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Œuvres Thomas d'Aquin (1225-1274) Summe der Theologie
Tertia Pars
Quaestio 49

Sechster Artikel. Christus hat durch sein Leiden seine eigene Erhöhung verdrent.

a) Dies wird geleugnet. Denn: I. Wie die Erkenntnis aller Wahrheit Gott eigen ist, so auch die
höchste Erhabenheit, nach Ps. 112.: „Hoch erhaben über alle Völker ist
der Herr und über die Himmel hinaus geht seine Herrlichkeit.“ Christus
aber hatte als Mensch die Kenntnis aller Wahrheit auf Grund der Einigung mit dem „Worte“, nicht wegen eines Verdienstes. Also besaß Er
auch aus demselben Grunde die höchste Erhabenheit und verdiente nicht eine
Erhöhung durch sein Leiden. II. Christus verdiente vom ersten Augenblicke seiner Empfängnis an.
Nicht größer aber war die Liebe, nämlich das Princip des Verdienens bei
Gott, in Ihm beim Leiden wie im ersten Augenblicke der Empfängnis. Also
hat Er durch sein Leiden nicht mehr verdient wie vorher. III. Die Herrlichkeit des Körpers fließt aus der Herrlichkeit der Seele
(Aug. ad Dioscorum). Die Erhöhung aber mit Rücksicht auf seine Seele
hat Christus nicht verdient; denn Er war stets selig; — also auch nicht
mit Bezug auf seinen Körper. Auf der anderen Seite steht Phil. 2.: „Er wurde gehorsam bis zum Tode und bis zum Tode am Kreuze; weshalb auch Gott Ihn erhöht hat.“

b) Ich antworte; das Verdienst schließt in sich ein die Ausgleichung, welche von der Gerechtigkeit kommt, so daß Röm. 4. es heißt: „Der Lohn wird angerechnet jenem, der arbeitet, nach dem, was er verdient hat.“ Wenn aber jemand auf Grund seines ungerechten Willens sich zuteilt mehr als ihm gebührt, so ist es gerecht, daß ihm vermindert wird das, was ihm gebührte; wie „jener, der ein Schaf geraubt hat, vier wiedererstatten soll“ (Exod. 22.). Und das nennt man Verdienen, soweit der ungerechte Wille erwogen wird. So aber auch verdient jener, der aus gerechtem Willen sich entzogen hat, was ihm gebührte, daß ihm mehr gegeben werde, gleichsam als Lohn für den gerechten Willen. Und danach heißt es Luk. 14.: „Wer sich demütigt, wird erhöht werden.“ Christus nun hat in seinem Leiden Sich unter seine Würde erniedrigt in viererlei: 1. Weil Er litt und starb; was Er nicht verschuldet hatte; — 2. weil sein Leib in das Grab gesenkt worden und seine Seele in die Hölle hinabgestiegen ist; — 3. weil Schmach und Schande Ihm angethan wurde; — 4. weil Er der menschlichen Gewalt überantwortet worden ist, nach Joh. 19.:„Du hättest über mich gar keine Gewalt, wenn sie Dir nicht gegeben wäre von oben.“ Und danach verdiente Er erhöht zu werden in viererlei: 1. Daß Er glorreich auferstände, nach Ps. 138.: „Du hast gekannt mein Sitzen,“ d. h. die Erniedrigung meines Leidens, „und meine Auferstehung“; — 2. daß Er in den Himmel aufsteige, nach Ephes. 4.: „Er stieg zuerst hinab in die tieferen Teile der Erde; wer aber hinabsteigt. Er selbst ist es, der auch hinaufsteigt über alle Himmel;“ — 3. daß Er sitze zur Rechten des Vaters, nach Isai. 52.: „Er wird erhöht werden und hinaufsteigen und überaus erhaben sein;“ und Phil. 2.: „Weshalb Ihn Gott erhöhen und Ihm einen Namen geben wird, der da ist über alle Namen,“ daß Er nämlich von allen „Gott“ genannt und wie Gott angebetet werde, so daß da folgt: „Damit im Namen Jesu alle Kniee sich beugen;“ — 4. daß Er Richter über alle sei, nach Job 36.: „Deine Sache ward geurteilt wie die eines gottlosen; Du wirst das Amt zu urteilen empfangen.“

c) I. Das Princip des Verdienens ist in der Seele; der Leib ist da thätig in der Weise eines Werkzeuges. Die Vollendung der Seele Christi also, die das Princip des Verdienens ist, durfte nicht erlangt werden durch Verdienst; wie dies der Fall ist für die Vollendung des Leibes, der da Sitz des Leidens war und zugleich Werkzeug für das Verdienen selber. II. Durch die vorangehenden Verdienste verdient Christus die Erhöhung von seiten der Seele her, deren Wille in der heiligen Liebe und
in anderen Tugenden bethätigt und vollendet war. Im Leiden verdiente
Er die Erhöhung als eine gewisse Vergeltung von seiten des Körpers her;
denn es war gerecht, daß der Körper, welcher auf Grund der Liebe dem
Leiden unterworfen war, nun den Lohn empfing in der Herrlichkeit. III. Die Herrlichkeit der Seele in Christo floß nach dem Ratschlüsse
Gottes nicht über auf den Leib, damit der Herr gleichsam ehrenvoller die
Herrlichkeit des Leibes erhalte; dadurch nämlich daß Er sie verdiente. Die
Herrlichkeit der Seele nun durfte nicht verschoben werden, weil sie unmittelbar mit dem „Worte“ in der Person verbunden war, so daß es sich geziemte, daß sie vom „Worte“ selber mit Herrlichkeit angefüllt würde. Der
Körper aber ward mit dem „Worte“ verbunden vermittelst der Seele.

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