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Œuvres Thomas d'Aquin (1225-1274) Summe der Theologie
Prima Pars Secundae Partis
Quaestio 105

Zweiter Artikel. Der Grund für die gesetzlichen Bestimmungen rücksichtlich der gegenseitigen Beziehungen unter den Menschen.

a) Diese Vorschriften waren nicht zulässig. Denn: I. Nach dem Gesetze konnte der eine nehmen, was dem anderen gehörte; so heißt es Deut. 23.: „Bist du in den Weinberg deines Nächsten getreten, so iß, wie viel dir gefällt.“ Das aber trägt nicht zum Frieden bei. II. Viele Staaten und Reiche gehen dadurch zu Grunde, daß der Besitz an die Weiber kommt, nach 2 Polit. 7. Dies aber ward durch das Gesetz eingeführt (Num. 27.): „Stirbt der Mann, ohne einen Sohn zu hinterlassen, so geht die Erbschaft an die Tochter über.“ III. Die menschliche Gesellschaft stützt sich besonders darauf, daß die Menschen durch den Kauf und Verkauf sich die Dinge mitteilen, deren sie bedürfen. Das Gesetz aber nahm dem Verkaufe seine Geltung; denn im fünfzigsten Jahre, im Jubiläumsjahre, kehrte der verkaufte Besitz an seinen früheren Herrn wieder zurück. (Lev. 25.) Unzulässig war also eine solche Bestimmung. IV. Den Bedürfnissen der Menschen entspricht es in hohem Grade, daß man sich gegenseitig leiht. Die Bereitwilligkeit, zu leihen, sollte also nicht vermindert werden, nach Ekkli. 29.: „Viele leihen nicht, weil sie etwa boshaft wären; sondern weil sie nicht ohne Grund fürchten, betrogen zu werden.“ Das Gesetz aber verminderte diese Bereitwilligkeit. Denn Deut. 15. heißt es: „Wenn jemandem etwas geschuldet wird von einem Freunde oder von einem Mitmenschen, seinem Bruder, so soll er es nicht wiederverlangen können; denn es ist das Jahr des Nachlasses des Herrn;“ und Exod. 22.: „Wenn in Gegenwart des Herrn das geborgte Tier gestorben, ist, so ist er nicht gebunden, es wiederzuerstatten;“ ebenso Deut. 24.: „Wenn du vom Nächsten einen Gegenstand wiederverlangen willst, den er dir schuldet, so sollst du sein Haus nicht betreten, um das Pfand wegzunehmen;“ und 12.: „Nicht soll die Nacht über bei dir verbleiben das Pfand, sondern sogleich sollst du es ihm zurückerstatten.“ V. Aus der Betrügerei rücksichtlich von etwas Anvertrautem droht große Gefahr, und so muß da große Vorsicht angewandt werden; weshalb auch 2. Makk. 3. gesagt wird: „Die Priester riefen Jenen im Himmel an, der für die anvertrauten Güter ein Gebot gegeben, daß Er dieselben für jene, die sie anvertraut hätten, heil und ganz behüten wolle.“ Im Alten Gesetze wird da aber wenig Sicherheit geboten; denn Exod. 22. heißt es: „Ist ein anvertrautes Gut verloren gegangen, so wird dies festgestellt durch den Eid dessen, dem es anvertraut worden war.“ VI. Allzu hart ist die Vorschrift in Lev. 19.: „Nicht bis zum nächsten Morgen sollst du warten, daß du dem Tagearbeiter seinen Lohn giebst.“ Denn das Nämliche müßte dann gelten für das Mieten von Häusern, Ackern u. dgl. VII. Leicht muß der Zutritt zum Richter sein, da häufig die entsprechende Notwendigkeit sich einstellt. Also war es nicht zukömmlich, daß nach Deut. 17. sie an einen einzigen bestimmten Ort gehen sollten, um das Urteil abzuwarten. VIII. Unzulässig ist, was Deut. 19. gesagt wird: „Im Munde von zwei oder drei Zeugen wird jegliches Ding feststehen;“ denn mehr als zwei oder drei können sich vereinigen, um zu lügen. IX. Dem Umfange der Schuld muß die Strafe entsprechen, auch nach Deut. 25.: „Nach dem Maße der Sünde soll sein das Maß der Strafe.