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Œuvres Thomas d'Aquin (1225-1274) Summe der Theologie
Prima Pars Secundae Partis
Quaestio 49

Dritter Artikel. Der Zustand schließt seiner Natur nach die Beziehung zur Thätigkeit ein.

a) Dies ist: I. Gegen das Princip: „Jegliches Wesen ist thätig, je nachdem es thatsächlich Sein hat.“ Denn Aristoteles (3. de anima) sagt: „Wenn jemand dem Zustande nach Wissen hat, so ist er immer noch nur dem Vermögen nach wissend; freilich in anderer Weise als ehe er überhaupt gelernt hat.“ Also liegt im Zustande nicht die Beziehung zum Thätigsein. II. Gegen die Begriffsbestimmung des „Zustandes“. Denn was in die Begriffsbestimmung eines Dinges gesetzt wird, das kommt selbem an und für sich, nämlich kraft des Wesens, zu. Nun wird ein „Vermögen“ definiert als „Princip der Thätigkeit.“ (5 Metaph.) Somit kommt es dem „Vermögen“ oder der Potenz an und für sich, kraft des inneren Wesens zu, Princip der Thätigkeit zu sein. Da also das, dem etwas an und für sich, kraft seines Wesens zukommt, in der betreffenden Seinsart an der Spitze steht, so wird, falls der Zustand seiner Begriffsbestimmung nach Princip der Thätigkeit sein soll, er erst nach und auf Grund des Vermögens als des ersten Princips der Thätigkeit es sein; und dann ist er, wie oben sein Begriff bestimmt worden, nicht mehr die erste Gattung in der Seinsart „Eigenschaft“, sondern die zweite, er ist nur potentia. III. Gegen die Erfahrung. Denn die Gesundheit ist manchmal ein Zustand und ebenso die Magerkeit oder die Schönheit. Dies Alles wird aber nicht ausgesagt mit Beziehung auf die Thätigkeit. Also zum Wesen eines Zustandes gehört es nicht, Princip oder Ausgangspunkt der Thätigkeit zu sein. Auf der anderen Seite sagt Augustin (de bono conjug. 21.): „Ein Zustand ist das, kraft dessen etwas gewirkt wird, wenn es nötig ist“; und ebenso Averroës (3. de anima): „Vermittelst eines Zustandes ist jemand thätig, sobald er will.

b) Ich antworte; ein Princip der Thätigkeit zu bilden kann dem Zustande eigen sein 1. gemäß dem Wesen des Zustandes; und 2. gemäß dem Wesen des Subjekts, welches den Zustand trägt. In der erstgenannten Weise nun kommt es jedem Zustande zu, irgendwie seiner Natur nach Beziehung zum Thätigsein zu haben. Denn es gehört zum Wesen eines Zustandes, daß er eine Beziehung einschließt zur Natur des betreffenden Dinges, insoweit er derselben entspricht oder nicht. Die Natur jedes Dinges aber, die da zuvörderst Zweck des Erzeugens oder Werdens ist, hat weiter noch Beziehung zu einem anderen Zwecke, der da entweder das Thätigsein ist oder etwas durch das Thätigsein Erreichtes. Deshalb schließt ein Zustand nicht nur Beziehung ein zur Natur des betreffenden Dinges, sondern auch zum Thätigsein, insofern dasselbe Zweck und Vollendung der Natur ist oder doch dazu führt. Aus diesem Grunde sagt Aristoteles (5 Metaph.) in der Begriffsbestimmung des „Zustandes“: „es sei danach etwas in schlechter oder guter Verfassung entweder mit Rücksicht auf die eigene Natur oder mit Rücksicht auf etwas Anderes, nämlich auf den Zweck dieser Natur.“ Es giebt jedoch Zustände, welche auch in der zweitgenannten Weise Princip der Thätigkeit sind, nämlich zugleich von seiten des Subjekts, das sie trägt. Denn, wie gesagt, schließt der „Zustand“ in sich ein die Beziehung zur Natur des betreffenden Dinges. Besteht also diese Natur selber in der Beziehung zum Thätigsein, so folgt, daß der entsprechende Zustand an erster Stelle Beziehung hat zum Thätigsein. Offenbar aber ist es dem Wesen und der Natur eines Vermögens oder einer Potenz eigen, Princip der Thätigkeit zu sein. Also jeglicher Zustand, der seinen Sitz oder sein Subjekt in einem Vermögen hat, schließt an erster Stelle die Beziehung zum Thätigsein in sich ein.

c) I. Der „Zustand“ ist etwas Thatsächliches seinem Sein nach als Eigenschaft; und danach kann er Princip der Thätigkeit sein. Er ist jedoch vermögend mit Rücksicht auf die Thätigkeit selbst; und deshalb nennt man denselben das erste Thatsächliche oder die erste Thätigkeit (actus primus), und das Thätigsein selber nennt man das zweite, das folgende Thatfächliche (actus secundus). II. Zur Natur eines Zustandes gehört es nicht, daß er auf ein Vermögen sich richtet, sondern auf die Natur selber. Und weil die Natur die erste Richtschnur ist für die Thätigkeit, welche vom Vermögen berücksichtigt wird, so steht der Zustand als Eigenschaftsgattung an erster Stelle. III. Die Gesundheit ist ein Zustand mit Beziehung allein auf die Natur; und insofern die Natur Princip der Thätigkeit ist, schließt sie folgegemäß die Beziehung zur Thätigkeit ein. Sonach sagt Aristoteles (10. de hist. anima 1.): „Der Mensch oder ein Glied ist gesund, wenn er wie ein gesunder arbeiten kann.“ Und ähnlich verhält es sich mit dem übrigen.

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