VI. Kapitel: Von Cassius,1 Bischof von Narni
Gregorius. Auch das, Petrus, will ich nicht verschweigen, was mir viele, die jetzt aus der Stadt Narni2 hier leben, lebhaft bezeugen. Als nämlich gleichfalls zur Gotenzeit der vorgenannte König Totila nach Narni kam, ging ihm Cassius, der Bischof dieser Stadt, ein Mann von verehrungswürdigem Lebenswandel, entgegen. Er hatte von Natur aus immer ein rotes Gesicht; Totila hielt das aber nicht für eine Naturanlage, sondern für die Folge beständigen Trinkens und ließ ihn seine ganze Verachtung fühlen. Aber damit der allmächtige Gott zeigte, wie groß der Mann war, der also verschmäht ward, fuhr der böse Geist auf dem Felde von Narni, wohin der König gekommen war, vor dem ganzen Heere in seinen Schwertträger3 und quälte ihn grausam. Man führte ihn vor den Augen des Königs zum ehrwürdigen Cassius; der Mann Gottes betete und trieb durch das Kreuzzeichen den bösen Feind aus, der es fernerhin nicht mehr wagte, in ihn zu fahren. So S. 116 kam es, daß der Barbarenkönig von jenem Tage an den Diener Gottes aufrichtig verehrte, den er vorher wegen seines Gesichtes für sehr verächtlich gehalten hatte. Weil er in ihm einen Mann von so großer Wunderkraft sah, legte sein wildes Gemüt den hochfahrenden Stolz gegen ihn ab.