Dritter Artikel Die Tugenden sind in uns vermittelst Eingießens von oben.
a) Dem steht entgegen: I. Was die geschöpflichen Ursachen thun können, das thut nicht Gott unmittelbar, außer etwa vermittelst eines Wunders; denn Dionysius sagt (de div. nom. 8.): „Das Gesetz der Gottheit ist dies, den Abschluß durch Mittelursachen herbeizuführen.“ Die Tugenden in der Vernunft und die moralischen aber können von unseren Thätigkeiten in uns verursacht werden. Also nur die theologischen Tugenden werden von Gott in uns durch Eingießen verursacht. II. In den Werken Gottes ist noch weniger etwas überflüssig wie in denen der Natur. Um uns aber zum übernatürlichen Zwecke hinzuordnen, genügen die theologischen Tugenden. Also keine der moralischen Tugenden wird eingegossen. III. Die Natur thut nicht durch zwei Ursachen, was sie durch eine einzige thun kann. „Von Natur aber sind in uns Samenkörner von Tugenden,“ sagt die GIosse zu Hebr. 1. Auf der anderen Seite heißt es Sap. 8.: „Nüchternheit lehrt sie (die Weisheit) und Gerechtigkeit, Klugheit und Stärke.“.
b) Ich antworte; die Wirkungen müssen entsprechen ihren Ursachen und Principien. Nun gehen alle Tugenden in der Vernunft und im Begehrvermögen (also die moralischen), welche wir durch unsere Akte erlangen, aus von gewissen natürlichen Principien, die in uns vorher existieren. Da aber anstatt dieser natürlichen Principien uns von Gott verliehen werden die theologischen Tugenden, die uns hinordnen zum übernatürlichen Zwecke, so folgt, daß diesen von Gott selbst gegebenen übernatürlichen Principien entsprechen auch andere Zustände, die Gott unmittelbar in uns wirkt, und die sich so verhalten zu den theologischen Tugenden wie sich die moralischen Tugenden verhalten und die in der Vernunft zu den natürlichen Principien der Tugenden.
c) I. Die von uns selbst verursachten Tugenden in der Vernunft und im Begehren stehen nicht im gebührenden Verhältnisse zu den theologischen Tugenden; und deshalb müssen andere unmittelbar von Gott in uns verursacht werden. II. Die theologischen Tugenden ordnen uns zu Gott hin wie ein gewisser Anfang; nämlich zu Gott unmittelbar. Durch andere eingegossene Tugenden aber wird unsere Seele vollendet in Beziehung zu Gott mit Rücksicht auf die anderen Dinge. III. Die Kraft jener mit der Natur gegebenen Principien erstreckt sich nur auf den Bereich der Natur. Mit Rücksicht auf den übernatürlichen Zweck aber bedarf der Mensch der Vollendung vermittelst anderer hinzugefügter Principien.