“ Manchen gleichen Sünden aber läßt das Gesetz entsprechen ungleiche Strafen; wie Exod. 22.: „Der Dieb wird fünf Ochsen erstatten für einen und vier Schafe für eines.“ Manche nicht so schwere Sünden finden ebenso schwere Strafe, wie nach Num. 15. gesteinigt wurde, der am Sabbath Holz gesammelt hat; auch der ungehorsame Sohn soll für kleinere Vergehen, „weil er Festgelagen beiwohnte“ gesteinigt werden. (Deut. 21.) Also hat das Gesetz unangemessene Strafen. X. Augustin sagt (21. de civ. Dei 11.): „Von acht Arten gesetzlicher Strafen schreibt Cicero: „Strafe am Eigentum, Gefängnis, Schläge, Wiedervergeltung mit Gleichem, Schande, Verbannung, Tod, Sklaverei.“ Strafe am Eigentum nun ist im Gesetze vorgesehen, wonach der Dieb das Vier oder Fünffache ersetzen soll; Gefängnis, nach Num. 15., wonach jemand in den Kerker geworfen wird; Schläge in Deut. 25.: „Wenn sie sehen, daß der Frevler Schläge verdient hat, so sollen sie ihn niederlegen und vor ihrem Antlitze schlagen lassen;“ Schande war dem vorbehalten, der die Frau des verstorbenen Bruders nicht nehmen wollte; sie nahm dessen Schuhe und spie ihm ins Antlitz; Tod ist Lev. 20. angedroht: „Wer Vater oder Mutter flucht, soll des Todes sterben;“ Wiedervergeltung mit Gleichem Exod. 21.: „Aug um Aug, Zahn um Zahn.“ Es fehlen also die Strafen der Verbannung und der Sklaverei. XI. Auch Tiere sollen bestraft werden, die doch keine Schuld haben; wie Exod. 21.: „Der Ochse, der einen Mann oder eine Frau getötet hat, soll gesteinigt werden;“ und Lev. 20.: „Ein Weib, das geschlechtlichen Umgang hatte mit einem Lasttiere, soll zugleich mit diesem getötet werden.“ Dies ist aber unzulässig. Exod. 21. wird befohlen, der Totschlag soll mit dem Tode des Menschen bestraft werden. Aber weit weniger gilt der Tod eines Tieres wie das Töten eines Menschen. Also kann die Strafe des Todes eines Menschen nicht ersetzt werden durch die Tötung eines Tieres. Unzulässiger weise also wird Deut. 21. gesagt: „Wenn der Leichnam eines getöteten Menschen gefunden wird und man kennt nicht den Schuldigen, so sollen die Ältesten der zunächstliegenden Stadt eine junge Kuh nehmen von der Herde, die noch kein Joch getragen und noch an keinem Pflug gezogen hat; und sie sollen dieselbe führen in ein Thal mit rauhem, steinigtem Boden, der niemals besäet worden ist noch gepflügt; und dort sollen sie dem Tiere den Nacken zerschlagen.“ Auf der anderen Seite wird wie über eine besondere Wohlthat über die richterlichen Vorschriften gesprochen im Ps. 147.: „Nicht so hat Er gethan jeder Nation und seine Gerichte hat Er ihr nicht geoffenbart.“

b) Ich antworte; nach Augustin (2. de civ. Dei 21.) sagt Cicero: „Das Volk ist die Vereinigung einer Menge, welche kraft rechtsgültiger Zustimmung und kraft Gemeinsamkeit im Nutzen sich zu einer Einheit verbunden hat.“ Somit gehört es zum Wesenscharakter eines Volkes, daß diese Gemeinschaft von Menschen durch Gesetze geregelt werde, welche die gegenseitigen Interessen der betreffenden Menschen nach der Richtschnur des Rechtes regeln. Nun besteht eine doppelte Gemeinschaft der Menschen untereinander: die eine vollzieht sich unter und kraft der leitenden Autorität der Fürsten; die andere vermittelst des Privatwillens einzelner Personen. Und weil der Wille eines jeden darüber bestimmt, was seiner Gewalt unterliegt, deshalb muß kraft der Autorität der Fürsten öffentlich Recht gesprochen und es müssen Strafen vollzogen werden an den Ubelthätern. Der Privatautorität des einzelnen aber unterliegen die besessenen Dinge; und somit können darin kraft eigenen Willens die einzelnen in Gemeinschaft treten durch Kauft Verkauf, Schenkung u. dgl. Beides nun ist mit Weisheit vom Alten Gesetze berücksichtigt. Denn es hat Richter eingesetzt, nach Deut. 16.: „Richter und Obrigkeiten sollst du aufstellen, daß sie mit gerechtem Urteile richten mein Volk.