19. Kapitel
S. 185 Wenn wir seine Barmherzigkeit und Milde bedenken, dürfen wir in der Behandlung der Brüder nicht gar so herb und hart und unmenschlich sein, sondern wir müssen mit den Betrübten trauern und mit den Weinenden weinen und sie durch die Hilfe und den Trost unserer Liebe nach Kräften wieder aufrichten, weder so unversöhnlich und hartnäckig, daß wir ihre Buße zurückweisen, noch umgekehrt so nachgiebig und entgegenkommend, daß wir ihnen so ohne weiteres die Gemeinschaft wieder gewähren. Siehe, da liegt ein verwundeter Bruder, vom Widersacher im Kampfe getroffen. Dort versucht der Teufel, den vollends zu töten, den er verwundet hat, hier mahnt Christus, den nicht gänzlich verlorengehen zu lassen, den er erlöst hat. Wem von den beiden stehen wir bei, auf wessen Seite treten wir? Halten wir es mit dem Teufel, damit er töten kann, und gehen wir wie der Priester und Levit im Evangelium an dem halbtot daliegenden Bruder vorüber? Oder ahmen wir vielmehr als Gottes und Christi Priester das nach, was Christus nicht nur gelehrt, sondern auch getan hat, und entreißen den Verwundeten dem Rachen des Widersachers und überlassen ihn, wenn er geheilt ist, dem Gericht Gottes?