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Œuvres Thomas d'Aquin (1225-1274) Summe der Theologie
Tertia Pars
Quaestio 47

Dritter Artikel. Gott Vater hat den Herrn dem Leiden übergeben.

a) Dem steht Folgendes entgegen: I. Grausam und ungerecht ist es, einen unschuldigen dem Leiden und
Sterben zu überliefern. „Gott aber ist treu und ohne Ungerechtigkeit“
(Deut. 32.). II. Christus „hat Sich selber dem Tode übergeben“ (Isai. 53.).
Also war dies nicht der Vater. III. Judas wird getadelt, weil er den Heiland den Juden übergab:
„Einer von euch ist ein Teufel,“ heißt es Joh. 6. Die Juden werden
getadelt, weil sie Ihn dem Pilatus übergaben, nach Joh. 18.: „Dein Volk
und Deine Oberpriester haben Dich mir übergeben.“ Pilatus „übergab
Ihn, daß Er gekreuzigt würde,“ nach Joh. 19. Nicht aber „besteht eine
Gemeinschaft zwischen der Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit,“ nach 2. Kor. 6.
Also hat nicht der Vater Christum übergeben. Auf der anderen Seite steht Röm. 8.: „Des eigenen Sohnes hat Er nicht geschont, sondern für uns alle hat Er Ihn dahingegeben.“

b) Ich antworte, Christus habe aus freiem Willen gelitten aus Gehorsam gegen den Vater. Also unter drei Gesichtspunkten übergab Christum Gott der Vater: 1. Weil Er von Ewigkeit vorherbestimmt hatte, das Menschengeschlecht zu retten durch das Leiden Christi, nach Isai. 53.: „Der Herr hat auf Ihn gelegt unser aller Sünden;“ — 2. Weil Er Ihm einflößte den Willen, für uns zu leiden, insoweit Er Ihm die heilige Liebe einprägte, wonach (l. c.) es heißt: „Er ward dargebracht, weil Er selbst sowollte;“ — 3. weil Er Ihn nicht beschützte, sondern Ihn den Verfolgern aussetzte, weshalb der Herr am Kreuze sagte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Aug. ep. 140.)

c) I. Einen unschuldigen gegen seinen Willen dem Leiden übergeben, ist grausam und ungerecht. Gott aber hat Christo den Willen eingegeben, Sich für uns aufzuopfern. Darin zeigt sich so recht die strenge Gerechtigkeit Gottes, der ohne Strafe die Sünde nicht erlassen wollte und „seines Eingeborenen Sohnes nicht schonte“ (Röm. 3.); auf der anderen Seite aber seine Barmherzigkeit, kraft deren Er den Menschen, die aus eigener Kraft nicht genugthun konnten, einen Sühner schenkte; denn „für uns alle hat Er Ihn dahingegeben“ (Röm. 3.), „den Er aufstellte als Sühner durch den Glauben in seinem Blute.“ II. Christus als Gott hat Sich kraft desselben Aktes dahingegeben in
den Tod wie der Vater Ihn dahingab; als Mensch hat Er sich dahingegeben, insoweit der Vater Ihm diesen Willen einflößte. Da besteht also
kein Gegensatz. III. Die eine nämliche Thätigkeit ist schlecht oder gut je nach der
Wurzel, aus der sie hervorgeht. Der Vater übergab seinen Eingeborenen
und dieser sich selbst aus heiliger Liebe; Judas übergab Ihn aus Geldgier,
die Juden aus Neid, Pilatus aus Menschenfurcht, daß nämlich der Kaiser
ihn tadle. Das Eine verdient Lob, das Andere Tadel.

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