Text
Hieronymus an den heiligen Herrn und ehrwürdigen Bischof Augustinus.
Zu allen Zeiten habe ich zwar Euere Gnaden die ihr zukommende Ehrfurcht entgegengebracht und den in Dir wohnenden Herrn und Heiland geliebt. Aber jetzt möchte ich, wenn es ginge, dem Gipfel noch eine Spitze aufsetzen und das Volle übervoll machen. Keine Stunde soll mehr vergehen, ohne daß ich Deiner gedächte, der Du voll des Eifers für unseren Glauben dem heranbrausenden Sturmwind standgehalten hast. Du hast, soweit es an Dir lag, lieber als einziger Dich aus Sodoma retten 1 als bei denen zurückbleiben wollen, die dem Untergange geweiht waren. Du wirst ja bei Deiner Klugheit S. b468 verstehen, was ich sagen will. 2 Heil Deinem Mute! Rühmende Anerkennung des ganzen Erdkreises wird Dir zuteil. Die Katholiken preisen und verherrlichen Dich als den neuen Begründer ihres alten Glaubens. Aber ein größeres Wahrzeichen Deines Sieges ist der Abscheu, den alle Irrlehrer gegen Dich hegen. Auch mich verfolgen sie mit dem gleichen Hasse. Wenn sie uns auch mit dem Schwerte nicht umbringen können, am Willen dazu fehlt es ihnen keineswegs. 3 Möge die Gnade Christi, unseres Herrn, Dich unversehrt erhalten und mir bei Dir, dem wohlachtbaren Herrn und ehrwürdigen Bischof, ein gutes Andenken sichern!
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Gen. 14, 13. ↩
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Wahrscheinlich ein Hinweis darauf, daß es Pelagius und Caelestius beinahe gelungen wäre, den neuen Papst Zosimus durch den verfänglichen Ausdruck Gnade von ihrer Rechtgläubigkeit zu überzeugen. Dank ihrer Wachsamkeit verhinderten dies die afrikanischen Bischöfe, so daß sich der Papst in seiner „Epistola tractatoria“ der 418 zu Karthago vorgenommenen Verurteilung der Irrlehrer anschloß. ↩
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416 überfiel eine Gruppe von Mönchen pelagianischer Richtung die von Hieronymus geleiteten Klöster, deren Insassen sich in die zum Schutze gegen beduinische Einfälle errichteten Türme flüchten mußten. Hierbei wurde ein Diakon getötet, während die Gebäulichkeiten in Flammen aufgingen. Bald darauf sah sich Hieronymus gezwungen, mit den Seinigen die Flucht zu ergreifen. (Vgl S. 134 Anm. 3; Augustinus, De gestis Pelagii 66 — CSEL XXXXII 121 f. [Vrba-Zycha]). ↩