3.
Inzwischen verschönt sie sich in Anwendung wunderbarer Künste und sucht sich ein Aussehen zu geben, das sie nicht hat. Sie trägt Farben auf sich selbst auf, und in Verwendung mannigfacher künstlicher Schminke eines Lehrmeisters für Verschönerung verhüllt sie ihr Antlitz unter fremden Zügen in der Absicht, nicht das zu sein, was die Natur aus ihr gemacht, sondern was ihr eine augenblickliche Laune beim prüfenden Blick in den Spiegel nahelegt. Bald verbessert, bald zerstört sie die Züge wieder, an denen sie vorher Gefallen gefunden, bald trägt sie andere ein, bald schafft sie ganz neue. So durch S. 96 das Werk ihrer Hände eine Hydra von Erscheinungen geworden, schreitet sie einher, allezeit frech, da sie ja unter den aufgetragenen Farben nicht erröten kann, fremd der Liebe der Hausgenossen, fremd der Liebe des Gatten, fremd sich selbst — denn was immer wechselt, kann nicht bekannt, kann nicht echt sein. Außerdem liebt sie niemals Gott; denn sie weiß, daß er ein Feind ist ihres Tuns. Sie ist vielmehr eine Sklavin des Teufels; denn sie hat sein Reich in Besitz. Denn sie hat selbst Götter geboren, hat selbst solche zur Welt gebracht, durch die oder in deren Namen der Teufel angebetet wird, aus deren Taten ihre Abstammung sich ergibt. Sie hat den Juppiter durch unzählige verschiedenartige Verbrechen zum höchsten Gott gemacht. Sie hat den Herkules, schlimmer als seine Stiefmutter, durch die Wollust der Omphale schmählich besiegt, ihn, den eine furchtbare Schar von Ungeheuern nicht zu besiegen vermocht hatte. Sie hat die Venus nach vielen Ehebrüchen der ganzen Welt zum Schauspiel bloßgestellt, wie sie am ganzen Körper entkleidet, nur mit den hohlen Händen sich zu bedecken sucht und so auf die Blöße ihrer Seele und ihres Körpers hinweist. Es ist nicht nötig, in Einzelheiten einzugehen. Es war auch das für die Behandlung nicht geziemend — aber es war notwendig, um die Macht der Unkeuschheit zur Darstellung zu bringen, so daß jeder erkennen kann, daß die Wollust in Beziehung steht zum Götzendienst. Ja, ich sage: sie verwandelt die Grüfte der Toten in Tempel, Grabhügel in Altäre, Leichen in Götzenbilder, Totenfeier in Opferfeste, Volksgebräuche in gottesdienstliche Handlungen. So riß sie die Menschheit von der Verehrung Gottes los, indem sie ihr in angenehmer, lockender Art einredete, man müsse das schändliche Tun von schändlichen Menschen feiern und nachahmen.