Traduction
Masquer
Leben des heiligen Bekennerbischofs Martinus von Tours (BKV)
9.
Ungefähr zur selben Zeit wurde er auf den bischöflichen Stuhl von Tours1 verlangt. Allein es war kein Leichtes, ihn seinem Kloster zu entreißen. Rusticius, einer der Bürger, warf sich ihm daher bittend zu Füßen; er gab vor, seine Frau sei krank, So vermochte er ihn zum Fortgehen zu bewegen. Scharen von Bürgern hatten sich unterwegs aufgestellt; wie unter Ehrengeleite wurde Martinus so nach der Stadt geführt. Eine unglaublich große Menge hatte sich aus dieser Stadt wie auch aus den benachbarten Ortschaften zur Bischofswahl2 eingefunden. Ein Verlangen, ein Wunsch, eine Überzeugung beseelte sie alle, Martinus verdiene am meisten die bischöfliche Würde; glücklich sei die Kirche, die einen solchen Oberhirten erhalte. Doch einige Laien und besonders mehrere Bischöfe, die zur Einsetzung des Oberhirten herbeigerufen waren, widersetzten sich gewissenlos. Sie sagten, Martinus sei eine verächtliche Persönlichkeit, der bischöflichen Würde sei nicht wert ein Mann von so unansehnlichem Äußern, mit so S. 31armseligen Kleidern und ungepflegtem Haar. Indes das Volk bekundete gesünderen Sinn und lachte über ihre Torheit; denn während jene einen Tadel gegen den ruhmwürdigen Mann aussprechen wollten, verkündeten sie ja doch nur sein Lob. Sie konnten nichts anderes bewirken, als was das Volk nach dem Willen Gottes im Sinne hatte. Man erzählt sich, daß unter den anwesenden Bischöfen besonders einer namens Defensor3 Widerstand erhoben habe. Es fiel allgemein auf, wie dieser in der Lesung aus dem Propheten4 deutlich getroffen wurde. Zufällig war nämlich der Lektor, der an diesem Tage hätte lesen sollen, nicht da, weil er im Gedränge des Volkes eingekeilt war. Die Altardiener kamen in peinliche Verlegenheit. Während man noch auf den Abwesenden wartete, ergriff einer der Umstehenden das Psalmenbuch und begann mit dem nächsten besten Vers, auf den sein Auge fiel. Der Vers lautete: „Aus dem Munde von Kindern und Säuglingen hast du das Lob bereitet wegen deiner Feinde, um den Feind und den Defensor5 [Rächer] zu beschämen“6 . Kaum hatte er so gelesen, da begann das Volk ein Beifallsrufen, die Gegenpartei war zuschanden geworden. Man war davon überzeugt, daß dieser Psalm auf Antrieb Gottes gelesen worden war, damit Defensor ein Urteil über seine Handlungsweise zu hören bekäme. Gott hatte durch den Mund von Kindern und Säuglingen für Martinus Lob bereitet, sein Feind aber war mit einem Schlag gebrandmarkt und überwunden7 .
-
Tours, die Hauptstadt der Provinz Lugdunensis tertia, war nach der Zerstörung durch die Barbaren [3. Jahrhundert] am Ende des 4. Jahrhunderts keine bedeutende Stadt. Ihr Umfang betrug nicht ganz 1200 m, Einwohnerzahl 5000, vgl. A. Blanchet, Les enceintes romaines de la Gaule [Paris 1907] 39 ↩
-
Damals winden die Bischöfe von Klerus und Volk gewählt. ↩
-
Bischof von Angers in der Kirchenprovinz von Tours. ↩
-
Im alten gallikanischen Meßritas hatte man außer dem Evangelium noch zwei Lesungen, eine aus dem Alten Testament [lectio prophetica] und eine aus don Briefen der Apostel; ähnlich auch in der römischen Messe bis zum 5. Jahrhundert. ↩
-
In der vorhieronymianischen Bibelübersetzung steht defensorem statt ultorem; so liest auch Paulin. Ep. XXIII, 27; XXIV, 22; Aug. [In psalm. 102, 14] fand diese Lesart in manchen Handschriften. ↩
-
Psalm 8, 8. ↩
-
Duchesne, Fastes episcopaux II [Paris 1900] verlegt die Weihe des hl. Martinus auf den 1. Juli 372, andere in das Jahr 371 oder 375. ↩
Edition
Masquer
Vita Sancti Martini
9.
(1) Sub idem fere tempus ad episcopatum Turonicae ecclesiae petebatur: sed cum erui monasterio suo non facile posset, Rusticius quidam, unus e ciuibus, uxoris languore simulato ad genua illius prouolutus ut egrederetur obtinuit. (2) Ita dispositis iam in itinere ciuium turbis, sub quadam custodia ad ciuitatem usque deducitur. Mirum in modum incredibilis multitudo non solum ex illo oppido, sed etiam ex uicinis urbibus ad suffragia ferenda conuenerat. (3) Una omnium uoluntas, eadem uota eademque sententia, Martinum episcopatus esse dignissimum: felicem fore tali ecclesiam sacerdote. Pauci tamen et nonnulli ex episcopis, qui ad constituendum antistitem fuerant euocati, impie repugnabant, dicentes scilicet, contemptibilem esse personam, indignum esse episcopatu hominem uultu despicabilem, ueste sordidum, crine deformem. (4) Ita a populo sententiae sanioris haec illorum inrisa dementia est, qui inlustrem uirum dum uituperare cupiunt praedicabant. Nec uero aliud his facere licuit, quam quod populus Domino uolente cogitabat. Inter episcopos tamen qui adfuerant praecipue Defensor quidam dicitur restitisse: unde animaduersum est grauiter illum lectione prophetica tum notatum. (5) Nam cum fortuito lector, cui legendi eo die officium erat, interclusus a populo defuisset, turbatis ministris, dum expectatur qui non aderat, unus e circumstantibus sumpto psalterio, quem primum uersum inuenit, arripuit. (6) Psalmus autem hic erat: ex ore infantium et lactantium perfecisti laudem propter inimicos tuos, ut destruas inimicum et defensorem {Ps. 8, 3}. Quo lecto clamor populi tollitur, pars diuersa confunditur. (7) Adque ita habitum est, diuino nutu psalmum hunc lectum fuisse, ut testimonium operis sui Defensor audiret, qui ex ore infantium adque lactantium, in Martino Domini laude perfecta, et ostensus pariter et destructus esset inimicus.