“' Es hat auch die zukömmlichste Rechtsordnung eingerichtet. (Deut. 1.): „Was recht ist, das urteilt; mag es einen Mitbürger betreffen oder einen Fremden, ohne Ansehen der Person.“ Es hat die Gelegenheit für einen ungerechten Richterspruch entfernt, indem es den Richtern verbot, Geschenke anzunehmen; nach Exod. 23. und Deut. 16. Die Zahl der Zeugen hat es angeordnet nach Deut. 17. u. 19.; und ebenso die Strafen für die verschiedenen Vergehen. Mit Rücksicht auf das Besitztum ist es nun am besten, wie Aristoteles sagt 2 Polit. 3., daß das, was der eine besitzt, durchaus verschieden sei von dem, was der andere besitzt; und daß die Nutznießung zum Teil kraft des Rechts gemeinsam sei, zum Teil kraft des Willens der betreffenden Besitzer geteilt werde. Und diese drei Punkte sind im Gesetze beobachtet: 1. die Besitztümer wurden einem jeden zugeteilt, wie Num. 33. gesagt wird: „Ich gab euch das Land zum Besitze, welches ihr durch das Los teilen sollt.“ Und weil durch den unregelmäßigen, stets wechselnden Besitz viele Staaten zu Grunde gehen (2 Polit. cap. 5 et 7.), deshalb wandte das „Gesetz“ ein dreifaches Heilmittel dagegen an:

a) es sollte gemäß der Zahl der Menschen gleichmäßig geteilt werden: „Wenn es mehrere an Zahl sind, sollt ihr ihnen einen größeren Landstrich geben; sind es wenigere, einen geringeren“ Num. 33; —

b) der Besitz sollte nicht für immer veräußert werden, sondern zu gegebener Zeit zum früheren Besitzer zurückkehren; damit nicht die empfangenen Landlose in Verwirrung geraten; —

c) es soll die Erbfolge geregelt sein; dem Vater soll der Sohn folgen; und fehlt dieser, die Tochter; kann das nicht geschehen, die Brüder; und an vierter Stelle der Onkel; und endlich die anderen verwandten nach dem Grade der Verwandtschaft. Damit aber der Unterschied in den Landloosen für je einen Stamm aufrecht erhalten werde, sollen die Erbtöchter Männer aus ihrem Stamme heiraten. 2. Dann stellte das „Gesetz“ fest, es sollte nach manchen Seiten hin die Nutznießung des Besessenen allen gemeinsam sein; und zwar: 1. mit Rücksicht auf die Sorge um die Erhaltung des Besitzes: „Wenn du den Ochsen oder das Schaf deines Bruders herumirren siehst, so sollst du nicht vorübergehen, sondern diese Tiere deinem Bruder wieder zuführen“ (Deut. 22.); — 2. mit Rücksicht auf die Frucht; es wurde nämlich im allgemeinen gestattet, daß wer in den Weingarten eines Bekannten eintritt, dort erlaubterweise von den Trauben essen konnte, wenn er nur nichts mit sich hinaus nehme; den Armen sollten die vergessenen Garben und übrigbleibenden Ölstengel und Weintrauben gelassen werden (Lev. 19., Deut. 24.); und was im siebenten Jahre wuchs, sollte gemeinsam sein. (Exod. 23, Lev. 25.) 3. Endlich setzte das Gesetz eine gewisse Mitteilung von den empfangenen Gütern seitens der Eigentümer fest und zwar: die eine durchaus ohne jedes Entgeld: „Im dritten Jahre wirst du beiseite lassen einen weiteren Zehnten; und der Levite und der Fremde und die Waise und Witwe werden kommen und sich sättigen“ (Deut. 14.); — die andere beruhend auf gegenseitigem Nutzen, wie Kauf, Verkauf, Leihen, Wiedererstatten etc., worüber Vorschriften im einzelnen im Gesetze. Also regelte das „Gesetz“ hinreichend und gebührend das Zusammenleben jenes Volkes.

