16. Der Mönch kann, ähnlich der beim olympischen Wettkampfe üblichen Sitte, die geistlichen Kämpfe nicht bestehen, wenn er im Kampfe wider das Fleisch nicht den Sieg davon getragen hat.
Ist nun durch den Hinblick auf die ewige Belohnung S. 110 die Begierlichkeit des Bauches und die Gaumenlust überwunden, so daß wir weder als Sklaven des Fleisches noch mit dem Zeichen der Laster gebrandmarkt erscheinen, so wird man uns auch der Uebernahme größerer Kämpfe für würdig erachten. Haben wir zuvor Proben unserer Tapferkeit abgelegt, so wird man uns zutrauen, auch zum Kampfe gegen die schlimmen Eigenschaften unseres Geistes fähig zu sein, obwohl nur Sieger, und zwar solche, die im Kampfe wider den Geist zu streiten verdienen, ihrer Bekämpfung für würdig erachtet werden. Denn das ist die festeste Grundlage aller Kämpfe, daß zuvor die Reize der fleischlichen Gelüste ertödtet werden. Bevor nämlich nicht das eigene Fleisch besiegt ist, kann Niemand rechtmäßig kämpfen. Und wer nicht rechtmäßig kämpft, kann ohne Zweifel sich weder an einem Kampfe betheiligen noch die Auszeichnung einer Krone und den Siegeslohn verdienen. Wenn wir nun in diesem Kampfe überwunden worden sind, so werden wir als erwiesene Knechte der Fleischeslust, und deßbalb weder das Abzeichen der Freiheit noch der Kraft tragend, als Sklaven und Unwürdige von dem Kampfe mit den Gelüsten des Geistes mit Schimpf und Schande davon gejagt werden. Denn „Jeder, der Sünde thut, ist der Sünde Knecht“.1 Auch wird man zu uns gleich Jenen, unter denen die Unzucht genannt wird, mit dem Apostel sagen:2 „Versuchung befällt euch nicht, ausser menschliche.“ Denn nach Erprobung unserer geistigen Kraft wird man uns nicht für würdig halten, schwerere Kämpfe gegen die Nichtswürdigkeit der bösen Engel zu bestehen, da wir das gebrechliche Fleisch bei seinem Widerstande gegen den Geist nicht zu unterjochen vermochten. Einige, welche das Wort des Apostels nicht verstanden, haben statt des Indicativs den Optativ gesetzt, also: „Versuchung befalle euch nicht, ausser menschliche“. Allein Dieß ist offenbar vom Apostel nicht so sehr im Tone des Wunsches als des Gebetes und Vorwurfes gesagt.