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Bibliothek der Kirchenväter
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Œuvres Zénon de Vérone (300-371) Sermones seu Tractatus Predigten und Ansprachen (BKV)
Buch 1
Traktat III. Die Gerechtigkeit.

1.

Vielleicht möchte einer von meinen gelehrten Zuhörern laut lachen, wenn ich, ein Mann so ganz ungelehrt und unberedt, etwas über Gerechtigkeit zu sprechen wage, ein Gebiet, über dessen Eigenart durch Begabung und Gelehrsamkeit hervorragende Männer in dicken Bänden nichts Sicheres herauszustellen vermochten. Aber ich möchte mich nicht darum kümmern, wie sich jemand über mich lustig macht. In der Kirche Gottes erwartet man nicht geschminkte Rede, sondern reine Wahrheit.1 Und von der Wahrheit sind diejenigen nicht ohne ihre Schuld abgekommen, die da glaubten, die Gerechtigkeit Gottes bestehe in den Künsten der Beredsamkeit, Und weil sie dieselbe in ihrem Wesen nicht zu fassen vermochten (sie konnten das nicht ohne die Lehre der göttlichen Weisheit, und von ihr hatten sie keine Kenntnis), erklärten sie, daß es zweierlei Arten von Gerechtigkeit gebe, die bürgerliche und die natürliche;2 auf diese beiden Arten spielte der Apostel ganz klar an, wenn er an die Römer schrieb: „Da sie die Gerechtigkeit Gottes nicht kennen und ihre eigene aufstellen wollen, unterwerfen sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht.“3 Aber da sie von einem zukünftigen Leben nichts halten, nur das im Auge haben, was für das gegenwärtige Leben frommt, und so gegenüber der wahren Gerechtigkeit ihre falsche als die wahre vertreten, haben sie beide Formen der Gerechtigkeit, die sie schon in Händen hatten, sehenden Auges verloren: sie verlieren die Gerechtigkeit Gottes; denn sie halten dieselbe für eine Torheit, weil sie mit aller Kraft darauf hinarbeitet, mehr dem Nebenmenschen zu nützen als sich selbst, nicht nur mit dem Opfer des eigenen Vermögens, sondern, wenn es sein muß, sogar des eigenen Lebens; und sie verlieren ihre eigene Gerechtigkeit; denn auch der größte Tor kann nicht leugnen, daß diese Gerechtigkeit, wenn sie sich auch fälschlich mit dem Namen Weisheit deckt, in Wirklichkeit Ungerechtigkeit ist, weil sie nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist, was sich ohne Schädigung von andern schlechthin nicht durchführen läßt,


  1. Die Korrektur Giuliaris: sermo, sed veritas pura an Stelle des Textes der bisherigen Ausgaben: sermo, et non veritas pura entspricht dem Sinn. ↩

  2. Vgl. zum Folgenden besonders Lactantius, Divin, instit. V, 14—17; genannt c. 16 Carneades: eius disputationis summa haec fuit: iura sibi homines pro utilitate sanxisse... proinde aut nullam esse iustitiam aut, si sit aliqua, summam esse stultitiam, quoniamsibi noceret alienis commodis consulens etc. ↩

  3. Röm. 10,3. ↩

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Predigten und Ansprachen (BKV)

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