c) I. Alle Vorschriften des Gesetzes und zumal die sich mit dem Nächsten beschäftigen, haben zum Zwecke die Liebe; nach Röm. 13, 8. Von der Liebe aber kommt es, daß Menschen sich ihre Güter gegenseitig mitteilen: „Wer da sieht, wie sein Bruder notleidet und sein Herz von ihm abschließt; wie soll die Liebe Gottes in diesem sein!“ Also suchte das „Gesetz“ die Israeliten daran zu gewöhnen, „mit Leichtigkeit vom Ihrigen mitzuteilen und zu geben.“ (1. Tim. 6.) Nicht aber mit Leichtigkeit giebt jener, der da bereits nicht dulden will, daß jemand etwas von dem ihm Zugehörigen ohne großen Schaden zu verursachen sich nimmt. Deshalb konnte der vorübergehende in den Weinberg des Nächsten eintreten und von den Trauben essen; nicht aber davon mit sich hinausnehmen, damit kein größerer Schaden entstehe. Dadurch wird ja auch unter Freunden die Freundschaft gefestigt, daß der eine vom anderen etwas annimmt. II. Nur wenn männliche Nachkommen fehlten, konnten Frauen erben. Das geschah zum Troste des Vaters, für den es traurig gewesen wäre, wenn das Erbe ganz in die Hände Fremder fiele. Jedoch mußten diese Erbtöchter in ihrem Stamme heiraten, damit der Besitz der Stämme erhalten bliebe, (Num. ult.) III. „Die feste Regelung des Besitzes trägt viel bei zur Erhaltung der staatlichen Ordnung,“ sagt Aristoteles (2 Polit. 5.); der da erzählt, wie bei manchen Völkern es Gesetz war, daß niemand seinen Besitz verkaufen durfte, wenn er ihn ohne großen offenbaren Nachteil behalten konnte. Denn wenn nach Belieben Besitztümer, also Häuser und Landgüter verkauft werden, kann es wohl vorkommen, daß sie insgesamt in die Hände weniger kommen und daß dann notwendigerweise die Stadt oder die Gegend an Bewohnern arm werde. Deshalb kam das Alte Gesetz sowohl den Bedürfnissen der Menschen zu Hilfe, indem es zugab, daß für eine gewisse Spanne Zeit der Besitz veräußert werden durfte; als auch vermied es die damit verbundene Gefahr dadurch, daß der veräußerte Besitz wieder mch einer gewissen Zeit an den Verkäufer zurückkehren mußte. Und damit verhütete es zugleich, daß die Lose der verschiedenen Stämme vermengt würden, sondern immer die nämliche Grenze für jeden Stamm bliebe. Weil aber die Häuser in den Städten nicht im erhaltenen Lose bestimmt waren, deshalb erlaubte das „Gesetz“, sie könnten für immer veräußert werden wie auch die beweglichen Güter. Denn die Zahl der Häuser war nicht gesetzlich bestimmt, wie dies statthatte bei den Landlosen der einzelnen Stämme. Handelte es sich aber um Häuser, die nicht in der Stadt waren oder nicht in einer mit Mauern umgebenen Stadt, so durften sie nicht für immer verkauft werden; denn dergleichen Häuser werden gebaut für den Kult oder für die Überwachung des Landbesitzes. IV. Das „Gesetz“ wollte die Juden daran gewöhnen, sich gegenseitig mit Leichtigkeit in der Not zu Hilfe zu kommen; die Nächstenliebe war sein Zweck. Deshalb gab es auch entsprechende Vorschriften nicht nur in den Dingen, die ohne Wiedervergeltung gegeben; sondern auch im Leihen, was ja häufiger vorkommt, denn dergleichen Beistandleistungen sind für einen größeren Teil notwendig. Die diesbezügliche Leichtigkeit dem Nächsten zu helfen, förderte das „Gesetz“ vielfach; 1. dadurch daß sie nicht sich abschrecken lassen sollten vom Leihen durch das Herannahen des Nachlaßjahres, wie Deut. 15. zu sehen ist; — 2. dadurch daß sie jenen, dem sie liehen, nicht mit Zinsen beschwerten oder als Pfänder annähmen das, was des Lebens Notdurft