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Œuvres Jérôme de Stridon (347-420) Dialogi contra Pelagianos libri III Dialog gegen die Pelagianer (BKV)
I. Buch

14a. 14b.

C. Bis jetzt habe ich nur ziemlich einfache Fragen vorgelegt, um dich auf die schweren Probleme vorzubereiten. Was magst du zu folgenden Einwänden bemerken, die du trotz deines Scharfsinnes auf keine Weise wirst ausräumen können? Zuerst will ich vom Alten Testament, dann vom Neuen ausgehen. Im Alten Bunde tritt Moses in den Vordergrund, im Neuen unser Herr und Erlöser. Moses spricht zum Volke: „Seid vollkommen in den Augen des Herrn, eures Gottes!“1 Und der Erlöser ermahnt die Apostel: „Seid vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!“2 Entweder ist es nun den Zuhörern möglich zu tun, was Moses und der Herr vorgeschrieben haben, oder es ist unmöglich. Dann fällt die Schuld nicht auf jene, welche nicht gehorchen können, sondern auf den, der zu Unmöglichem verpflichtet.

S. 355 A. Diese Stelle macht auf Unerfahrene, welche mit der Betrachtung und dem Gebrauche der Schrift nicht vertraut sind, auf den ersten Blick den Eindruck, als ob sie deiner Auffassung günstig sei. Im übrigen ist die Schwierigkeit leicht zu lösen. Vergleiche diese Schriftstelle mit anderen, dann wird sich die Wahrheit herausstellen. Man kann nicht annehmen, daß der Heilige Geist je nach den Umständen des Ortes oder der Zeit sich widerspricht gemäß dem Schriftwort: „Ein Abgrund ruft den anderen beim Rauschen deiner Wasserfälle“3. In unserem Falle wird sich zeigen, daß Christus zwar etwas Mögliches angeordnet hat mit den Worten: „Seid vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist“4, daß aber anderseits die Apostel nicht vollkommen gewesen sind.

C. Es handelt sich bei meinen Worten nicht um das, was die Apostel getan haben, sondern was Christus angeordnet hat. Denn es trifft die Schuld nicht den Gesetzgeber, sondern sie liegt bei denen, die das Gebot gehört haben, dessen Ausführung auf jeden Fall möglich war, was sich aus der Gerechtigkeit dessen, der das Gebot erlassen hat, ergibt.

A. Gut. Ich will dich nun nicht fragen, ob der Mensch, wenn er will, ohne Sünde sein kann, sondern ob der Mensch das sein kann, was die Apostel nicht gewesen sind.

C. Hältst du mich für so töricht, daß ich wagen sollte, dies zu behaupten?

A. Wenn du es auch nicht ausdrücklich aussprichst, so ergibt sich dies nach Lage der Dinge aus deiner Darlegung mit Folgerichtigkeit, wenn auch gegen deinen Willen. Wenn nämlich ein Mensch ohne Sünde bleiben kann — die Apostel haben es augenscheinlich nicht fertiggebracht —, so würde dieser Mensch über den Aposteln stehen, um zu schweigen von den Patriarchen und Propheten, in deren Gesetz es keine vollkommene Gerechtigkeit gab, nach dem Ausspruch des Apostels: „Alle haben nämlich gesündigt und ermangeln der S. 356 Herrlichkeit Gottes, sie werden gerechtfertigt ohne Verdienst durch die Gnade Gottes, durch die Erlösung, die uns zuteil wird in Jesus Christus, den Gott hingestellt hat als Erlöser“5. 14b. C. Eine solche Beweisführung ist gewunden, erstickt sie doch die kirchliche Einfachheit in dem Dorngestrüpp der Philosophie. Was hat aber Aristoteles mit Paulus, was hat Plato mit Petrus gemein? Wie der eine der erste unter den Philosophen, so war der andere der Fürst der Apostel, auf den, wie auf ein festes Fundament, die Kirche des Herrn gegründet ist, die weder der gepeitschten Meeresflut noch dem heulenden Sturmwind zum Opfer fallen kann6.

