Fünfter Artikel. Das Zufällige in der Natur unterliegt dem ewigen Gesetze.
a) Das Gegenteil läßt sich beweisen: I. Die Veröffentlichung gehört zum Wesen des Gesetzes. Diese geschieht aber nur gegenüber der vernünftigen Kreatur. Also nur diese unterliegt dem ewigen Gesetze. II. „Was der Vernunft gehorcht, das nimmt teil in etwa an der Vernunft;“ sagt Aristoteles. 1 Ethic. ult. Da also die natürlichen Zufälligkeiten in nichts an der Vernunft Anteil haben, sondern durchaus vernunftlos sind, gehorchen sie auch nicht dem ewigen Gesetze, welches die göttliche Vernunft selber ist. III. Das ewige Gesetz ist im höchsten Grade wirksam. In dem Zufälligen der Natur aber kommen Mängel und Schwächen vor. Auf der anderen Seite heißt es Prov. 8.: „Da Er dem Meere seine Grenze zog und sein Gesetz den Wassern auflegte, daß sie ihre Grenzen nicht überschreiten.“
b) Ich antworte, das Gesetz des Menschen erstrecke sich wohl nur auf die vernünftige Kreatur, die dem Menschen unterliegt; nicht aber so das Gesetz Gottes. Und der Grund davon ist der: Das Gesetz ist die leitende Richtschnur der Thätigkeiten, welche den der Leitung jemandes Untergebenen zukommen, so daß niemand im eigentlichen Sinne seinen eigenen Thätigkeiten ein Gesetz auflegt. Was aber geschieht rücksichtlich des Gebrauches der vernunftlosen dem Menschen unterworfenen Dinge, das vollzieht sich vielmehr durch die Thätigkeit des betreffenden Menschen selber, der diese Dinge in Thätigkeit setzt, da solche Dinge nicht sich selbst bestimmen. (Kap. 1, Art. 2.) Und danach legt der Mensch den vernunftlosen Dingen kein Gesetz auf, mögen sie auch noch so sehr ihm unterworfen sein. Den ihm untergebenen vernünftigen Wesen aber kann er Gesetze auflegen, indem er ihrem Geiste durch seine Vorschrift oder seine Ankündigung eine gewisse Regel einprägt, die das Princip des Thätigseins ist. So aber prägt Gott der ganzen Natur die inneren Principien der ihr eigenen Thätigkeiten ein; und so schreibt Gott der ganzen Natur vor, nach Ps. 148: „Die Vorschrift setzte Er fest und sie wird nicht vorübergehen.“ Und so werden auch alle Bewegungen und Thätigkeiten der ganzen Natur dem ewigen Gesetze unterworfen. Einigermaßen also unterliegen die vernunftlosen Kreaturen dem ewigen Gesetze, insoweit sie in Bewegung gesetzt werden von der göttlichen Vorsehung; nicht aber unterliegen sie wie die vernünftigen Kreaturen dadurch daß sie das göttliche Gebot vernünftig auffassen.
c) 1. So verhält sich das Einprägen der inneren Thätigkeitsprincipien zu den natürlichen Dingen, wie die Veröffentlichung des Gesetzes zu den Menschen; denn durch letztere wird den Menschen eben eine Richtschnur für ihre Thätigkeiten eingeprägt. II. Die vernunftlosen Kreaturen haben im Wege des Gehorsams Anteil an der göttlichen Vernunft; denn weiter erstreckt sich die göttliche Vernunft wie die Kraft der menschlichen. Und wie die Glieder des menschlichen Körpers bewegt werden gemäß dem Gebote der Vernunft, trotzdem aber keinen Teil haben an der Vernunft, insoweit sie vernunftlos bleiben; denn sie empfangen in sich keine Auffassung, die zur Vernunft Bezug hätte; — so werden die vernunftlosen Kreaturen von Gott in Bewegung gesetzt und doch bleiben sie vernunftlos. III. Die Mängel und Schwächen im Bereiche des Natürlichen sind zwar außerhalb der Ordnung der beschränkten Ursachen; nicht aber außerhalb der Leitung von seiten der allgemeinen und zumal Gottes, der ersten Ursache, deren Bereich nichts entgeht; vgl. I. Kap. 22, Art. 2. Das ewige Gesetz aber ist eben der leitende Grund in der göttlichen Vorsehung. Diese Mängel also unterliegen dem göttlichen Gesetze.