erfordert: „Du sollst deinem Bruder nicht unter Zinsen leihen“ (Deut. 26.); „du sollst nicht Pfandesstatt annehmen den oberen und unteren Mühlenstein, denn sein Leben ist damit verbunden“ (Deut. 24.); „hast du als Pfand genommen vom Nächsten sein Gewand; vor Sonnenuntergang sollst du es zurückgeben“ (Exod. 22.); — 3. daß sie nicht drängen sollten: „Hast du Geld geliehen meinem armen Volke, das mit dir zusammenwohnt, du sollst es nicht bedrängen, wie der Exekutor“ (Exod. 22.); „willst du von dem, welchem du geliehen hast, es zurückhaben; du sollst nicht sein Haus betreten, um ein Pfand herauszuholen; draußen sollst du stehen bleiben und er soll dir bringen, was er hat;“ denn sein eigenes Haus ist für jeden der sicherste Zufluchtsort und dann soll der Leiher nicht was er will als Pfand sich nehmen, sondern vielmehr zufrieden sein mit dem, was der Schuldiger als ihm weniger notwendig giebt; — 4. dadurch daß im siebenten Jahre alle Schulden ganz und gar nachgelassen würden; denn wahrscheinlich gaben die etwas schuldeten es vor dem siebenten Jahre zurück, damit sie nicht als Betrüger dastanden; und waren andere unfähig dazu, so sollte man ihnen mit der gleichen Liebe die Schulden nachlassen, mit der man von neuem dem Bedürftigen helfen sollte. Was die geliehenen Tiere anbelangt, stellte das „Gesetz“ fest, daß sie, wenn sie in der Abwesenheit dessen, dem sie geliehen waren, also wegen seiner Nachlässigkeit, zu Grunde gingen oder Schaden litten, ersetzt werden sollten. Gingen sie in der Anwesenheit, also unter der sorgfältigen Aufsicht ihres Herrn, dem sie geliehen worden, zu Grunde, so brauchte er nichts zu ersetzen, zumal wenn sie gemietet waren. Denn sie wären dann unter den gleichen Umständen auch beim Leiher zu Grunde gegangen; und so würde dieser, wenn ihm das Tier ersetzt würde, einen grundlosen Gewinn, einen Zins, vom Leihen haben. Das war ganz besonders dann zu berücksichtigen, wann die Tiere um Lohn gemietet waren; dann wurde bereits ein Preis bezahlt für den Gebrauch der Tiere und durfte somit nichts hinzugefügt werden als Erstattung, außer wenn wegen der Nachlässigkeit des überwachenden der Schaden erwachsen war. Waren sie aber nicht um Lohn gemietet, so konnte es oft billig sein, daß wenigstens so viel erstattet würde, wie viel der Gebrauch des Tieres, das gefallen oder unfähig geworden war, abgeworfen hätte. V. Dies ist der Unterschied zwischen dem Geliehenen und Anvertrauten, daß jenes übergeben wird zum Nutzen des anderen, dieses aber vielmehr zum Nutzen dessen, der es anvertraut. Und deshalb ward jemand mehr darin geängstigt, das Geliehene zurückzugeben wie das Anvertraute. Denn des Anvertrauten konnte man verlustig gehen: einmal infolge einer natürlichen, unvermeidbaren Ursache, z. B. wenn das Tier gefallen war; oder infolge einer von außen kommenden Ursache, z. B. wenn es die Feinde genommen hätten und ein wildes Tier es gefressen hatte, in welchem Falle man dem Besitzer bringen mußte, was vom getöteten Tiere noch übrig war; sonst hatte man nichts zu erstatten, sondern nur einen Reinigungseid zu leisten, um dem Verdachte des Truges zu entgehen; — dann konnte das Anvertraute verloren gehen infolge einer zu vermeidenden Ursache, infolge Diebstahls z. B.; und dann mußte wegen der Nachlässigkeit des überwachenden das Anvertraute erstattet werden. Wer also (vgl. ad IV.) ein Tier sich geliehen hatte, der war zur Erstattung verpflichtet, wenn das Tier gefallen oder unfähig geworden war in