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Bibliothek der Kirchenväter
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Œuvres Zénon de Vérone (300-371) Sermones seu Tractatus Predigten und Ansprachen (BKV)
Buch 2

Traktat IX. Von der Geburt und Majestät des Herrn.

1. Nach der Verheißung, die Gott und seine Propheten gegeben, daß er zur rechten Zeit dem Menschengeschlecht seinen Sohn als Erlöser senden werde, legte derselbe, als die Zeit erfüllt war, auf eine Weile seine Herrlichkeit, doch nicht seine Macht ab, verließ den Himmel und trat unbemerkt als keuscher Gast in das Heiligtum des jungfräulichen Tempels (Schoßes), das als seine Wohnstätte schon vorausgesagt war; dort gestaltete er sich so, wie er sein wollte. Ja, in der Verborgenheit schreitet er zur Ausführung des Werkes, über das er schon lange seine S. 224 Bestimmungen getroffen. Freiwillig ruht er in dem gesegneten Heim der Keuschheit; und im Schoß der heiligen Jungfrau bereitet er sich einen Leib, um nach seinem Ratschluß geboren zu werden. Dem Menschen völlig angeglichen, birgt sich Gott in der Hülle des Fleisches; er, der die Zeiten in Ewigkeit wandelt, entleiht sein menschliches Leben von der Zeit, Was für ein Wunder! Maria empfängt von dem, den sie gebiert. Ihr Mutterschoß füllt sich durch die (göttliche) Majestät, nicht durch (menschlichen) Samen; eine Jungfrau umschließt ihn, den die Welt und ihre Fülle nicht faßt.1 Während dieser Zeit bringen ihre (menschlichen) Organe ihren eigenen Schöpfer zur Entwicklung, und das geschaffene Werk (Maria) bekleidet seinen eigenen Bildner mit menschlicher Gestalt. Maria gebiert nicht in Schmerz, sondern in Freude. Es wird ein Sohn geboren ohne Vater und doch auch nicht ganz Sohn der Mutter; denn er verdankt es sich selbst, daß er empfangen ward; und es ist sein Geschenk an die Mutter, daß er geboren ward. Sie selbst staunt am meisten, daß aus ihr ein solcher Sohn hervorgegangen; man würde nicht glauben, daß er von ihr geboren wäre, wenn sie nicht ebenso, wie sie Jungfrau war nach der Empfängnis, es ebenso geblieben wäre nach der Geburt.

2. Das ist eine neue Weltordnung! Durch die Liebe zu seinem Ebenbild läßt sich Gott bestimmen, ein Kind zu werden, das da weint. Er, der gekommen, die Schuld der ganzen Welt zu lösen, läßt sich in Windeln wickeln. In die Krippe eines Stalles läßt.er sich legen, um anzuzeigen, daß er Hirt und Weide sein werde für die Völker. Er, dessen Ewigkeit den Begriff von Alter ausschließt, unterwirft sich den Stufen des Alters. Im Widerspruch mit seinem (göttlichen) Bewußtsein nimmt er S. 225 wie ein schwacher Mensch alle Leiden auf sich; er tut es, damit dem Menschen, der dem Gesetz des Todes verfallen war, die Unsterblichkeit zuteil werde. Denn darin besteht die Macht Gottes, daß er sein kann, was er nicht ist, und doch bleibt, was er ist. Er ist unser Gott, der gleich ewige Sohn des ewigen Vaters. Er ist Gott und Mensch; denn er steht in der Mitte zwischen dem Vater und den Menschen und zeigt in seinen Schwachheiten die Wirklichkeit seines Fleisches, in seinen Wundertaten die Wirklichkeit seiner Majestät. Er ist unsere Sonne,2 die wahre Sonne, die die helleuchtenden Feuer der Welt, die Brüder der Sterne und der glänzenden Himmelsstriche an der Fülle des eigenen Lichtes entzündet. Er, der einmal untergegangen ist, ist auch wieder aufgegangen, um nie mehr unterzugehen. Ja, er ist es, den der Kranz der zwölf Sterne,3 nämlich der zwölf Apostel, umgibt, den auf der Umfahrt um die ganze Welt nicht vier stumme Tiere,4 sondern die vier Evangelien in ihrer heilbringenden Verkündigung führen. Die Macht, die seinem Kleid und seinem Wagen eigen ist, hat der Prophet ausgesprochen, wenn er sagt: "Gott wird wie ein Feuer kommen, und sein Wagen wird wie ein Sturmwind sein, um Rache zu nehmen in seinem Zorne." 5 S. 226


  1. Capit virgo, quem mundus mundique non capit plenitudo. Vgl. Die Offiziumsresponsorien: Quem coeli capere non poterant, tuo gremio contulisti; ferner: Quem totus non capit orbis, in tua se clausit viscera. ↩

  2. Vgl. über Christus als Sonne: F. J. Dölger, Sol salutis. Münster i. W. 1920. ↩

  3. Gemeint sind die 12 Sternbilder des Tierkreises. Vgl. auch Offenb. 12, 1. ↩

  4. Gemeint die vier Pferde des Sonnenwagens. ↩

  5. Is. 66, 15. ↩

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Predigten und Ansprachen (BKV)

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