16. Kapitel
Eine andere Auffassung haben die Philosophen und Stoiker1, teuerster Bruder, die ja behaupten, alle Sünden seien gleich, und ein ernster Mann dürfe sich nicht so leicht erweichen lassen. Allein zwischen Christen und Philosophen ist ein gewaltiger Unterschied. Und da der Apostel sagt: „Sehet zu, daß euch niemand durch Philosophie und nichtigen Trug ausplündert2!“ so muß man alles vermeiden, was nicht von der Milde Gottes stammt, sondern aus der Anmaßung einer allzu harten Philosophie entspringt. Über Moyses aber lesen wir in der Schrift das Wort: „Und Moyses war ein überaus milder Mann3.“ Auch der Herr sagt in seinem Evangelium: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater sich euer erbarmt S. 183 hat4!“ und abermals: „Nicht die Gesunden haben den Arzt nötig, sondern diejenigen, die sich übel befinden5. Wie vermag einer die Heilkunst auszuüben, der da sagt: „Ich kümmere mich nur um die Gesunden, die keinen Arzt nötig haben?“ Unsere Hilfe, unsere Behandlung müssen wir den Verwundeten angedeihen lassen. Wollen wir auch diejenigen, die wir durch die unheilvolle Verfolgung verwundet sehen, nicht als Tote betrachten, sondern nur als Halbentseelte; denn wären sie gänzlich tot, so könnten niemals aus den nämlichen hinterher Bekenner und Märtyrer werden.