526. Sein Fest wird am 27. Mai gefeiert. Justinus I., der von 518-527 regierte, verbot 525 den arianischen Kult. König Theoderich war darüber ungehalten, ließ Papst Johannes nach Ravenna kommen und sandte ihn zum Kaiser nach Konstantinopel, damit dieser die Edikte zurücknehme. Bei seiner Rückkehr wurde der Papst mit seinen Begleitern von Theoderich ins Gefängnis geworfen, wo er bald darauf starb. ↩