XXIV. Kapitel: Von Theodorus,1 dem Mesner der Kirche des heiligen Apostels Petrus in Rom
Gregorius. Es sind noch einige am Leben, die den Küster dieser Kirche, Theodorus, gekannt haben, durch dessen Erzählung etwas sehr Merkwürdiges, das ihm begegnete, an die Öffentlichkeit kam. Einmal war er nämlich in der Nacht sehr früh aufgestanden, um die Lichter nächst der Türe zu versorgen; er stand wie gewöhnlich auf einer hölzernen Staffelei unter einer Ampel und richtete das Licht. Da stand plötzlich unten auf dem Pflaster der selige Apostel Petrus in einem weißen Gewände und sprach zu ihm: „Mitbefreiter, warum bist du so früh aufgestanden?” Nach diesen Worten entschwand er den Augen des Angeredeten. Aber es befiel diesen ein so großer Schrecken, daß ihn alle Körperkraft verließ und er viele Tage nicht vom Bette aufstehen konnte. Was wollte der selige Apostel anders bei dieser Erscheinung, als seinen Dienern zeigen, daß er selbst zugegen sei und nachschaue, und daß er selbst immer ohne Unterlaß sehe, was sie zu seiner Verehrung tun, um ihnen den Lohn dafür zu geben?
Petrus. Mir kommt nicht so fast das als Wunder S. 154 vor, daß er erschienen ist, sondern vielmehr, daß der, der ihn sah, krank wurde, da er doch vorher gesund gewesen.
Gregorius. Wie kannst du dich darüber wundern, Petrus? Hast du etwa vergessen, daß der Prophet Daniel nach jener großen und schrecklichen Vision, die ihn erzittern machte, beifügte: „Und ich, Daniel, ward schwach und sehr viele Tage lang krank”?2 Denn das Fleisch kann das, was des Geistes ist, nicht fassen. Wenn deshalb bisweilen die menschliche Seele über sich hin aus zur Beschauung geführt wird, so muß dieses fleischliche Gefäß, das die Schwere des Talentes nicht tragen kann, darunter leiden.
Petrus. Deine deutliche Begründung hat mir meinen Gedankenskrupel verscheucht.