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Œuvres Thomas d'Aquin (1225-1274) Summe der Theologie
Prima Pars Secundae Partis
Quaestio 114

Achter Artikel. Der Mensch kann die Vermehrung der Gnade oder der Liebe verdienen.

a) Das scheint zu weit gegangen. Denn: I. Hat der Mensch den Lohn empfangen, den er verdiente, so gebührt ihm kein anderer, nach Matth. 6.: „Sie haben ihren Lohn.“ Also wäre das ewige Leben als weiterer Lohn nicht mehr zu erwarten. II. Nichts wirkt über sein Wesen oder sein Princip hinaus. Das Princip des Verdienstes aber ist die Gnade oder die Liebe. Keiner also verdient größere oder mehr Gnade als er hat. III. Fällt die Vermehrung der Gnade oder Liebe unter das Verdienst , so verdient man durch jeden Gnade- oder Liebeakt eine Vermehrung der Gnade und Liebe. Was aber der Mensch verdient, erlangt er von Gott unfehlbar, wenn die nachfolgende Sünde kein Hindernis setzt; weshalb 2. Tim. 1. gesagt wird: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe; und ich bin gewiß, daß Er mächtig ist, in mir das Anvertraute zu bewahren.“ So würde also durch jeden verdienstlichen Akt die Gnade oder Liebe vermehrt werden; was unzulässig erscheint, da manchmal solche Akte nicht hinreichend feurig sind, um die Liebe zu vermehren, und höchstens genügen, um sie zu erhalten. Auf der anderen Seite sagt Augustin (tract. 5. in ep. I. Joan.): „Die Liebe verdient, vermehrt zu werden, damit die vermehrte verdiene, auch vollendet zu werden.“

b) Ich antworte, alles Jenes falle unter das gleichwertige (ex condigno) Verdienst, worauf sich der von der Gnade ausgehende Anstoß erstreckt. Dieser jedoch erstreckt sich wie bei jeder Bewegung nicht allein auf den letzten Zielpunkt der Bewegung, sondern auf deren ganzen Fortgang. Der letzte Zielpunkt der durch die Gnade hervorgerufenen Bewegung aber ist das ewige Leben; und der Fortgang darin ist gemäß der Vermehrung der Gnade und Liebe, nach Prov. 4.: „Der Gerechten Pfad glänzt wie das Licht, geht voran und wächst bis zum hellleuchtenden Tage, d. h. bis zur Herrlichkeit.“ So fällt also die Vermehrung der Gnade und Liebe unter das gleichwertige Verdienst.

c) I. Der Lohn ist der Abschluß und die Grenze des Verdienstes. Ein solcher Abschluß ist aber ein doppelter: nämlich der letzte und der zwischenliegende, welcher zugleich Princip der weiteren Bewegung und Abschluß der vorangegangenen ist; ein solcher Abschluß ist der Lohn, welcher in der Vermehrung besteht. Wer aber in der Menschengunst seinen Endzweck findet, für den ist dieser Lohn der letzte Endzweck und nicht ein dazwischenliegender; solche also haben keinen anderen Lohn zu erwarten. II. Die Vermehrung der Gnade geht nicht über die Tragkraft der vorhergehenden hinaus, wenn sie auch deren thatsächlichen Umfang überragt; wie der Baum wohl den Umfang des Samens überragt, aber nicht dessen Kraft. II. Jeder verdienstliche Akt verdient Vermehrung der Gnade ebenso wie auch die ewige Seligkeit als die Vollendung der Gnade. Wie aber das ewige Leben nicht sogleich gegeben wird, sondern seiner Zeit; so wird auch die Gnade nicht sogleich vermehrt, sondern zu gegebener Zeit, wenn nämlich jemand genügend vorbereitet ist dazu.

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