A. Du sprichst ja nach Art der Rhetoren. Mir wirfst du vor, daß ich zum Philosophen werde, und du selbst versteigst dich in das Gebiet der Rhetorik. Beachte, was ein dir bekannter Redner sagt: „Laß ab von Gemeinplätzen, die kann man zu Hause hören!“7

C. Ich merke hier nichts von gekünstelter Sprache, nichts von schwülstigem Ausdruck, wie sie bei den Rednern in Übung sind, deren Aufgabe es ist, angemessen zu sprechen, damit sie überzeugen. Ich suche mit ungeschminkten Worten die ungeschminkte Wahrheit. Entweder hat der Herr Vorschriften erlassen, deren Ausführung nicht unmöglich ist, so daß diejenigen Schuld auf sich laden, welche das Mögliche nicht vollbringen; oder es fällt, wenn sie nicht beobachtet werden können, die Ungerechtigkeit nicht denjenigen, welche das Unmögliche unausgeführt lassen, zur Last, sondern dem, welcher das Unmögliche gebietet, was zu behaupten gottlos wäre.

A. Ich sehe, daß du gegen deine Gewohnheit heftig erregt wirst, und deshalb will ich darauf verzichten, Beweise anzuführen. Doch werde ich dich eben um deine Ansicht fragen bezüglich einer Stelle, welche der Apostel an die Philipper schreibt: „Nicht will ich damit gesagt haben, daß ich es schon erreicht habe oder daß S. 357 ich schon vollkommen sei. Ich strebe aber darnach, es zu ergreifen, um dessentwillen ich von Christus ergriffen worden bin. Ich glaube aber, Brüder, daß ich es noch nicht ergriffen habe. Was hinter mir liegt vergesse ich, und dem, was vor mir liegt, zustrebend, eile ich zielgemäß nur auf das Eine, den Siegespreis der Berufung von oben seitens Gottes in Christo Jesu, zu. Laßt uns alle, soweit wir vollkommen sind, dies glauben! Wenn ihr aber in irgendeiner Hinsicht etwas anderes glaubt, so wird euch Gott auch dieses offenbaren“8. Da die Stelle dir zweifellos nicht unbekannt ist, will ich sie der Kürze halber nicht weiter ausführen. Nach seiner Behauptung hat es der Apostel noch nicht erreicht, ist auch keineswegs vollkommen, sondern nach Art eines Bogenschützen stellt er erst seine Pfeile auf das Ziel und die Scheibe ein — die Griechen nennen sie bezeichnenderweise σκοπός [skopos] —, damit nicht das Geschoß sich nach einer verkehrten Richtung wende und so den ungeschickten Schützen verrate. Auch versichert er, daß er ständig das Vergangene vergesse und immer auf das, was vor ihm liege, abziele, um anzudeuten, daß man das Vergangene im Stiche lassen und das Zukünftige erstreben müsse. Er wendet sich also dem, was besser ist und vor ihm liegt, zu und ruft so die Überzeugung hervor, daß das, was er heute als vollkommen betrachtet, ihm morgen als unvollkommen erscheint. So lehrt er auch in den einzelnen Stadien, indem er niemals stehen bleibt, sondern beständig am Laufen sich hält, daß unvollkommen ist, was wir Menschen für vollkommen hielten. Die Vollkommenheit im eigentlichen Sinne und die wahre Gerechtigkeit könne nur von der göttlichen Kraft erreicht werden. „Zielgemäß“, sagt er, „verfolge ich den Siegespreis der Berufung von oben seitens Gottes in Christo Jesu.