seiner Abwesenheit; während derjenige, dem etwas anvertraut »orden, nur in dem Falle erstatten mußte, wenn es gestohlen worden. VI. Die Lohnarbeiter sind Arme, die um ihre Lebensnotdurft arbeiten; deshalb sah das „Gesetz“ vor, daß sie gleich bezahlt würden. Wer aber anderen etwas vermietet, z. B. Häuser, ist gewöhnlich reich. Also ist nicht auf beiden Seiten derselbe Fall. VII. Die Richter sollen das was zweifelhaft ist entscheiden. In doppelter Weise ist etwas zweifelhaft: 1. bei den Einfachen; und dementsprechend „sollen Richter und Obrigkeiten aufgestellt sein in jedem Stamme, daß sie das Volk gemäß Recht und Gesetz richten;“ — 2. bei den Erfahrenen. Und dafür mußten alle in die von Gott dazu gewählte Stadt kommen, wo 1. der Hohepriester war, welcher in Ceremonialfragen, und 2. der oberste Richter in Israel, der bürgerliche Rechtsfragen entschied. Solche Appellinstanzen haben wir noch jetzt. Deshalb heißt es Deut. 17.: „Wenn du merkst, daß das Urteil schwierig ist und zweifelhaft und du siehst, wie die Richter vor den Thoren der Stadt verschiedener Meinung sind; so steige hinauf zu dem Orte, den der Herr erwählt hat, und du wirst eintreten zu den Priestern aus dem Geschlechte Levi und zum Richter für jene Zeit.“ Dergleichen Fälle wie die letzteren waren nicht häufig; und so wurden die Leute durch die Entfernung der Stadt, wo der höchste Richter war, nicht belästigt. VIII. In den menschlichen Dingen kann man keine metaphysische Gewißheit haben; es genügt da jene Wahrscheinlichkeit, welcher gemäß der Redner zu überzeugen sucht. Nun ist es wohl möglich, daß zwei oder drei Menschen übereinkommen, in einer Sache zu lügen; es ist dies jedoch nicht so leicht und nicht sehr wahrscheinlich. Deshalb wird ihr Zeugnis als wahrhaft angenommen, zumal wenn sie in ihrer Aussage nicht schwanken, sich nicht widersprechen und sonst kein Verdacht gegen sie vorliegt. Damit die Zeugen nicht von der Wahrheit abwichen, hat zudem das „Gesetz“ angeordnet, daß sie mit größter Sorgfalt ausgefragt würden und daß sie hohe Strafe träfe, wenn sie auf einer Lüge ertappt werden sollten; wie Deut. 19. gesagt wird. Es bestand jedoch auch ein gewisser Grund für die Bestimmung dieser Zahl, damit nämlich durch dieselbe ausgedrückt werde die unfehlbare Wahrheit der göttlichen Personen, die zuweilen als zwei gezählt werden, weil der heilige Geist das Band von Vater und Sohn ist, zuweilen als drei, wie Augustin sagt zu Joh. 8, 17.: „In euerem Gesetze ist geschrieben, daß das Zeugnis zweier Menschen wahr ist.“ (Tract. 36. in Joan.) IX. Nicht nur auf Grund der Schwere der Schuld, sondern auch wegen anderer Umstände wird eine schwere Strafe aufgelegt: 1. wegen des Umfanges der Sünde; denn einer größeren Sünde gebührt, wenn alles übrige gleich bleibt, eine schwerere Strafe; — 2. wegen der Gewohnheit zu sündigen; denn von der Gewohnheit zu sündigen werden die Menschen nur abgezogen durch hohe Strafen; — 3. wegen der großen Begierlichkeit oder des großen Ergötzens an der Sünde; denn auch davon entfernt man die Menschen nur durch schwere Strafen; — 4. wegen der Leichtigkeit zu sündigen und in der Sünde zu bleiben; denn wenn solche Sünden bekannt werden, sind sie schwerer zu bestrafen, damit andere davon abgeschreckt werden. Rücksichtlich des Umfanges der Sünde ist nun bei ein und demselben Sündenakte wieder eine vierfache Stufe zu beobachten:

