[Vorwort]
S. 383 Trotz der Entfernung des Hieronymus aus Rom wandten sich die sittlich hochstehenden Personen vor allem aus den Patrizierkreisen immer mehr der asketischen Richtung zu. Toxotius, der hl. Paula Sohn, war mit Laeta, der Tochter des heidnischen Hohenpriesters Albinus und einer christlichen Mutter, verheiratet. Anfänglich dem Christentum und vielleicht auch Hieronymus abhold, beugte sich Toxotius doch unter das Taufwasser, litt aber schwer unter verschiedenen Fehlgeburten seiner Gattin. Beide machten nun das Gelübde, nach der ersten glücklichen Geburt das Kindlein Gott zu weihen. Als eine kleine Paula zur Welt kam, wandte sich die Mutter zusammen mit Marcella an den hl. Hieronymus und bat um Anweisung für die Erziehung des Kindes. Zugleich gab sie ihrer Besorgnis über das jenseitige Los ihres Vaters Ausdruck. Hieronymus tröstet sie unter Hinweis auf die alles vermögende göttliche Gnade. Darauf folgt die erwünschte Belehrung, die uns gegen alles Erwarten verrät, daß der einsame Mönch in Bethlehem ein feines psychologisches Verständnis für die kindliche Seele hat, das in seinem zweiten pädagogischen Schreiben vielleicht noch mehr zur Geltung kommt. 1 Seine bewußt christlich eingestellte Erziehung ist etwas Neues. Alles Heidnische auch die Literatur, wird von dem Kinde ferngehalten. Bis in die S. 384 kleinsten Einzelheiten wird der Erziehungsplan aufgestellt. Bei den asketischen Anweisungen ist für eine gerechte Würdigung zu berücksichtigen, daß sie einem Mädchen gelten, welches für den jungfräulichen Stand bestimmt war. Daß dieser Umstand Hieronymus mit besonderer Begeisterung erfüllte, ist selbstverständlich. Wenn die Belehrung auch auf den Geist der damaligen Zeit zugeschnitten ist, so gehört doch manches auch heute noch zum Rüstzeug einer christlichen Erziehung. Ganz geborgen glaubt Hieronymus seinen Schützling aber erst, wenn er fern von Rom von der Großmutter und Tante erzogen wird. Er ersucht deshalb die Mutter, sich der schweren Verantwortung zu entledigen und die kleine Paula in Bethlehem erziehen zu lassen. Dort finden wir sie denn auch im Frühling 416, ohne daß wir sagen könnten, wann sie nach dem Orient gekommen ist. 2
Kulturhistorisch ist der Brief insofern von Bedeutung, als er uns Aufklärung gibt über den gewaltigen Wandel der Zeiten, in dem — es handelt sich um wenige Jahrzehnte — das Christentum das private und öffentliche Leben Roms völlig umgestaltet hat.
Der Brief muß vor Paulas Tod im Januar 404 verfaßt sein. Man hat ihn mehrfach ins Jahr 403 verlegt. Dies ist ausgeschlossen, da der Bischof Porphyrius von Gaza von Kaiser Arkadius, als dessen erster Sohn im Jahre 401 zur Welt kam, die Erlaubnis erhielt, den Tempel des Marnas zu zerstören. Diese Zerstörung stand bei Abfassung des Briefes unmittelbar bevor, 3 er muß daher im Jahre 401 geschrieben sein. 4