“9 O Apostel Paulus, verzeihe mir, wenn ich armseliges Menschenkind, das von seinen Fehlern überzeugt ist, kühnlich eine Frage an dich richte! Nach deiner Aussage hast du es noch nicht erreicht und noch nicht ergriffen, bist du noch nicht S. 358 vollkommen, vergissest du immer das Vergangene und wendest dich dem zu, was vor dir liegt, ob du vielleicht irgendwie der Auferstehung der Toten beiwohnen und den Siegespreis der Berufung von oben erhalten könnest. Wie kannst du nun sogleich fortfahren: „Alle aber, soweit wir vollkommen sind, haben diese Gesinnung oder wollen sie haben“10? (Die Lesarten sind nämlich verschieden.) Inwiefern nun sind wir des Glaubens oder sollen wir des Glaubens sein, wir seien vollkommen, wir hätten ergriffen, was wir nicht ergriffen, erreicht, was wir nicht erreicht haben, wir seien vollkommen, obwohl wir noch nicht vollkommen sind? In welchem Sinne also verstehen wir dies oder, besser gesagt, sollen wir dies verstehen, wir, die wir nicht vollkommen sind? Wir räumen ein, daß wir unvollkommen sind, und daß wir es noch nicht erreicht und ergriffen haben. In der Erkenntnis, daß man unvollkommen ist, liegt die wahre menschliche Weisheit. Überhaupt ist, wenn ich so sagen darf, die Vollkommenheit aller Gerechten, die noch im Fleische wandeln, unvollkommen. Deshalb lesen wir auch in den Sprüchen: „Zum Verständnis der wahren Gerechtigkeit“11. Wenn es nämlich nicht eine Gerechtigkeit gäbe, die nicht mit vollem Recht diesen Namen führt, dann könnte man die göttliche Gerechtigkeit niemals die wahre nennen. Und an derselben Stelle fährt der Apostel fort: „Und wenn ihr etwa anders gesinnt seid, so wird euch Gott auch dieses offenbaren“12. Etwas Ungewöhnliches höre ich. Er, der noch kurz zuvor gesagt hatte: „Nicht als ob ich es schon erreicht hätte oder bereits vollkommen wäre“13, er, der zwar als Gefäß der Auserwählung voll des Vertrauens auf Christus, der in ihm wohnt, zu schreiben wagte: „Verlangt ihr einen Beweis dafür, daß Christus in mir spricht“14, anderseits jedoch einfachhin erklärt, er sei nicht vollkommen, der läßt auf einmal das, was er für sich insbesondere abgelehnt hat, von einer ganzen S. 359 Menge gelten, gliedert sich derselben ein und spricht: „Wir alle, soweit wir vollkommen sind, wollen dieses glauben“15. Aber in welchem Sinne er dies gemeint hat, setzt er in folgendem auseinander. Wir, die wir nach dem Maßstabe menschlicher Gebrechlichkeit vollkommen zu sein streben, wollen erkennen, daß wir es noch nicht erreicht und ergriffen haben, daß wir noch nicht vollkommen sind. Und weil wir noch nicht vollkommen und vielleicht anders gesinnt sind, als es die wahre und vollkommene Vollkommenheit erheischt, wird es uns Gott offenbaren, ob wir etwas anders verstehen oder anders auffassen als die göttliche Weisheit, damit wir mit David beten und sprechen: „Öffne meine Augen, und ich will Dein wunderbares Gesetz betrachten“16.


  1. Deut. 18, 13. ↩

  2. Matth. 5, 48. ↩

  3. Ps. 41, 8 [Hebr. Ps. 42, 8]. ↩

  4. Matth. 5, 48. ↩

  5. Röm. 3, 23 ff. ↩

  6. Matth. 7, 24 ff. ↩

  7. Cicero, Acad. II, 25. ↩

  8. Philip. 3, 12—15. ↩

  9. Philip. 3, 14. ↩

  10. Phil. 3, 15. ↩

  11. Spr. 1, 3. ↩

  12. Phil. 3, 15. ↩

  13. Phil. 3, 12. ↩

  14. 2 Kor. 13, 3. ↩

  15. Phil. 3, 15. ↩

  16. Ps. 118, 18 [Hebr. Ps. 119, 18]. ↩

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