a) wann jemand gegen seinen freien Willen die Sünde begeht; und zwar wird dieselbe gar nicht bestraft, wenn sie ganz unfreiwillig ist, nach Deut. 22.: „Wenn einem Mädchen auf dem Felde Gewalt angethan wird, so ist sie nicht des Todes schuldig; denn sie schrie und niemand war da, um ihr zu helfen;“ war die Sünde einigermaßen freiwillig, geschah sie z. B. infolge der Schwäche der Leidenschaft, so wird die Strafe gemäß dem Urteile der Richter geringer, wenn sie nicht erhöht wird wegen des allgemeinen Nutzens, um andere zu schrecken; —

b) wann jemand aus Unkenntnis sündigt; dann ward der Schuldige einigermaßen für schuldig erachtet wegen der Nachlässigkeit, seine Pflichten oder die Umstände kennen zu lernen; jedoch wurde er nicht durch die Richter bestraft, sondern sühnte seine Sünde durch ein Opfer: „Wer aus Unkenntnis gesündigt hat, …. soll eine fleckenlose Ziege darbringen;“ die Unkenntnis des göttlichen Gebotes aber entschuldigte nicht. Denn das zu kennen war jeder gehalten; —

c) wann jemand aus Hochmut sündigte, d. h. aus Bosheit oder aus vollbewußter Wahl; dann ward er gestraft nach dem Umfange des Vergehens; —

d) wann er mit Hartnäckigkeit sündigte und mit offener Verachtung der Gesetze; dann wurde er als Zerrütter der öffentlichen Ordnung mit dem Tode gestraft. Danach also wurde beim Diebstahl gemäß dem Gesetze in der Strafe berücksichtigt das, was für gewöhnlich und häufig zutreffen konnte. Was demgemäß leicht zu bewachen gewesen wäre gegen die Diebe, dafür wurde jener, der es gestohlen, dadurch bestraft daß er das Doppelte erstatten mußte. Die Schafe aber sind nicht so leicht davor zu bewachen und zu behüten, daß sie nicht gestohlen werden, denn sie weiden auf den freien Ackern; weil da solche Tiere also häufig gestohlen wurden, legte das Gesetz eine größere Strafe auf; nämlich vier Schafe mußte der Dieb für ein gestohlenes wiedererstatten. Noch schwerer sind die Rinder zu bewachen, denn sie weiden nicht so in Herden wie die Schafe, sind deshalb leichter noch zu stehlen und wurden deshalb auch häufiger gestohlen. Das Gesetz legte hier also eine noch größere Strafe auf, fünf Rinder mußten für ein gestohlenes zurückerstattet werden; wurde jedoch das Tier beim Diebe noch lebendig vorgefunden, so erstattete er nur zwei, da man voraussetzen konnte, daß er die Absicht habe, es wieder zum Eigentümer zurückzuführen, weil er es am Leben erhalten hatte. Oder man kann sagen, das Rind biete einen fünffachen Nutzen: es wird geopfert, es pflügt, es nährt mit seinem Fleische, es giebt Milch und seine Haut wird gebraucht. Das Schaf dagegen bietet nur einen vierfachen Nutzen: es wird geopfert, nährt, giebt Milch und Wolle. Der widerspenstige Sohn aber wurde getötet, nicht deshalb weil er an Festschmausereien teilnahm; sondern wegen seiner Hartnäckigkeit im Ungehorsam. Der am Sabbath Holz sammelte, wurde gestraft als Verletzer des Gesetzes, also als Ungläubiger. X. Die Todesstrafe verhängte das Alte Gesetz wegen der Verbrechen, die gegen Gott direkt sich wenden: wegen Totschlag, Diebstahl von Menschen, Unehrerbietigkeit gegen die Eltern, Ehebruch und Blutschande. Bei Diebstählen anderer Gegenstände bestrafte es mit Schaden am Besitze; bei körperlichen Verletzungen und Verstümmelungen mit der Strafe des Verlustes des nämlichen Gliedes (poena talionis); bei anderen kleineren Vergehen mit Geißelung oder Schande. Die Strafe der Knechtschaft oder Sklaverei wandte es an: 1. wann der Knecht oder Sklave im siebenten Jahre, im Jahre des Nachlasses, nicht der vom Gesetze gewährten Wohlthat sich bedienen wollte, daß er frei würde; er wurde dann für immer Sklave; — 2. wann der Dieb nichts hatte, um wiederzuerstatten. (Exod. 22.) Die Strafe der Verbannung ward nicht verhängt, denn nur in jenem Volke wurde der eine Gott verehrt; ausschließen also von diesem Volke würde ebensoviel geheißen haben wie Gelegenheit geben zum Götzendienste. Deshalb sagte David zu Saul (1. Kön. 26.): „Verflucht seien, die mich heute ausgewiesen haben, daß ich nicht wohne im Erbe des Herrn, und die da sprachen: Gehe hin, diene den fremden Göttern.“ Es bestand jedoch eine beschränkte Verbannung. Denn wer seinen Mitmenschen aus Unkenntnis erschlagen hatte und der nachweislich gegen ihn keinen Haß trug, floh in eine „Stadt der Zuflucht“ und blieb da bis zum Tode des Hohenpriesters; bei der allgemeinen Trauer des Volkes nämlich pflegt der auf besonderen Gründen beruhende Zorn sich zu beruhigen und so waren dann die Verwandten nicht so hingeneigt, ihn zu töten. XI. Tiere mußten getötet werden wegen des Nachteiles, den deren Besitzer davon hatten, also zur Strafe derselben; weil sie solche Tiere nicht behütet hatten daß sie Schaden anstifteten. Und deshalb wird der Besitzer schwerer bestraft, wenn ein Ochse, der mit den Hörnern gestoßen hatte, bereits „seit gestern und vorgestern“ stößig gewesen war; denn in diesem Falle war es möglich, der Gefahr zu begegnen, was nicht statthatte, wenn das Tier plötzlich stößig geworden ist. Oder es wurden diese Tiere getötet aus Abscheu vor den mit ihnen zusammenhängenden Sünden und damit nicht ihr Anblick den Menschen Entsetzen einflöße. Der Wortgrund davon ist nach Rabbi Moses (I. c. cap. 41), weil der Mörder zumeist aus der nächstliegenden Stadt ist. Die Tötung des Kalbes also geschah, um vom verborgenen Thäter Spuren zu entdecken. Dies geschah in dreifacher Weise: Es schworen 1. die herbeigerufenen Ältesten, sie hätten nichts unterlassen in der Bewachung der Straßen. Sodann erlitt 2. jener, dem das Kalb gehörte, durch die Tötung des Tieres einen Schaden; wurde also früher der Mörder zur Anzeige gebracht, so wurde das Tier nicht getötet. Endlich blieb 3. der Ort, wo das Kalb getötet wurde, unbebaut liegen. Die Einwohner hatten sonach ein Interesse daran, was sie vom Morde wußten, zu sagen; und selten geschah es, daß nicht einige Worte darüber fielen oder Einiges, was gethan wurde, auf die richtige Spur leitete. Oder es geschah dies, um zu schrecken und den Abscheu vor dem Menschenmord zu verbreiten. Denn durch die Tötung des Kalbes, das ein nützliches Tier ist und voll Kraft, zumal bevor es arbeitet unter dem Joche, wurde bezeichnet, daß, wer auch immer getötet hätte, mochte er auch stark oder von Nutzen sein, mit dem Tode bestraft werden mußte und zwar mit einem grausamen, was das Zerschlagen des Nackens andeutete; und daß er als feige und verächtlich von der Gesellschaft auszuschließen war, wie das getötete Kalb an einem rauhen und steinigten Orte der Verwesung überlassen wurde. „Mystisch“ drückt das Kalb von der Herde das Fleisch Christi aus, das kein Joch getragen, weil keine Sünde begangen hat, noch die Erde vermittelst des Pfluges spaltete, d. i. die Makel der Empörung und Spaltung nicht an sich hatte. Daß aber das Tier im rauhen, steinigten Thale getötet, resp. belassen wurde, bezeichnete den nach außen hin verächtlichen Tod Christi, durch den alle Sünden gereinigt werden und der Teufel als Urheber des Menschenmordes erscheint.

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